Mölln. Deutsche Politiker werben im Ausland um Fachkräfte. Doch viele sind bereits im Land, brauchen Hilfe, um Hürden zu überwinden.
Eine erste Bildungsmesse für Menschen mit ausländischen Wurzeln bietet das Jobcenter Herzogtum Lauenburg am 7. November in Mölln. Sie richtet sich an junge Migranten, die schon lange in Deutschland leben und dennoch keinen Ausbildungsplatz finden, ebenso wie an Flüchtlinge und Zuwanderer – vom Analphabeten bis zum Akademiker. Viele finden trotz in der Heimat erworbener Qualifikationen und trotz Fachkräftemangels in Deutschland keine Arbeit.
In den vergangenen Jahren häufen sich Beschwerden aus der Wirtschaft, aus Handwerk und Dienstleistungssektor, aus Kranken- und Altenpflege, weniger aus dem Maschinenbau oder der IT-Technik: Ein Übermaß an Vorschriften und Regulierungen stehe dem Schließen vieler Personallücken entgegen. Selbst ausgewiesene Experten verzweifeln am Wirrwarr.
Bildungsmesse speziell für Menschen mit ausländischen Wurzeln
Tatsächlich müht sich neben anderen auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Ausland, Pflegekräfte für Deutschland anzuwerben. Derzeit reduzieren Pflegeheime ihre Bettenzahlen oder schließen ganz. Auch ambulante Pflegedienste geben auf, unter anderem, weil sie ihre Personallücken nicht schließen können.
Bis im Ausland examinierte Pflegekräfte oder ausländische Fachärzte in Deutschland in ihrem Metier arbeiten dürfen, vergehen häufig viele Monate. Ein Faktor ist der Erwerb der deutschen Sprache. Daneben spielen vor allem unterschiedliche Ausbildungen und besonders in Medizin und Pflege die Regelungen zur Dokumentationspflicht und das Verstehen wie auch der Umgang mit dem Geflecht der verschiedenen Sozialkassen eine Rolle.
Deutsche Vielfalt überfordert viele Betroffene
Ist es in vielen Ländern allein die Krankenkasse, die zuständig ist, kann es in Deutschland neben den gesetzlichen oder privaten Kassen auch die jeweilige Pflegeversicherung sein. Oder aber die zuständige Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft; vielleicht auch der Rentenversicherungsträger, wenn es darum geht, Menschen möglichst lang arbeitsfähig und damit im Beruf zu halten.
Eine Spanisch sprechende Hamburgerin, die sich in Norddeutschland um die Integration aus Lateinamerika stammender Pflegekräfte bemüht, erlebt gelegentlich deren Verzweiflung: „Wenn schon viele Deutsche da nicht durchsteigen, wie sollen dies Menschen aus Lateinamerika oder Asien im Alltag umsetzen?“
Im Hindernisparcours zur eigenen Apotheke
Das gilt auch für Apotheker. Rund eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis Jobcenter-Mitarbeiter zwei aus dem arabischen Raum stammende Apotheker so weit durch den Parcours verschiedenster Anforderungen und Qualifikationen begleitet hatten, dass diese Apotheken übernehmen durften. Eine wachsende Zahl steht vor dem Aus, weil Inhaber, die sich zur Ruhe setzen wollen, keine Nachfolger für ihre Apotheke finden.
Auch die Integration ausländischer Fachärzte gestaltet sich komplex und langwierig. Dabei suchen deutsche Krankenhäuser händeringend nach qualifizierten Medizinern.
Das Jobcenter hilft, wenn Qualifikationen fehlen
Erfolge kann das Jobcenter im Herzogtum Lauenburg verbuchen, in der Suche nach passenden Lehrstellen wie darüber hinaus. So wurde gerade einem jungen Armenier eine Ausbildung zum Busfahrer vemittelt. Wer für seinen Traumjob über seine Ausbildung hinaus zusätzliche Qualifikationen, die Anerkennung von Abschlüssen oder spezielle Kenntnisse benötigt, dem versucht das Jobcenter in Mölln voranzuhelfen.
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Für Migranten sind die Hürden je nach persönlicher Qualifikation und Berufszweig unterschiedlich hoch, weiß Miriam Schütt, Organisatorin der ersten Bildungsmesse für Migranten. „Facharbeiter haben es häufig deutlich einfacher, werden eher durchgewunken als Menschen mit Studienabschluss.“
In Deutschland Ausbildungsberuf, im Ausland Studium
Das liege auch daran, dass im Ausland ein Studium Voraussetzung für Berufe ist, für die in Deutschland eine fundierte Ausbildung gefordert wird, so Schütt: „Wer in seiner Heimat nach Studium in Pflege oder Kinderbetreuung tätig war, tut sich schon mal schwer zu akzeptieren, dass er manches nachholen muss.“
Im Schnitt sei die Bereitschaft, sich für sein berufliches Fortkommen zu engagieren, jedoch überdurchschnittlich. Auf dem Weg dorthin würden geringer qualifizierte und schlechter bezahlte Beschäftigungen akzeptiert.
Viele Archtitekten und Juristen fahren Taxi
Doch Miriam Schütt kennt auch diejenigen, die mit ihrem Studienabschluss keine Chance bekommen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu bestehen. „Viele Juristen und Architekten arbeiten als Taxifahrer oder in der Produktion.“
Mehr als die Hälfte der ausländischen Akademiker schafft nicht den Weg in eine ihren Qualifikationen entsprechende Anstellung. Schütt: „Ärzten oder IT-Experten fällt dies leichter. In der Informationstechnik läuft vieles auf Englisch, da spielen fundierte Deutschkenntnisse keine große Rolle.“
Infos zur Bildungsmesse: Wann, wo, für wen
Jobcenter Herzogtum Lauenburg und Jugendberufsagentur bieten am 7. November in Mölln die erste Bildungsmesse für Migranten. Gedacht ist die Infobörse für Menschen mit ausländischen Wurzeln, im Alter von 16 bis 60 Jahren. Von 13 bis 16 Uhr präsentieren sich 20 Aussteller in der „Internationalen Begegnungsstätte“ (Lohgerberei) am Bahide-Arslan-Gang mit ihren Angeboten. Sie geben zudem Tipps und beraten.
Bereits eingeladen sind Bezieher von Bürgergeld und weitere Kunden des Jobcenters. Wer selbst ausländische Wurzeln hat und das extrem vielfältige Info-Angebot nutzen will, tut gut daran, sich zuvor per E-Mail anzumelden. Ansprechpartner ist die Organisatorin: miriam.schuett@jobcenter-ge.de.
Die Bildungsmesse richtet sich an Menschen, die Hilfe benötigen, um ihren Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Auf der Messe können Besucher mit Ausstellern wie etwa der Akademie für Beruf und Karriere und dem Berufsbildungszentrum Mölln (BBZ) ins Gespräch kommen. Sie können vom Beratungsnetzwerk „Alle an Bord“ der Handwerkskammer über die Gesundheitsakademie quatraCare und der Jugendberufsagentur Herzogtum Lauenburg bis zur SSB Kompetenz gGmbH auch Termine für weitere Gespräche ausmachen.
Das Jobcenter und die Jugendberufsagentur weisen darauf hin, dass die Teilnahme kostenlos ist. Über Infos und Beratungen hinaus werden ein Bewerbungsmappencheck, ein Fotostudio für Bewerbungsfotos sowie eine Cafeteria geboten.