Landkreis Harburg. Experten schlagen Alarm: Gerade Frauen gehe es schlecht. Immer mehr warten auf eine Kur. Müttergenesungswerk fordert schnelles Handeln.

Deutschlands Eltern sind erschöpft und brauchen dringend Hilfe: Das sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler in ihrer Funktion als Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerks. Nach einer vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie könne bei fast einem Viertel der befragten Frauen (23,9 Prozent) und bei 13,8 Prozent der Männer von einem Vorsorge- oder Reha-Bedarf ausgegangen werden.

Bei Pflegenden Angehörigen gebe es sogar bei gut einem Drittel einen Vorsorge- oder Reha-Bedarf. „Und unter Eltern von Kindern mit einer Behinderung gilt dies für dreiviertel der Befragten“, so Stadler.

Ausgebrannte Eltern: Corona-Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger

Die Studie erschien im Januar 2020 – kurz vor Corona. „Der Bedarf ist nach der Pandemie noch weitaus höher“, stellt Stadler fest. „Bereits vor der Corona-Pandemie wurde eine steigende gesundheitliche Belastung und damit ein steigender Bedarf nach stationären medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen bei Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen nachgewiesen“, so Stadler. Ihre gesundheitliche Situation sei dramatisch, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis Harburg. Gleichzeitig seien die Kur-Kliniken chronisch unterfinanziert.

Die Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler ist ehrenamtliche Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerks und sorgt sich um die Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen. 
Die Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler ist ehrenamtliche Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerks und sorgt sich um die Gesundheit von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen.  © HA | Stadler

Eine weitere Studie, die den Stress von Eltern in europäischen Ländern während der Corona-Pandemie vergleicht, zeige zudem, dass der Stress von Müttern in Deutschland im europäischen Vergleich mit Abstand am größten gewesen sei. Ein Grund: Deutschland hatte die Kitas und Schulen am längsten geschlossen. „Die psychische Gesundheit hat hier am meisten gelitten. Dies betraf vor allem die Mütter, die temporär keine Kinderbetreuung in Anspruch nehmen konnten“, sagt Stadler.

Müttergenesungswerk im Einsatz für Mütter, Väter und inzwischen auch Pflegende Angehörige

Aber auch unter normalen Bedingungen seien die Rahmenbedingungen für Eltern besonders schlecht, was sich noch immer anhand fehlender Kita-Plätze und Ganztagsschulen zeige, meint die Politikerin aus Seevetal. Das hat offenbar Auswirkungen auf die Gesundheit der stark belasteten Eltern: „Das Müttergenesungswerk fordert daher die Entwicklung eines nationalen Gesundheitsziels, um mehr darüber zu lernen, was Care-Arbeitende krank macht und was sie gesund erhält“, so Stadler.

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Das Müttergenesungswerk ermöglicht seit über 70 Jahren stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter – und seit zehn Jahren auch für Väter und pflegende Angehörige.

Im Durchschnitt muss ein Jahr auf die Kur gewartet werden

Als Bundestagsabgeordnete bearbeitet Svenja Stadler aktuell die Schwerpunkte Gesundheits- und Haushaltspolitik. Zuletzt war sie angesichts drohender Sparmaßnahmen und der Haushaltskrise an beiden Fronten stark gefordert – auch in ihrer Rolle als Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerk.

Die 47-Jährige verbindet dieses Amt mit einem Appell: „Wir müssen diejenigen schützen, die Sorgearbeit leisten – besonders in Krisenzeiten“, sagt Stadler. Dazu gehöre, strukturelle und legislative Barrieren abzubauen, die zur Belastungssituation von Müttern, Vätern und pflegenden Angehörigen beitragen. Die Wartezeit für eine stationäre Kurmaßnahme für Mütter, Väter und pflegende Angehörige liegt im Durchschnitt bei einem Jahr. Stadler will kürzere Wartezeiten nach Bewilligung der Kur durch die Krankenkasse erreichen: „Ein Jahr ist viel zu lang, es sollte nicht mehr als sechs Monate sein.“

Besonders die Anliegen von Frauen und Müttern müssten besser gehört werden, fordert Stadler: „Sie leisten immer noch den Großteil der Sorgearbeit.“ Als berufstätige Mutter kennt sie die Dreifachbelastungen in Familie, Haushalt und Beruf aus erster Hand – trotzdem ist ihr das ehrenamtliche Engagement fürs Müttergenesungswerk wichtig: „Ich freue mich, Teil eines so großen und starken Netzwerks zu sein. Den Schwerpunkt setzte ich darauf, dass das Müttergenesungswerk auch zukünftig eine starke Stimme bleibt, die für Mütter, Väter und pflegende Angehörige kämpft und an der man nicht vorbeikommt.“

Stadler fordert mehr Kurplätze für überlastete Eltern und eine gesicherte Beratung

Das Kuratorium des Müttergenesungswerks, dem Stadler seit 2019 vorsitzt, ist das Organ der Stiftung, das sich vornehmlich der Zielsetzung und Ausrichtung der Stiftungsarbeit widmet. Das Müttergenesungswerk ist eine gemeinnützige Stiftung, die als Hilfsorganisation auf Spendenmittel angewiesen ist.

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Unter dem Dach des Müttergenesungswerks arbeiten fünf gemeinnützige Organisationen zusammen: AWO, Paritätische Wohlfahrtsverband, DRK, der Evangelischer Fachverband für Frauengesundheit und die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung. Die über 900 Beratungsstellen und 72 vom Müttergenesungswerk anerkannten Kliniken sind Mitglied einer dieser fünf Organisationen.

Mutter-Kind-Kur beantragen: „Die Beratung von Kurbedürftigen sicherstellen“

Übergeordnetes Ziel sei es, dieses Netzwerks an Kliniken und Beratungsstellenarbeit im Müttergenesungswerk zu erhalten und auszubauen, um der steigenden Nachfrage nachzukommen, so Stadler: „Wir brauchen eine bessere Versorgung, indem wir mehr Kurplätze schaffen und die Beratung von Kurbedürftigen sicherstellen.“

Viele kurbedürftige Mütter, Väter und Pflegende würden ansonsten keine Kurmaßnahme machen können und erhielten somit keine Möglichkeit, ihre Gesundheit zu stärken oder wiederherzustellen. „Die Mutter- und Vater-Kind-Kliniken sind jedoch bereits seit Jahren unterfinanziert“, sagt die Seevetalerin, die seit 2013 Bundestagsabgeordnete ist und ihren Wahlkreis im Landkreis Harburg in Berlin vertritt. „Wir brauchen endlich eine nachhaltige Lösung. Familien sind die falsche Stelle, um im Haushaltsplan zu sparen“, sagt Svenja Stadler.