Urban Sketching ist der neue Trend unter Hobbyzeichner. Vier von ihnen entdecken für das Hamburger Abendblatt den Süden Hamburgs und die Region.

Auch wenn Buchholz als die Stadt mit dem größten Kultur- und Shoppingerlebnis im Landkreis Harburg gilt, haben die Urban Sketchers alles andere als Jubel-Trubel-Bilder gezeichnet. Vielmehr sind ganz gegensätzliche Sichtweisen von der Stadt entstanden – verwunschene, lebendige, bunte und nüchterne Zeugnisse des urbanen Alltags.

Urban Sketching ist eine internationale Bewegung, die aktuell immer mehr Zulauf bekommt. Das Hamburger Abendblatt greift den Trend lokal auf, indem die vier Zeichner Elke Schmidt aus Hollenstedt, Tine Beutler aus Buxtehude, Thorsten Kleier aus Buchholz und Doris Schliemann aus Meckelfeld ihr Bild vom Hamburger Süden in einer zehnteiligen Serie präsentieren. Ausgerüstet mit Stift, Papier und Farbtöpfen durchstreifen sie den Hamburger Süden, immer auf der Suche nach einer Szene, die sich lohnt, festgehalten zu werden. In diesem sechsten Teil der Serie steht Buchholz im Fokus.

Thorsten Kleier hat den Lokschuppen skizziert.
Thorsten Kleier hat den Lokschuppen skizziert. "Ich hoffe, dass das Kulturdenkmal in eine zukünftige Bebauung integriert wird", sagte er. © HA | Privat

Eine Rettung der Seppenser Wassermühle ist schwierig

Doris Schliemann, eine der vier Urban Sketchers, ist extra bei ihrer Suche nach einem Motiv etwas aus der Stadt herausgefahren. „Empore und Rathaus sind ja hinlänglich bekannt“, sagt sie. Am Ende landete sie in Holm-Seppensen, etwa sechs Kilometer südlich von Buchholz, und skizzierte die Seppenser Wassermühle. „Der wie aus einer anderen Welt erscheinende Gebäudekomplex hat mich total fasziniert. Ich wusste gar nicht, dass so etwas in unserem Landkreis existiert“, sagt Doris Schliemann und fügt ein „noch“ hinzu.

Ein berechtigtes „noch“. Die Seppenser Mühle, die einer Erbengemeinschaft gehört, zerfällt zusehends. „Seit Jahren wird um die Rettung gerungen“, schrieb Ulrich Klages (inzwischen verstorben) schon vor 13 Jahren in einem Aufsatz für den Geschichts- und Museumsverein zur bauhistorischen Untersuchung der Seppenser Mühle .

Daran hat sich bis heute nichts geändert, nur, dass die Rettung offenbar unwahrscheinlicher wird denn je. Das Fachwerkhaus ist seit langem unbewohnt. Der Geschichts- und Museumsverein hatte vor einigen Jahren notdürftig die Löcher im Dach gestopft, aber es sind schon wieder neue Schäden entstanden.

„Mein Blick ging über den Teich hinweg auf das interessante Volksbank-Gebäude
„Mein Blick ging über den Teich hinweg auf das interessante Volksbank-Gebäude", sagte Tine Beutler © HA | Privat

„Ich habe das Gebäude ins Herz geschlossen“, sagt Ehrhard Deisting, Vorsitzender des Buchholzer Geschichts- und Museumsvereins. „Doch eine tragfähige Lösung zum Erhalt der Seppenser Mühle ist nicht in Sicht. Eine Rettung ist schwierig.“ Dabei habe die Wassermühle, die aus dem 16. Jahrhundert stamme, eine große Bedeutung für die Region. Sie war einmal eine so genannte Zwangsmühle. „120 Bauern aus der Umgebung mussten hier ihr Getreide mahlen“, sagt Deisting. Ein kompletter Zerfall wäre ein großer Verlust. Das sieht die Zeichnerin Doris Schliemann genauso.

