Landkreis Harburg. Urteil nach Radlader-Unfall mit zwei Toten: 15 Monate auf Bewährung für Landwirt. Er findet vor dem Richterspruch bewegende Worte.
„Der 24. Juni 2023 sollte ein Freudentag werden. Der 24. Juni 2023 endete in einer Katastrophe. Einer Katastrophe für die Opfer, die Hinterbliebenen, den Angeklagten und die Dorfgemeinschaft.“ Als der Vorsitzender Richter Michael Herrmann am Nachmittag des 6. Februar im Landgericht Lüneburg das Urteil spricht, macht der Jurist früh deutlich, dass sich in diesem Fall keine Strafe eignet, um jemals das wiedergutzumachen, was am 24. Juni vergangenen Jahres geschah.
Mehr Schwere geht kaum. Blei liegt in der Luft des Saals 21 im Landgericht Lüneburg, einer der großen Säle des Gebäudes, aber doch zu klein, um all das Leid zu fassen, das die Menschen an diesem Morgen mit hineinbringen in die Mauern. Blei liegt auf ihren Schultern, es liegt auf dem Angeklagten, auf den zwei Müttern und dem Vater der Nebenklage, auf den Männern und Frauen auf den Besuchsbänken.
Unglück in Toppenstedt: Ein Familienvater und ein Junge starben, elf Kinder wurden verletzt
Es ist der zweite Prozesstag rund um den Unfall vom 24. Juni vergangenen Jahres in Toppenstedt. Ein Familienvater und ein Junge (5) starben, weitere elf Kinder wurden verletzt, als sich eine an der Gabel eines Radladers befestigte Stahlgitterbox während der Fahrt löste, überschlug und zu Boden fiel. Als etwas passierte, das niemals hätte passieren dürfen, wie sich in diesem Fall Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung einig waren.
Nachdem nichts mehr ist wie es vorher war, ob für die Hinterbliebenen der Opfer oder den Angeklagten und seine Familie.
Weil ein Mensch versagt hat, wenn man den Begriff „menschliches Versagen“ anders herum formuliert. Denn darum geht es bei diesem Unfall, auch darin waren sich alle Seiten einig. Denn ein Mann, 44 Jahre alt, Vater dreier Töchter, erfahrener Landwirt, hat seine Sorgfaltspflichten im Umgang mit einer Arbeitsmaschine verletzt.
Sorgfaltspflicht verletzt: Spaßfahrten für Erwachsene und Kinder
Das erste Mal, als er das nicht für den Transport von Menschen zugelassene Gefährt aus Radlader und Gitterbox überhaupt in Gang gesetzt hat, um damit Spaßfahrten für Erwachsene und Kinder anzubieten. Wie dies seit Jahren üblich war im Ort. Nie war dabei etwas passiert. Auch zwei seiner eigenen Töchter waren an Bord.
Besonders tragisch daran ist, wie Richter Herrmann am Ende noch einmal verdeutlichte: Eigentlich hatte der Angeklagte die Touren an jenem Tag bereits für beendet erklärt, sich allerdings von den drängenden Bitten der Kinder zu einer weiteren, allerletzten Fahrt breitschlagen lassen.
Eigentlich hatte der Angeklagte die Touren an jenem Tag bereits für beendet erklärt
Doch hatte der Landwirt offensichtlich schon so häufig dieses Gerät bedient, dass, diese Lesart der Umstände bleibt übrig am Ende des Prozesses, diese Routine zu Unachtsamkeit geführt hat. Denn wie das Gutachten am zweiten Prozesstag endgültig ergab, war ein technischer Defekt als Ursache auszuschließen. Bestimmte Sicherungsbolzen dagegen waren zum Zeitpunkt des Unfalls nicht geschlossen. Laut Staatsanwaltschaft hätten diese verhindert, dass die Box sich von der Halterung löst.
Wie es passieren konnte, dass die Bolzen nicht geschlossen waren? Verteidiger Dirk Meinicke erklärte es mit automatisierten Abläufen, weil der Verurteilte dieses Gerät seit rund 20 Jahren nahezu täglich bediene. „Er packt doch nicht seine eigenen Kinder in die Gitterbox, wenn er nicht denkt, er hat alles richtig gemacht.“
Kein unvermeidbarer Unfall, kein nicht zu verhinderndes Unglück
Doch weil es laut Gutachten eben kein technisches Erklärungsmuster für den Unfall gibt, war dieser Unfall „kein unvermeidbarer Unfall, kein nicht zu verhinderndes Unglück“, betonte der Nebenklagevertreter Moritz Klay.
Für die Familie des getöteten Familienvaters (39) bedeutet dieser Unfall, dass eine Witwe zwei Halbwaisen großzieht. Für die Eltern des getöteten Jungen (5) bedeutet es, ihr einziges gemeinsames Kind verloren zu haben. Wie das Leben in beiden Familien weitergeht, vermag niemand abzuschätzen, weder emotional noch finanziell.
Der Angeklagte selbst hatte von Beginn an eingestanden, dass er das Gefährt nicht hätte zum Transport von Menschen in Betrieb nehmen dürfen und übernahm die Verantwortung für das Geschehen.
Toppenstedter Landwirt: „Es tut mir unendlich Leid. Ich werde die Schuld mein Leben lang spüren.“
„Ich kann mich nur demütig entschuldigen“, sagte der Angeklagte in seinen letzten Worten. Er sagte: „Es tut mir unendlich leid.“ „Ich werde die Schuld mein Leben lang spüren.“ „Ich wollte das nicht.“ Das Letzte, was er gewollt habe, als er den Kindern ihren Wunsch erfüllte, sei gewesen, diese in Gefahr zu bringen. Den Hinterbliebenen möchte er auch im Nachhinein „die Hand reichen“.
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Zwar kann keine Strafe wiedergutmachen, was der Landwirt und langjährige ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde falsch gemacht hat und welche Konsequenzen diese Fehler haben, diese Vernachlässigungen seiner Sorgfaltspflicht. Das hatte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung ausgeführt. Aber: Eine Strafe muss die deutsche Justiz eben doch finden. In diesem Fall ist es eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, für drei Jahre ausgesetzt auf Bewährung.
„Routine kann tödlich enden“, sagte Richter Herrmann am Ende der Verhandlung. In diesem Fall war es so, laut Gericht nach einer „Verkettung unglücklicher Umstände“. Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzichteten auf Rechtsmittel.