Buxtehude. Weiße Socken und Sandalen: Ein angeblich männerfeindliches Titelbild der VHS Buxtehude sorgt für Aufregung und Diskussionsstoff.

„Sandalismus“ in Buxtehude: Nackte Männerbeine in weißen Socken und schwarzen Sandalen sorgen in der Hansestadt gerade für Aufregung. Das könnte man als Provinzposse abtun. Doch bei dem Stress, den die Volkshochschule Buxtehude gerade mit dem Titelbild für ihr aktuelles Programmheft hat, steckt wohl mehr dahinter. Die Wellen schlagen hoch. Von „Diskriminierung“ ist die Rede. Wer regt sich denn da so auf? Und über was? Und haben die Menschen in Buxtehude keinen anderen Probleme?

Heftige Reaktionen in Buxtehude: Männer fühlen sich diskriminiert und vorgeführt

„Seit Erscheinen unseres Programmhefts erhalten wir teils sehr heftige Reaktionen zu unserem Titelbild“, sagt Tobias Rothenberg, stellvertretender Leiter der Volkshochschule (VHS) Buxtehude. Einerseits gebe es die Fraktion, die das Titelbild lustig und gelungen fände und die darin implizierte (Selbst-)Ironie erkennen würde. So hat ein kreativer Facebook-User die Diskussion in seinem Kommentar zu dem Titelbild-“Skandal“ treffend in dem Kunstwort „Sandalismus“ zusammengefasst.

„Andere wiederum ärgern sich über das Titelbild, fühlen sich diskriminiert und vorgeführt und wollen aus Wut in diesem Semester lieber einen großen Bogen um die VHS machen“, so Rothenberg. „Beide Positionen finden sich wieder in den zahlreichen Kommentaren, Mails und Telefonanrufen, die wir erhalten. Wir sind etwas überrascht von dem Widerhall unseres Titelbildes“, so Rothenberg. Auch wenn man sich über den Zuspruch freue: „Uns machen insbesondere die kritischen Töne nachdenklich.“

Tobias Rothenberg (links) und VHS-Leiter Dr. Dirk Pohl wundern sich über die heftigen Reaktionen, die ihr Titelfoto ausgelöst hat.
Tobias Rothenberg (links) und VHS-Leiter Dr. Dirk Pohl wundern sich über die heftigen Reaktionen, die ihr Titelfoto ausgelöst hat. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

VHS-Leitung fragt sich, ob sie mit dem Titelfoto übertrieben hat

Können Männer nicht mehr über sich selber lachen? Oder ist das bewusst klischeehafte VHS-Titelbild wirklich männerfeindlich und diskriminierend? Auf jeden Fall polarisiert es. „Wir fragen uns durchaus auch selbstkritisch, ob wir mit der Auswahl des Titelfotos übertrieben haben“, sagt Dr. Dirk Pohl, Leiter der VHS Buxtehude. Immerhin wird die Kombination von Socken und Sandalen gern als bildsprachliches Symbol für spießige deutsche Urlauber genutzt.

Das ist nicht provokant gemeint gewesen, sondern selbstironisch
Tobias Rothenberg - Stellvertretender Leiter der VHS Buxtehude

Die Leitung der VHS Buxtehude hatte mit der umstrittenen Darstellung allerdings einen ganz anderen Zweck im Sinn: „Wir wollten niemanden bloßstellen. Wir möchten lediglich die Männer als neue Zielgruppe ansprechen. Sie sind als Nutzer der Volkshochschul-Angebote deutlich unterrepräsentiert“, sagt Pohl.