Auch Thorsten Kleier thematisierte den Zerfall in seiner Skizze, wenn auch einen anderen – den des Lokschuppens. Seit Jahren gibt es auch hier Überlegungen, das denkmalgeschützte Gebäude zu retten und wieder nutzbar zu machen. Die Pläne reichten von gewerblicher Nutzung über einen Supermarkt bis zu einer Disco.

Zuletzt, im Frühjahr 2016, wollte der Investor Steffen Lücking aus Emsen-Langenrehm daraus ein Dampflokmuseum mit Veranstaltungsräumen machen. Doch nur wenige Monate später legte er das Vorhaben auf Eis und löste den Kaufvertrag mit dem Verkäufer wieder auf. Der Grund: zu hohe und kostspielige Auflagen.

Die Seppenser Wassermühle – ein „Gebäudekomplex wie aus einer anderen Welt“, sagte Doris Schliemann
Die Seppenser Wassermühle – ein „Gebäudekomplex wie aus einer anderen Welt“, sagte Doris Schliemann © HA | Privat

Thorsten Kleier hofft, dass sich doch noch eine Lösung für den Lokschuppen findet. Die Skizze sei ein gutes Beispiel dafür, dass das Urban Sketching eine Entwicklung festhalte. Schließlich lässt sich mit den Zeichnungen zurückschauen auf das, was mal war. Deshalb setzen die Zeichner ihr Hobby gerne mit dem Bildjournalismus gleich. Die Urban Sketchers zeichnen nur vor Ort. Etwas in die Skizze einfließen zu lassen, was das Auge nicht sieht, oder Fotos als Vorlage zu nutzen, ist verpönt. Nur was beobachtet wird, darf in die Skizze.

Das nächste Deutschland-Treffen ist in Hamburg

Elke Schmidt wählte den Wochenmarkt als Motiv. „Trotz des schlechten Wetters wollte ich den gerne zeichnen, weil er für ein freundliches Miteinander steht“, sagt sie. Sie zog gemeinsam mit Tine Beutler los. „Positiv ist mir aufgefallen, dass sich die modernen Gebäude, wie etwa das Haus der Volksbank oder die Buchholz-Galerie gut in das Stadtbild integrieren“, sagt Tine Beutler. „Das ist ja leider nicht immer so. Manche Bausünde kann einer schönen Innenstadt den Charakter rauben.“

Ihre Skizzen teilen sich die Urban Sketchers mit anderen aus der Szene auf sozialen Netzwerken, vorrangig auf Facebook. Zudem begegnen sie sich regelmäßig und zeichnen gemeinsam. Die monatlichen Treffen in Hamburg ziehen inzwischen bis zu 30 Urban Sketchers an. Auch deutschland- und weltweite Treffen gibt es. Gerade erst kamen Urban Sketchers am vergangenen Wochenende in Eutin zusammen. „Das ist etwas Besonderes für die Sketchers“, sagt Thorsten Kleier. „Wir können Zeichner aus anderen Städten kennenlernen, uns austauschen und Freundschaften knüpfen.“

Umso mehr freut es ihn, dass das Deutschland-Treffen im nächsten Jahr in Hamburg ist. „Wir zeigen gerne unser Hamburg und sind gespannt, wie andere die Stadt sehen und zeichnen“, sagt er.

Die Serienteile:1. Harburg2. Hollenstedt3. Buxtehude4. Winsen5. Neu Wulmstorf 6. Buchholz 7. Hoopte8. Bendestorf9. Jesteburg10. Hittfeld Elke Schmidt „Obwohl es regnete, wollte ich gerne den Wochenmarkt zeichnen, da es dort beim Einkauf immer zu netten Gesprächen kommt. Zurzeit wird der Wochenmarkt mit Hilfe der Parteienstände und ihrer Wahlkampfwerbung etwas ,aufgepeppt‘.

