Buchholz. Für Stadtplaner ist die Rütgers-Fläche am Bahnhof ein Schatz – doch noch liegt dort verseuchter Sand. Wie umfangreich die Sanierung ist.

  • Vorbereitung für ein zentrales Wohnquartier in Buchholz: Auf dem Rüttgers-Areal am Bahnhof rollen bald die Bagger
  • Aber: Es handelt sich nicht um den Baustart, sondern um den Beginn der umfangreichen Bodensanierung
  • Zehntausende Tonnen versuchter Sand müssen abtransportiert werden – was das für Anwohner und den Verkehr bedeutet

Noch grast Damwild seelenruhig und am helllichten Tag auf der Rütgers-Fläche am Buchholzer Bahnhof. Bald jedoch dürfte diese idyllische Ruhe vorbei sein: Die Sanierung des 16 Hektar großen Areals steht unmittelbar bevor. Wenn der Boden von Schadstoffen befreit ist, kann die Stadt Buchholz hierhin wachsen. Ein ganzes neues Quartier wird entstehen.

Noch grast am helllichten Tag Damwild auf der ehemaligen Rütgers-Fläche in Buchholz.
Noch grast am helllichten Tag Damwild auf der ehemaligen Rütgers-Fläche in Buchholz. © HA | Lars Hansen

16 Hektar Bauland innenstadtnah und direkt an einem Regionalbahnknoten. Hätten Stadtplaner bei der guten Fee drei Wünsche frei, könnte ihre Liste genau so aussehen. Ähnlich, wie in den meisten Märchen, gibt es aber auch hier einen Haken: Die Traumfläche ist verhext beziehungsweise verseucht. Fast 100 Jahre lang machten die Rütgers-Werke an dieser Stelle aus einfachen Holzstücken wetterbeständige und schädlingsresistente Eisenbahnschwellen und Leitungsmasten. Die Straßennamen „Rütgerweg“ im Norden und „An der Schwellenfabrik“ im Westen erinnern daran.

Riesige Fläche im Buchholzer Zentrum: Ehemaliges Wundermittel verseucht dort den Boden

Damit Wind, Wetter und winzige Lebewesen dem Holz nichts anhaben konnten, wurde es in Teerölen getränkt. Dessen Hauptbestandteil Naphthalin, ein polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff, galt mehr als hundert Jahre als das Nonplusultra im Holzschutz und in der Kleidermottenabwehr. Noch Babyboomer strichen als Kinder Gartenzäune damit, während ihre Mütter mit alten Eisenbahnschwellen Gemüsebeete einfassten.

Dann jedoch stellte sich heraus, dass viele Teeröle, vor allem, wenn sie aus Holzkohleteer destilliert wurden, stark gesundheitsschädlich sind. Innerhalb weniger Jahre wurde das Imprägnieren mit diesen Stoffen eingestellt. Für die Schwellenfabrik in Buchholz bedeutete dies das Aus. In den 1980er-Jahren wurde der Betrieb eingestellt und die Gebäude abgerissen. Es blieb der Boden, voll mit einem ehemaligen Wundermittel, das nun ein Problemstoff ist.

Auf der Südfläche wird ab Mai für das Gesamtareal geübt

Aus der Verantwortung will sich Rütgers Chemicals allerdings nicht stehlen: Die Fläche soll saniert und gemeinsam mit der Firma „Lerchenpark“ und der Stadt Buchholz entwickelt werden. Bis hier aber tatsächlich einmal Menschen leben werden, werde noch viele Jahre vergehen. Seit einigen Jahren läuft bereits die Grundwasseraufbereitung. Jetzt nimmt auch die Bodensanierung konkrete Formen an.