Männeranteil in VHS-Kursen beträgt im Bundesdurchschnitt nur 18 Prozent

Der Männeranteil in VHS-Kursen betrage teilweise im Bundesdurchschnitt nur 18 Prozent. „Das wollen wir ändern und haben ungewöhnliche und neue Kurse speziell für Männer entwickelt. Mit dem neuen Programmheft wollten wir darauf hinweisen, dass wir uns in diesem Semester ganz besonders um die Männer kümmern.“ Natürlich sei das Titelbild auch Werbung und habe für Aufmerksamkeit sorgen sollen, ergänzt Rothenberg: „Aber das ist nicht provokant gemeint gewesen, sondern selbstironisch.“

Doch so ist das mit der Ironie: Nicht jeder versteht sie. Die Sache mit der Aufmerksamkeit hat dagegen perfekt geklappt: Davon erhält die VHS Buxtehude im Moment reichlich. „Ab einem gewissen Punkt nervt das aber auch“, sagt Rothenberg. Zum Beispiel dann, wenn einen Frau anruft, um mitzuteilen, dass sich ihr Mann über das Titelbild des VHS-Programms mächtig aufregt...

Mit ihrem neuen Programm will die VHS Buxtehude insbesondere Männer ansprechen - ob mit oder ohne Socken und Sandalen.
Mit ihrem neuen Programm will die VHS Buxtehude insbesondere Männer ansprechen - ob mit oder ohne Socken und Sandalen. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Woher kommt die Wut und die starken Emotionen bei den „alten weißen Männern“?

Warum spricht das „starke Geschlecht“ nicht für sich selbst? Bei einem Gesprächsabend über das Thema, zu dem die VHS bei Bratwurst und alkoholfreiem Bier geladen hatte, ließ sich jedenfalls keiner der aufgebrachten Kritiker blicken. Alle, die dort waren, fanden das Titelfoto lustig oder zumindest der Aufregung nicht wert. Und so tappen die Veranstalter bei der Frage weiterhin im Dunkeln, woher die starken Emotionen und die Wut über das „Sandalismus“-Foto bei den Kritikern kommt.

Sicherlich habe das mit aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen über fragile Männlichkeit und Etikettierungen, wie die vom „alten weißen Mann“ zu tun, vermutet Pohl. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Männerbild stark verändert, es bestehe eine gewisse Unklarheit darüber, wie ein Mann zu sein habe und welche Erwartungen an ihn gestellt würden. „So etwas kann zu Unsicherheiten führen und als verletzend empfunden werden“, ergänzt Rothenberg. Aber mit Diskriminierung habe das nichts zu tun: „Das empfinde ich als Affront gegenüber Menschen, die wirklich diskriminiert werden. Niemand ist so privilegiert wie wir sogenannten alten weißen Männer.“

Achtung, Sandalist: Ein Teilnehmer der Gesprächsrunde in der VHS hat sich passend zum Anlass gekleidet.  
Achtung, Sandalist: Ein Teilnehmer der Gesprächsrunde in der VHS hat sich passend zum Anlass gekleidet.   © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Klassisches Männerbild gibt es nicht mehr - Stöckelschuhe gehen auch

Die „Sandalismus“-Diskussion in Buxtehude hat jedenfalls gezeigt, wie kurz die Lunte bei manchen Leuten ist. „Ich finde, es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass sich die Menschen darüber so dermaßen aufregen“, meint Jens Nübel, Behindertenbeauftragter der Hansestadt Buxtehude. „Das steht in keinem Verhältnis. Es gibt wirklich wichtigeres“, sagt er. Das klassische Männerbild gebe es ohnehin nicht mehr: „Wenn auf dem Titelbild des VHS-Programms Stöckelschuhe zu sehen gewesen wäre, hätte darin heutzutage doch auch ein Mann stecken können“, sagt Nübel.

Deshalb zum Schluss eine gute Nachricht für Buxtehude und die Welt: Während Sandalen mit Socken lange als Mode-Fauxpas galten, hat sich die umstrittene Kombination inzwischen zum „coolen“ Trend entwickelt. Das einstige No-Go ist gesellschaftsfähig geworden. Ebenso wie ein Diskurs, in dem weniger Fakten als Befindlichkeiten zählen und das Zuhören kaum noch eine Rolle zu spielen scheint. So leicht wie Stilfragen bei der Kleidung lassen sich verhärtete Fronten eben nicht auflösen – leider.