Winsen/Salzhausen. Sie leiden noch immer unter den Folgen von Tschernobyl, dann kam der Krieg. Wie ein Verein in Winsen den Familien Hoffnung gibt.

  • Über zwei Jahre dauert der russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits.
  • Während gleich zu Beginn viele Mütter mit ihren Kindern das Land verließen, haben sich andere entschlossen zu bleiben.
  • Ein Winsener Verein bietet Kindern aus der Region Tschernobyl seit 20 Jahren die Chance auf einen Sommer ohne Krieg – das Engagement ist wichtiger denn je.

In diesen Tagen jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine zum zweiten Mal. Die Unterstützung der Menschen in den betroffenen Regionen und des ukrainischen Militärs sind Alltag geworden. Wie so häufig in solchen Konflikten, sind besonders die Kinder die Leidtragenden. In Winsen gibt es einen Verein, der sich schon seit mehr als 20 Jahren für Kinder in der Ukraine einsetzt.

Anlass war die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Der Name des gemeinnützigen Vereins lautet „Hilfe für Tschernobyl-Kinder Winsen/Luhe e.V.“ Jetzt bekam er eine beachtliche Spende überreicht.

Ein Sommer ohne Krieg: Besonders Kinder aus der Region Tschernobyl leiden

Das Reaktorunglück vom April 1986 liegt mehr als 35 Jahre zurück. Doch die Spätfolgen sind noch heute zu spüren. Die Sterberate bei Frauen, die nach einer Krebs-, vor allem Brustkrebserkrankung sterben, liegt bei 70 Prozent. Kinder leider an Atemwegserkrankungen, Hautekzemen und anderen Krankheiten. Weil kaum Investitionen in den Wiederaufbau der Infrastruktur getätigt wurden, suchten viele Männer und Väter Arbeit in anderen Regionen und kehrten oft nicht zurück.

Abschiedskonzert der ukrainischen Kinder in Raven als Dankeschön an alle Spender und Helfer.
Abschiedskonzert der ukrainischen Kinder in Raven als Dankeschön an alle Spender und Helfer. © HA | Privat

Christoph Rödiger, ehemals Lehrer am Gymnasium Winsen, war um die Jahrtausendwende der Initiator der Hilfe für Tschernobyl-Kinder. Die Idee damals wie heute: Kinder aus Bila Zerkwa, eine der am stärksten betroffenen Regionen, sollen vier unbeschwerte Wochen in Deutschland verbringen, sollen Abstand von der belastenden Situation ihrer Heimat gewinnen, sollen Spiel und Spaß an der frischen Luft genießen.

Gesundes Essen wird von freiwilligen Helfern jeden Tag frisch zubereitet

Nach einer Woche des „Ankommens“ gehören auch Freizeitaktivitäten und Ausflüge zum Programm. Dazu gibt es Obst und Gemüse und anderes gesundes Essen, das von freiwilligen Helfern Tag für Tag frisch zubereitet wird. Durch die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre ist die Situation nicht einfacher geworden.

Zum Programm gehört auch Stockbrot-Grillen auf dem Gelände in Raven.
Zum Programm gehört auch Stockbrot-Grillen auf dem Gelände in Raven. © HA | Privat

„Durch den Krieg hat sich die Not noch drastisch verschlimmert. Kinder leiden besonders unter diesen Lebensbedingungen“, erzählt die Vereinsvorsitzende Ina Theml. Viele Kinder in der Ukraine seien Halb- oder Vollwaisen geworden, sie könnten bestenfalls bei Verwandten unterkommen. Waisenhäuser seien die letzte Option, weil diese in einem unglaublich schlechten Zustand seien, so Theml.

Dolmetscherin, Bibliothekarin, Logopädin und Köchin begleiten die Kinder

Bei den Aufenthalten in Deutschland sind eine Dolmetscherin, eine Bibliothekarin, eine Logopädin und eine Köchin, alle aus der Ukraine, dabei. Die 20 Kinder im Alter zwischen 8 und 10 Jahren stammen aus sozial schwachen Familien und werden vor Ort von ukrainischen Betreuerinnen und einem Sozialfonds ausgewählt.

