Winsen. Schüler der Eckermann-Realschule in Winsen machen sich in Wahlpflichtkursen Eindruck von Ausbildungsberufen. Betriebe profitieren
Joshua Eggers und Niclas Albrecht sind schon geübt in ihren Handgriffen. Dabei waren die beiden Zehntklässler der Johann-Peter-Eckermann-Realschule erst drei Male bei der Firma Unfall & Lackier Zentrum GmbH in der Winsener Boschstraße.
Im Rahmen ihres Wahlpflichtkurses Karosseriebau lernen sie Fahrwerkskonstruktionen und Aspekte der Blechbearbeitung kennen. Aktuell sind sie dabei, Lackschäden auszubessern. Die Arbeitsschritte können beide im Akkord aufsagen: Zuerst muss abgeschliffen werden, dann gereinigt, die kaputten Stellen werden mit Metallschienen versehen, es folgt Primer, Kleber, dann wird wieder abgeschliffen und zuletzt lackiert.
„Aber wie hießen diese Metallschienen bloß“, fragt sich Joshua. Der Auszubildende Merten Stobinski kann helfen: „Einschweißspangen“ lautet seine Antwort. Wer hier, beim praktischen Teil des Wahlpflichtkurses, zuguckt, kann nach kurzer Zeit feststellen: Die Jugendlichen lernen schnell, sie arbeiten im Team, sie haben sichtlich Spaß.
Schule und Wirtschaft – ein Modell für die Zukunft
Und diese Punkte gehören auch zu den Zielen, die Schulleiter Andreas Neises im Bezug auf das Wahlpflicht-Angebot an seiner Schule formuliert. Er hatte Ende der vergangenen Woche zu dem Themenvormittag „Schule und Wirtschaft – ein Modell für die Zukunft?“ geladen. Neises spricht von einer Win-Win-Situation für alle Seiten: Seine Schüler würden von Auszubildenden praxisnah Einblicke in Berufsfelder erhalten, die Betriebe könnten zukünftige Fachkräfte gewinnen, Schüler könnten mitgestalten, auch Lehrer hätten Spaß beim Geben der Theoriestunden. All das trage zum Schulfrieden bei.
Zehn Wahlpflichtkurse bietet die Realschule insgesamt für die Jahrgangsstufen sechs bis zehn an. Zwei müssen jede Schülerin und Schüler wählen – es sei denn, sie belegen das Fach Französisch, dann entfällt das Angebot.
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Die Kooperationen zwischen Schule und Betrieben hat Neises auf die Beine gestellt. Die Schule engagiert sich auch im Netzwerk Schule-Wirtschaft, das Markus Trettin, Leiter der Wirtschaftsförderung Winsen, 2018 ins Leben gerufen hat. Bei Treffen tauschen sich Vertreter von allen Winsener weiterführenden Schulen sowie Vertreter von Unternehmen aus. Auch ein Azubi-Speed-Dating wird von dem Netzwerk organisiert, um Schulabgänger mit Ausbildungsbetrieben in Kontakt zu bringen.
Auf lokaler Ebene wird die Initiative ehrenamtlich von Lehrern vertreten
Das Winsener Netzwerk ist nicht zu verwechseln mit der bundesweiten Initiative SchuleWirtschaft. Im Land Niedersachsen existiert sie auf Landesebene seit 1956. Das Netzwerk wurde von den Arbeitgeberverbänden initiiert, um Wirtschaft in der Praxis erlebbar zu machen und Impulse für die Berufsorientierung zu geben.
Auf lokaler Ebene wird die Initiative ehrenamtlich von Lehrern vertreten, die als Ansprechpartner für Schulen dienen, erklärt Nadja Engraf vom Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen. „Alle Schulen, die Interesse haben oder Hilfe benötigen, können sich an uns wenden“, sagt Engraf. Auch berufsorientierende Minimessen in Schulen organisiert das Netzwerk.
„Wenn die Schüler von Profis lernen, können sie ihre persönlichen Kompetenzen kennenlernen und auch ihre Berufseinstiegschancen verbessern“, sagt der Winsener Schulleiter Neises. Seine Schule hat sich mit ihren Wahlpflichtkursen für das Qualitäts-Siegel „proBerufsOrientierung! SchuleWirtschaft“ bei der Landesschulbehörde beworben. Zwei Male hat die Realschule das Siegel schon bekommen.
Wahlpflichtkurs-Angebot an der Eckermann-Realschule ist vielseitig
Das Wahlpflichtkurs-Angebot an der Eckermann-Realschule ist vielseitig. Ein Kurs dreht sich beispielsweise um Journalismus und findet in Kooperation mit dem NDR statt. In einem anderen beschäftigen sich die Schüler, angeleitet von einer Designerin, mit nachhaltiger Mode. Im Wahlpflichtkurs Landwirtschaft wiederum pflanzen die Schüler im Schulgarten Kartoffeln und sollen auf diese Weise in Berührung mit nachhaltigem Anbau von Lebensmitteln kommen. Kooperationspartner sind Höfe aus der Region: der Fruchthof Löscher etwa, der Obsthof Lehmbeck und Uhrbuch Gemüsinis. Weitere Schwerpunkte sind Sozialberufe – hier ist der DRK-Kreisverband Harburg-Land Partner – und das Thema Umwelt. Zu Letzterem wird ein Kurs im Imkern angeboten. Zwei Bienenvölker werden von Schülern betreut.
Die Schüler dürfen auch Anregungen geben. Im kommenden Schuljahr soll auf den Wunsch einiger Schüler hin ein Kurs zum Thema Digitalisierung auf die Beine gestellt werden, in dem auch über Datenschutz aufgeklärt werden soll. Die Politik müsse verstehen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft ist, sagt Neises. Denn eigentlich seien weitere Lehrerstunden nötig. Erst ab einer Schülerzahl von 32 könnten Klassen nämlich geteilt werden und zwei Lehrkräfte beauftragt. In den Betrieben seien derart große Gruppen aber oft nicht willkommen, eine Betreuung durch eine Lehrkraft aber nötig.
Joshua Eggers und Niclas Albrecht belegen ihren Wahlpflichtkurs Karosseriebau, weil sie Lust haben, etwas Praktisches zu machen und weil sie den zuständigen Lehrer mögen. Arndt von Diepenbroick hat selbst nach dem Abitur Kfz-Mechaniker gelernt. Er freue sich, dass er seine Kenntnisse nun auch in der Schule einbringen kann, sagt der Realschullehrer beim Themenvormittag. Sönke Neubauer, Geschäftsführer des Unfall & Lackier Zentrums, hält die Kooperation mit der Realschule für absolut notwendig: „Wir haben Spaß daran zu sehen, dass so auch Interesse für Handwerksberufe entsteht.“