Holm-Seppensen. Bei Fragen rund um Holm-Seppensens Geschichte fragen die Alteingesessenen den erst 1978 zugezogenen Ehrhard Deisting.
Sein Ort Holm-Seppensen ist ganz nach Ehrhard Deistings Geschmack: Dörflich und doch stadtnah. Ruhig, aber nicht abgeschieden. Ein Leben inmitten abwechslungsreicher Landschaft mit bewaldeten Hügeln, Heideflächen, Bachtälern und Wiesenauen. „Eine solche Umgebung ist nicht mit Gold aufzuwiegen“, findet der 74-Jährige. Schon in Jugendjahren erwachte sein Wunsch, bei Buchholz zu wohnen.
Als Student für Pädagogik, Geografie und Romanistik fuhr er fast täglich mit dem Zug von seinem Heimatort Rotenburg zur Uni Hamburg durch die aufstrebende Stadt. Als das Schulzentrum am Buenser Weg gebaut wurde, bewarb sich der Junglehrer am Albert-Einstein-Gymnasium, an dem er bis zur Pensionierung unterrichtete.
Dass er 1978 gerade nach Holm-Seppensen zog, lag an seiner Frau Heide. Die Pharmazeutin hatte die Mühlen-Apotheke übernommen, die inzwischen der Sohn weiter führt.
Ehrhard Deisting ist somit ein Zugezogener, kennt seine Wahlheimat aber vermutlich besser als die meisten Alteingesessenen. Er engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Geschichts- und Museumsvereins Buchholz und Umgebung, eine rund 350 Mitglieder zählende Gemeinschaft, die sich für die Erhaltung regionaler Kulturgüter einsetzt. „Der Vorsitz ist ein Fulltime-Job“, sagt Ehrhard Deisting. Er hatte schon immer ein Faible für Historie, forschte einst zum Thema mittelalterliche Kulturlandschaft und suchte nach verschwundenen Dörfern und Höfen.
Holm-Seppensen ist ein vergleichsweise junger Ort, der seine Existenz dem Bau der Heidebahn verdankt. Die eingleisige Strecke benötigte eine Ausweichstation, an der sich Züge aus beiden Richtungen begegnen konnten. „Holm-Seppensen liegt auf halbem Wege zwischen den Bahnhöfen Buchholz und Handeloh. Die Standortentscheidung fiel aus praktischem Grund und war keineswegs eine Kompromisslösung im Streit zwischen dem Holmer Gutsbesitzer und den Seppenser Bauern, wie oftmals behauptet wird“, erklärt Ehrhard Deisting.
Bei der offiziellen Eröffnung 1901 stand der Bahnhof Holm-Seppensen allein in der Einöde. „Von Buchholz bis zum Wilseder Berg gab es damals nur Heide, die Ausflügler und Anhänger der Wandervogel-Bewegung anzog. An den Wochenenden kamen sie zu Tausenden“, erzählt Deisting. Weil viele in Hom-Seppensen ausstiegen, entstand nahe der Station schon bald das Gasthaus Schnoor, dessen Saal später auch als Kino diente.
Heute steht an der Stelle des Lokals der REWE-Markt. „Der künstlich geschaffene Badeteich und die Seppenser Mühle mit dem Mühlteich waren ebenfalls bekannte und beliebte Ausflugsziele. Die Mühle hatte Jahrhunderte lang überregionale Bedeutung gehabt. Um 1860 mussten 120 Höfe im Umkreis zwischen Emsen und Kampen ihr Getreide in Seppensen mahlen lassen“, erklärt Deisting.
Die ersten Siedler kamen schon während des ersten Weltkriegs nach Holm-Seppensen. „Viele Ausflügler fanden so großen Gefallen an der Gegend, dass sie sich Wochenendhäuser bauten oder gleich ganz hier her zogen. Grundstücke waren in Holm-Seppensen zum Schnäppchenpreis zu haben. Ein Morgen kostete 1929 nur eine Mark. Und manche Hamburger hatten Leben in der Stadt satt. Sie flohen vor Schmutz und Hektik aufs Land“, erzählt Ehrhard Deisting.
Auch er selbst hält sich gern in freier Natur auf, sammelt Pilze in den Lohbergen, wandert auf den Rosskopf oder durch das Trockental der Höllenschlucht, genießt den Ausblick vom 129 Meter hohen Brunsberg, durchstreift die Umgebung des romantischen Ritterguts Holm. „Rund um die Fischteiche, die übrigens einst von Sträflingen ausgehoben wurden, gibt es Gänsesäger, Wasseramsel, sogar den Schwarzstorch“, weiß der Naturfreund.
Die Holmer Mühle ist die Keimzelle des Geschichts- und Museumsvereins Buchholz. Um sie zu erhalten, war der Verein einst gegründet worden. Im alten Fachwerkhaus finden regelmäßig Vorträge, Kunstausstellungen, Konzerte und das monatliche Mahlen statt.
Den zweiten Schwerpunkt der Gemeinschaft bildet das Museumsdorf in Seppensen, auf das Ehrhard Deisting besonders stolz ist. In dem Ensemble von alter Dorfschule, Heidebauernhaus, Durchfahrtsscheune, Backhaus und Schmiede finden Backtage, Schmiede- und Imkerkurse, Ausstellungen, Märkte und Hochzeiten statt.
Weitere Attraktionen sind für ihn der Schmetterlingspark in Seppensen und das Angebot des Vereins „Kulturbahnhof“, der Vorträge, Workshops und Seminare im alten Bahnhofsgebäude veranstaltet. „Hier gibt es für jeden Anspruch und Geschmack etwas“, schwärmt Ehrhard Deisting.
Auch im täglichen Leben fehle es an nichts. Die Infrastruktur sei hervorragend. „Wir haben genügend Geschäfte, Ärzte, Sportvereine, Golfplatz und Tennisclub, Kindergärten, Grundschule. Und zu den weiterführenden Schulen in Buchholz fahren Busse.“