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Aus dieser Zusammenarbeit kennen die Winsener Vorstandsmitglieder die schwierigen Lebensbedingungen: Da lebt ein Kind mit seiner Großmutter in einem kleinen Zimmer mit zwei Betten, einem Tisch und zwei Stühlen. In einem anderen Beispiel lebt eine zwölfköpfige Familie mit neun Kindern, Eltern und Großmutter in zwei Zimmern – Küche und Toilette für die gesamte Etage liegen jeweils auf dem Flur.

Aufenthalt im Freizeitheim Raven kostet insgesamt etwa 20.000 Euro

Mit Ausnahme von drei Corona-Jahren kommen jedes Jahr im Sommer Kinder aus der Ukraine in den Landkreis Harburg. 2024 ist der Aufenthalt im Freizeitheim Raven bei Salzhausen für den Zeitraum vom 24. Juni bis 25. Juli geplant.

Zum Programm der vierwöchigen Aufenthalte gehören diverse Freizeitaktivitäten, 2019 zum Beispiel vier Fechtabende beim TSV Winsen.
Zum Programm der vierwöchigen Aufenthalte gehören diverse Freizeitaktivitäten, 2019 zum Beispiel vier Fechtabende beim TSV Winsen. © HA | Privat

Der Träger, die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Raven, hat die Preise deutlich erhöht. Der Verein „Hilfe für Tschernobyl-Kinder Winsen“ plant für den gesamten Aufenthalt mit einem Etat von 20.000 Euro – ausschließlich durch Spenden finanziert.

Veranstaltergruppe „Die 6“ übergibt 4000 Euro Erlös aus drei Konzerten

Umso größer war die Freude, als die Veranstaltergruppe „Die 6“ einen Scheck in Höhe von 4000 Euro an den Tschernobyl-Hilfeverein übergab – nicht zum ersten Mal. Der aktuelle Betrag setzt sich vor allem zusammen aus den Erlösen von drei Konzerten im Marstall Winsen: Blues Package (15. Dezember 2023), Cat-Stevens-Tribute-Band (26. Januar) und Abi Wallenstein (10. Februar).

Auch für das laufende Jahr haben die sechs umtriebigen Musikfans aus Winsen bereits zwei neue Konzerte in Vorbereitung: Am Sonnabend, 31. August, planen sie ein Open-Air-Konzert mit der Band „8 to the Bar“ im Winsener Ortsteil Pattensen und am Sonnabend, 9. November, werden „B.B. and the Blues Shacks“ den historischen Marstall am Schlossplatz rocken.

Die Konzertveranstalter „Die 6“ (rote Poloshirts) übergeben vor dem Marstall in Winsen einen 4000-Euro-Scheck an die Vertreterinnen des Vereins „Hilfe für Tschernobyl-Kinder Winsen“. 
Die Konzertveranstalter „Die 6“ (rote Poloshirts) übergeben vor dem Marstall in Winsen einen 4000-Euro-Scheck an die Vertreterinnen des Vereins „Hilfe für Tschernobyl-Kinder Winsen“.  © HA | Markus Steinbrück

Hinter der Bezeichnung „Die 6“ verbergen sich Karsten Maack-Kramer, Wieland Behr, Jochen Fischer, Ronald Luhmann, Bernhard Giersch und Norbert Beins. Unterstützt werden sie bei den Konzerten durch Julia Meinel, Susanne Möller, Alexandra Dreger, Nicole Luka, Cordula Schenk und Susanne Schepelmann.

Krieg in der Ukraine: Verein braucht weiter Spenden und sucht freiwillige Helfer

„4000 Euro sind genial. Damit ist der Besuch einer Kindergruppe für dieses Jahr ziemlich sicher gerettet“, sagte Kassenwartin Sabine Müller-Oertzen. Auch Ina Theml äußerte sich hoch erfreut: „Mit dieser Summe haben Sie uns richtig, richtig geholfen. Wir haben noch nie einer Gruppe absagen müssen.“

Gleichzeitig benötigt der gemeinnützige Verein weitere Unterstützung, auch freiwillige Helfer sind willkommen. Informationen gibt es bei Instagram oder unter E-Mail ina.theml@gmail.com. Wer direkt spenden möchte, kann dies unter der IBAN DE21 2075 0000 0007 0290 10 bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude tun.