Der Straßenname „An der Schwellenfabrik“ erinnert an den alten Betrieb.
Der Straßenname „An der Schwellenfabrik“ erinnert an den alten Betrieb. © HA | Lars Hansen

Auf der „Südfläche“, dem Teil des Areals, das südlich der Straße Heidekamp liegt, will die Lerchenpark GmbH mit der Bodensanierung beginnen. Dafür hat sie bereits im Februar Bäume gefällt und Gestrüpp geschreddert. Anfang März nun stellten Lerchenpark-Vertreter die Pläne für die kommenden Monate vor.

„Wir beginnen mit der Südfläche, weil diese wahrscheinlich einfacher zu sanieren ist als die Nordfläche und wir so schon einmal Erfahrung sammeln können“, sagte Jens Heidtmann von der Lerchenpark GmbH. Danach überließ er das Reden der Ingenieurin Ann-Christin Bauer, die das Sanierungs-Projekt vorstellte.

So belastet ist der Boden auf der Südfläche

Sie hatte eine gute Nachricht: Zumindest auf der Südfläche ist der Boden nicht allzu tief hochbelastet. Der natürliche Boden wurde bei Errichtung des Werks aufgefüllt um einen festen, planen Untergrund zu haben. Belastet ist nach den bisherigen Untersuchungen nur die Auffüllschicht. Sie ist in einigen ehemaligen Senken zwar fast zweieinhalb Meter mächtig, zumeist jedoch nur 50 bis 80, stellenweise auch nur zehn Zentimeter. Insgesamt rechnet Bauer mit 71.000 Tonnen Aushub.

Mit Blick vom Buchholzer Bahnhof aus wird die ganze Weite der Fläche deutlich.
Mit Blick vom Buchholzer Bahnhof aus wird die ganze Weite der Fläche deutlich. © HA | Lars Hansen

Sie schätzt, dass davon lediglich 17.000 Tonnen endgültig als Problemstoff entsorgt werden müssen. 21.000 Tonnen dürften so schwach belastet sein, dass sie keinen Grenzwert überschreiten und vor Ort verbleiben könnten, und 32.000 Tonnen könnten anderswo aufbereitet und wiederverwertet werden. Genau kann man das allerdings erst beurteilen, wenn man den Sand auf der Schaufel hat – beziehungsweise im Rüssel. Denn damit der Problemsand nicht umherstaubt, wird er im Saugbaggerverfahren abgebaut.

Abfuhr des Sandes von der Rütgers-Fläche: Etwa sechs Lkw pro Stunde

Der Sand wird auf der Fläche analysiert, angefeuchtet und mit einer Plane bedeckt, bis er abgeholt wird. Mit Rücksicht auf Anwohner und den dichten Berufsverkehr in Buchholz sollen die Abfuhrzeiten auf 10 bis 16 Uhr begrenzt sein. In dieser Zeit rechnet Ann-Christin Bauer mit bis zu sechs Lkw pro Stunde. Im Mai soll es losgehen.

In der Leichtbauhalle läuft bereits seit einigen Jahren die Grundwasser-Aufbereitung.
In der Leichtbauhalle läuft bereits seit einigen Jahren die Grundwasser-Aufbereitung. © HA | Lars Hansen

Mit diesen zusätzlichen Lkw käme der Buchholzer Verkehr wohl klar, sagte Stadtbaurat Stefan Niemöller auf Bürgernachfrage. Was denn aber mit dem Verkehr sei, der später einmal durch die neuen Bewohner entstünde, war die nächste bange Frage, auch in Sorge der Anwohner um die künftige Parkplatzsituation.

Mehr zum Thema

Das neue Quartier werde autoarm geplant, sagte Niemöller, relativierte das jedoch wenig später mit einer anderen Aussage: „Ohne die Ostumfahrung wird das neue Quartier den Buchholzer Verkehr überlasten“, sagte er. Bis auf dem Rütgers-Gelände die ersten Neubürger von Buchholz wohnen, werden noch Jahre vergehen. Bis dahin wird vielleicht auch der Ostring fertig sein. Beschlossen ist er ja bereits – nach drei Jahrzehnten Streit.