Lüneburg. Lüneburger Hilfsprojekt Ukraine: Der zehnte Hilfsgüter-Transport hat Generator für eine Kleinstadt dabei. Austauschprogramm geplant.
Am Dienstag vergangener Woche ging es wieder los. Vier Männer, fünf Sattelzüge und 85 Tonnen Hilfsgüter machten sich auf den Weg in die Zentralukraine. Der zehnte Transport des Lüneburger Hilfsprojekt Ukraine innerhalb eines Jahres hatte erneut die Stadt Vinnytsia zum Ziel, von dort aus wurde die Ladung weiter nach Bar, Ladyzhin, Bachmut und Cherson gebracht. In Vinnytsia leben mittlerweile 200.000 geflüchtete Menschen, fast alle sind Frauen und Kinder. Viele sind nach der Evakuierung von Cherson hierhergekommen.
„Die Versorgung der Flüchtlinge mit allem Lebensnotwendigen stellt die Region vor große Probleme“, sagt Dr. Ralf-Peter Oelsner. Der Arzt aus Bleckede ist Gründer und erster Vorsitzender des Hilfsprojekts. Der Krieg in der Ukraine war fast genau einen Monat alt, als Oelsner den gemeinnützigen Verein in Lüneburg gegründet hat. Er bereitet die Hilfsaktionen vor und begleitet die Transporte jedes Mal.
Kaminöfen, Thermowäsche, Lebensmittel und Medikamente füllen die Lkw
An den Zielorten arbeitet der Verein mit festen Partnern zusammen, darunter Zentren für Flüchtlingsversorgung, Schulen und Krankenhäuser. Dabei nutzt Oelsner ein Netzwerk, das er bereits seit den 1990er Jahren aufgebaut hat. Damals hatte er einen Verein gegründet, um Menschen auf dem Balkan und später in Tschernobyl zu helfen. „Aus dieser Zeit habe ich sehr gute Kontakte, unter anderem zum Auswärtigen Amt“, sagt Oelsner. „Vor Ort brauchen wir gut vernetzte Leute, die wissen, was gebraucht wird.“
Gründlichkeit und Transparenz sind dem Vereinsvorsitzenden wichtig. Er will für die Unterstützer und Partner seiner Hilfstransporte ein verlässlicher und gewissenhafter Organisator sein. Über alle Spenden führt er genau Buch, zudem fragt er vorab bei den Partnern nach, was genau benötigt wird. Die Posten auf seinen Listen sagen viel aus über die Bedingungen, unter denen viele Menschen derzeit in der Ukraine ausharren: 45 Diesel-Stromgeneratoren enthält der aktuelle Transport, außerdem 100 eiserne Kamin-Öfen, zwei Tonnen Thermo-Unterwäsche, 80 Taschenlampen, 60 Säcke Kinderkleidung und etliche Tonnen Lebensmittel, darunter Kartoffelflocken, Milchpulver, Müsliriegel und Fischkonserven.
Kleinstadt war nach Raketenangriff ohne Energie, jetzt liefert ein Generator Strom
Ein Großteil der Generatoren sind für die Kleinstadt Ladyzhin bestimmt. Nachdem das dortige Kraftwerk durch russischen Raketenbeschuss zerstört wurde, fiel die Stromversorgung in der Stadt mit etwa 22.000 Einwohnern und 2000 Flüchtlingen vollständig aus. „Dies bedeutet nicht nur, dass kein Strom aus der Steckdose kommt“, betont Oelsner, „sondern auch: keine Wasserversorgung, keine Abwasserentsorgung, keine Heizung.“
Bereits mit dem vorherigen Transport kam ein Generator in den Ort, um Strom für das Wasserwerk zu liefern. Mit dieser Ladung wird die Versorgung auch für Flüchtlingsunterkünfte, Großküchen und ein Waisenhaus unterstützt. Dank der Lüneburger Helfer haben die Menschen wieder Zugang zu Licht, Strom und Wärme.
