Lüneburg. Trotz Höhenangst traute sich der 19-Jährige in luftige Sphären – und beeindruckte seinen zukünftigen Chef. Wir waren live dabei.
- Azubi-Wheel-Dating soll Bewerbungsgespräche in lockerer Jahrmarkt-Atmosphäre ermöglichen
- Trotz Regen, 6 Grad und Höhenangst – Danil Klink kann mit guter Vorbereitung punkten
- Viele Bewerber erscheinen nicht zu ihrem Termin im Riesenrad
Die Gondel steht ganz oben, 33 Meter über dem Boden, als das Riesenrad „Star of Berlin“ zum Stehen kommt. Normalerweise könnten jetzt alle Fahrgäste die Aussicht genießen. Danil Klink aber konzentriert sich auf seinen Gesprächspartner. Eigentlich hat der 19-Jährige Höhenangst. Trotzdem macht er an diesem Tag mit beim ersten Azubi-Wheel-Dating auf dem Lüneburger Frühjahrsmarkt.
In der leicht schaukelnden Gondel bewirbt er sich auf einen Ausbildungsplatz bei einem Juwelier, der zwei Läden in der Lüneburger Innenstadt betreibt. Noch weiß der junge Bewerber nicht, dass sich sein Einsatz lohnen wird. Es ist ein Versuch, Fuß zu fassen für die Zukunft. Und sein ungewöhnliches Hobby tatsächlich zum Beruf zu machen.
Im Riesenrad zum Ausbildungsplatz: 30 Lüneburger Firmen machen mit
Unter seinem grauen Mantel trägt der er eine schwarze Steppweste, von etwa sechs Grad Außentemperatur und hartnäckigem Regen lässt er sich nicht irritieren. Das Angebot, das Gespräch auf festem Boden im Gastronomiezelt zu führen, hat er ausgeschlagen. „Ich will mich der Angst stellen“, sagt Danil Klink.
So viel Entschlossenheit dürfte gut ankommen bei den Unternehmen, die hier ihre künftigen Fachkräfte suchen. Rund 30 Firmen aus der Stadt und der näheren Umgebung beteiligen sich an der Aktion. Sie sind auf der Suche nach Auszubildenden im Handwerk, Technik, IT, Pflege, Logistik oder im kaufmännischen Bereich.
Danil Klink beweist Flexibilität und zeigt Einsatz – schon vor dem Gespräch
Danil Klink ist nicht nur entschlossen und gut vorbereitet, er ist auch flexibel. Das hat er bereits in einem einwöchigen Praktikum bei Juwelier Süpke gezeigt. Dort war er zunächst in der Werkstatt, interessierte sich für den Beruf des Goldschmieds und Uhrmachers.
„Aber wir können nicht handwerklich ausbilden“, erklärt Inhaber Florian Rollert, während die Gondel sich – nach einem unerwarteten Richtungswechsel – langsam wieder abwärts bewegt. Deshalb ging Danil Klink auch in den Verkauf des Geschäfts.
Adendorfer bewirbt sich auf einen Ausbildungsplatz beim Juwelier
Jetzt bewirbt er sich jetzt als Einzelhandelskaufmann mit der Fachrichtung Uhren und Schmuck. Dass ihn das ernsthaft interessiert, kann er während der nächsten Runde im Riesenrad überzeugend rüberbringen. Zwar ist der 19-Jährige während des Gesprächs eher ruhig und zurückhaltend, aber als er von seiner Uhrensammlung zu Hause erzählt, klingt Begeisterung durch. „Mir gefallen schöne Uhren, und ich interessiere mich für die Mechanik.“
Dabei fällt sein Blick auf das Handgelenk des Juweliers. „Schöne Uhr haben Sie“, sagt der junge Bewerber, der selbst eine „Alltagsuhr“ trägt, wie er sagt. „Eine Casio, da ist es nicht so schlimm, wenn sie mal einen Kratzer bekommt.“ Die beiden Gesprächspartner kommen ins Plaudern, die zehn Minuten, die für das Gespräch vorgesehen waren, sind bereits überschritten. Aus unklaren Gründen dreht sich das Riesenrad unermüdlich weiter.