"Ich mag die Community der Urban Sketchers, weil sie sehr zwanglos ist", sagt Elke Schmidt aus Hollenstedt © HA | Bianca Wilkens

Wegen des Regens hatte ich es mir auf der überdachten Terrasse des Lim’s – eine Location innerhalb der Empore – gemütlich gemacht. Die Empore ist aus Buchholz auch nicht mehr weg zu denken, da sie in jeder Beziehung mit den vielen, interessanten Aufführungen Farbe in den Alltag bringt.“ Doris Schliemann „Ich habe mich für die Seppenser Wassermühle als Motiv entschieden. Es ist ein Fachwerkhaus, das an einem idyllischen Mühlenteich liegt. Die Mühle wird leider schon seit längeren dem fortschreitenden Verfall preisgegeben. Seit 20 Jahren ist sie unbewohnt und seitdem passiert nichts. Das ist schade, weil es ein wertvolles historisches Gebäude ist.

"Wenn ich nicht mehr zeichnen könnte, würde es mir sehr fehlen", sagt Doris Schliemann aus Meckelfeld © HA | Bianca Wilkens

Die Mühle selbst stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die meisten der heute noch vorhandenen Gebäudeteile wurden deutlich später gebaut. Während ich dort zeichnete, kamen so einige Radfahrer vorbei und Spaziergänger mit Hunden. Ganz so unbekannt ist die Gegend dort also nicht. Ich fände es sehr traurig, wenn es keine Chance zur Rettung der Seppenser Mühle gäbe.“ Thorsten Kleier „An Buchholz haben mir besonders der Gang durch die Fußgängerzone und der Markt in der Stadt gefallen. Buchholz hat alles, was aber fehlt, sind historische Gebäude. Von ihnen ist augenscheinlich nicht viel geblieben. Ich habe mich entschieden, den alten Lokschuppen, der da so verlassen steht und langsam verfällt, zu zeichnen. Es ist ein Lost Place und verlockt dazu, etwas aus ihm zu machen.

"Das Schöne ist, dass wir mit dem Zeichnen Dinge festhalten, die es vielleicht in ein paar Jahren nicht mehr gibt", sagt Thorsten Kleier aus Buchholz © HA | Bianca Wilkens

Ich finde es traurig, dass Teile abgerissen wurden, wie beispielsweise die Drehscheibe. Ich hätte mir gewünscht, dass so ein Kulturdenkmal erhalten wird und in eine zukünftige Bebauung integriert würde. Ich hoffe, es findet sich ein Investor, der etwas aus dem Lokschuppen macht. Ansonsten habe ich Buchholz als einen beschaulichen Ort empfunden, in dem man gemütlich in der Fußgängerzone im Café oder in der Eisdiele sitzen und sich treffen kann. Es ist eine Kleinstadt mit ländlichem Charakter und ohne großstädtische Anonymität.“ Tine Beutler „Ich bin nicht häufig in Buchholz. Deswegen habe ich mich gefreut, dass diese Stadt auf unserer Erkundungsliste steht. Bei regnerischem Wetter bummelten Elke Schmidt und ich über den Markt, der ein breites Angebot hatte, und suchten ein trockenes Plätzchen mit interessantem Blick. Schließlich blieben wir im Lim’s in der Empore hängen. Mein Blick ging über den Teich hinweg auf das Volksbank-Gebäude. Linker Hand blickte ich ins Grün der Bäume und der Teichanlage. Das gefiel mir.

"Wenn ich mir später die Skizze anschaue, kann ich mich wieder genau in die Atmosphäre vor Ort einfühlen", sagt Tine Beutler aus Buxtehude © HA | Bianca Wilkens

Gezeichnet habe ich mit Kugelschreiber, ohne vorzuzeichnen. Anschließend habe ich die Skizze mit Aquarellfarbe koloriert. Während des Zeichnens fiel mein Blick schon immer auf den kleinen roten Lieferwagen, der auf den Markt stand. Es war der perfekte Hingucker. Ich mag es, wenn Bilder einen Eyecatcher haben, der immer wieder den Blick fängt, auf dem man sich ausruhen kann, um dann von dort wieder auf die Reise durch das Bild zu gehen.“