Medizinische Hilfsgüter werden zu Erstversorgungsstation in Bachmut gebracht
Auch medizinische Ausrüstung und Medikamente sind an Bord der Lastwagen, sowohl für die Erstversorgung von Schwerverletzten in Bachmut als auch für das Krankenhaus in Vinnytsia. „Durch die große Zahl an schwer verletzten Zivilisten und Soldaten aus den schwer umkämpften Ost-Gebieten ist die Klinik schwer belastet und benötigt dringend Unterstützung“, sagt Oelsner.
In dem Krankenhaus landen auch die Verletzten, die zunächst in einer Erstversorgungsstation in Bachmut stabilisiert wurden. „Durch Raketentreffer wurde diese Station zerstört, es gab viele Tote und Verletzte“, berichtet der Hausarzt. Damit die medizinische Hilfe weiterhin angeboten werden kann, schickt der Verein zum Beispiel Narkosemittel, Schmerzmittel und Verbandsmaterial. Auch die Ausstattung für eine Zahnarztpraxis hat das Team vor einigen Tagen der Nationalgarde übergeben.
Mit 3D-Druckern werden Kunstwerke aus Heimatmuseum Vinnytsia gesichert
Die Zerstörung durch den russischen Angriffskrieg betrifft auch das Kulturgut der Ukraine. Daher hat der Verein eine Partnerschaft zwischen dem Museum Lüneburg und dem Heimatmuseum Vinnytsia vermittelt. Die Lastwagen aus Niedersachsen hatten diesmal daher auch 3D-Drucker und Scanner an Bord, die für die Sicherung und Archivierung von Kunstschätzen benötigt werden.
Die Transporte sind nicht das einzige Hilfsangebot, das der Verein organisiert. Auch mit Wissen sollen Menschen in der Ukraine unterstützt werden. So ist ein Austauschprogramm für Mediziner, Landwirte und Automechaniker geplant. Für Mai werden Schüler eine Landwirtschaftsschule sowie einer Schule für Automobil-Handwerk aus Bar erwartet. Sie erhalten die Gelegenheit, hier die Arbeit in verschiedenen Werkstätten kennenzulernen. Drei Schulen aus dem Ort pflegen Partnerschaften mit Schulen in Bleckede.
Verein hat Ärzte aus der Ukraine eingeladen, in Krankenhäusern zu hospitieren
Bereits im März sollen 14 Ärzte zu Besuch kommen, um im Klinikum Lüneburg und im Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen zu hospitieren. Mindestens ein Arzt sei auch interessiert, in die Ukraine zu reisen, sagt Oelsner. Inwiefern Gegenbesuche möglich sein werden, sei jedoch angesichts der aktuellen Lage noch unklar. Der Mediziner ist jedoch überzeugt, dass beide Seiten von dem Programm profitieren können. „Die Hoffnung und die Motivation sind groß. Wir entwickeln gemeinsam Projekte für die Zukunft. Und in dieser Zukunft ist die Ukraine zum Beispiel für den Automarkt einer der Absatzmärkte mit großem Potenzial.“
Die Gedanken an die Zukunft sind wichtig, für die Ukrainer genauso wie für die Helfer. „Die Leute sind zunehmend erschöpft und angespannt“, berichtet Oelsner nach einem Jahr Hilfstransporte. „Der Krieg ist zermürbend.“ Wenn der Raketenalarm erklingt, weiß niemand, was getroffen werden könnte. Alles ist möglich in diesem Krieg. „Die Angriffe richten sich ja auch ganz gezielt gegen die Infrastruktur und Wohnhäuser. Es ist gespenstisch.“
Dem Helfer ist bewusst, dass er sich selbst möglicherweise in Gefahr begibt. Doch er war früher selbst beim Militär, kann mit solchen Eventualitäten umgehen. „Natürlich bleibt ein Restrisiko“, sagt er. „Aber zu Hause kann mir auch ein Ziegelstein auf den Kopf fallen.“ Und so konzentriert er sich lieber auf das, was er für Menschen in Not bewegen kann. Organisiert die Transportlogistik, gewinnt weitere Spender, vermittelt Partnerschaften. Die Transporte aus Lüneburg werden weiter rollen.