Es geht um die Stimmung im Team und Weiterbildungsmöglichkeiten
Die beiden sprechen über Danil Klinks Motivation, sich bei dem Juwelier zu bewerben. Außer seinem Faible für Uhren nennt er seine Eindrücke aus dem Praktikum. „Es ist ein tolles Team, mir wurde viel gezeigt, und alles war gut organisiert“, sagt der Adendorfer, der nach seinem Hauptschulabschluss zurzeit eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme absolviert. „Das war der erste Betrieb, in dem ich mich richtig wohlgefühlt habe.“
Im Bewerbungsgespräch erkundigt er sich jetzt nach einer möglichen Weiterbildung im Beruf. Florian Rollert erzählt, dass einer seiner Mitarbeiter gerade ein Abendstudium zum Fachwirt macht, und betont: „Ich freue mich über jeden Mitarbeiter, der sich entwickeln will.“ Dann überreicht er dem Bewerber noch eine blaue Stofftasche mit Firmenlogo, der freut sich sichtlich und verstaut sogleich seine Unterlagen darin.
Wegen Regen? Viele angemeldete Bewerber haben abgesagt
Bei dem Juwelier hat der junge Mann einen guten Eindruck hinterlassen. „Er ist auf jeden Fall pfiffig“, sagt Florian Rollert. Für ihn ist die Riesenrad-Aktion eine wichtige Hilfe bei der Suche nach neuen Auszubildenden für sein 15-köpfiges Team. „Ich musste mich ja nur melden, alles weitere wurde organisiert. Das ist ein großer Vorteil.“
Trotz genauer Planung bleiben an diesem verregneten Vormittag viele Gondeln leer. Etwa 180 Gespräche waren im Vorfeld organisiert worden, ein Teil der Bewerber stellt sich bei mehreren Firmen vor. Doch mehrere sagten kurz zuvor doch noch ab. „Wir haben leider auch einige No-Shows, das ist besonders ärgerlich“, sagt Christina Tünsmeyer von der Lüneburg Marketing.
Dabei sollte die Aktion auf dem Frühjahrsmarkt durch die lockere Atmosphäre auch Menschen anlocken, für die formale Gespräche eher eine Hürde bei der Bewerbung darstellen. Das häufige Problem, dass Bewerber einfach nicht zum Termin erscheinen, besteht jedoch auch hier. Dennoch kamen 176 Gespräche zustande, 65 Bewerber stellten sich im Riesenrad für einen oder mehrere Ausbildungsplätze vor.
Organisatoren wollen Lüneburg auch als Arbeitsort sichtbar machen
Trotzdem werten die Organisatoren das Job-Dating im Riesenrad als Erfolg, es gibt bereits Überlegungen, die Aktion im kommenden Jahr zu wiederholen und als festen Termin im Bewerbungsjahr zu etablieren. Bereits jetzt habe sich die enge Kooperation der Partner gelohnt, sagt Christina Tünsmeyer. „Wir wollen gemeinsam erreichen, dass sowohl junge Menschen für ihre Ausbildung in der Region bleiben als auch Zugezogene, die jetzt noch nach Hamburg pendeln, hier einen Arbeitsplatz finden. Lüneburg soll als Lebensort wahrgenommen werden.“
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Noch nie habe es so viele Ausbildungsangebote gegeben und noch nie so einen großen Bedarf an Fachkräften, hatte Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch zur Eröffnung am Morgen gesagt. „Hier im Riesenrad wollen wir Unternehmen und Bewerber zusammenbringen.“ An der Organisation beteiligen sich neben der städtischen Marketing-Gesellschaft unter anderem die Agentur für Arbeit, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer und das Jobcenter.
Trotz Höhenangst: Bewerber bewältigt Ausbildungs-Gespräch im Riesenrad souverän
Als die Gondel zum letzten Mal auf dieser Tour ganz oben stoppt, greift Florian Rollert beherzt in die Mitte und setzt zum Drehen an. Nicht einmal das kann Danil Klink aus der Ruhe bringen. Als er nach rund 20 Minuten das Riesenrad wieder verlassen hat, wirkt er zufrieden. „Das war mal etwas Anderes als ein Gespräch im Büro, es gab immer wieder kleine Ablenkungen. Dadurch war die Stimmung entspannt und wir konnten offener reden.“ Und seine Höhenangst? „Das war zum Glück nicht so schlimm wie ich dachte.“
Florian Rollert hat an diesem Vormittag noch vier weitere Bewerbungsgespräche auf seiner Liste. Die Kandidaten werden jedoch alle nicht erscheinen, wie er später erzählt. Für den Unternehmer hat sich der Vormittag dennoch gelohnt, er hat einen neuen Auszubildenden als Mitglied für sein Team gewonnen. Zehn Tage später unterschreibt Danil Klink seinen Ausbildungsvertrag bei Juwelier Süpke. Vom Sommer an wird er sich täglich mit schönen Uhren beschäftigen.