Winsen. Mitarbeiter legen kurz vor Weihnachten Arbeit nieder und kritisieren unwürdige Bedingungen. Was das für die Weihnachtspakete bedeutet.
Die Streikankündigung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für den Online-Versandhändler Amazon am Standort Winsen (Landkreis Harburg) wird so manchem Lastminute-Onlineshopper kurz vor dem Weihnachtsfest die Panikfalten auf die Stirn getrieben haben. Am Sonntabend kündigten die 150 meist festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Logistikstandort Winsen an, für mehr als 24 Stunden die Arbeit niederzulegen – und das taten sie auch. Der Streik soll noch bis heute Abend, 23.15 Uhr anhalten.
Vor dem Eingang zur Werkshalle versammelten sich am heutigen Montag mehrfach Mitarbeitende des Online-Giganten, um ihre Kollegen vom Arbeiten abzuhalten. Mit Trillerpfeifen und Buhrufen versuchen sie, die Beschäftigten auf ihre Seite zu ziehen.
Streik bei Amazon Winsen: Konflikt zwischen Verdi und Versandhändler dauert schon Jahre
Dennoch drängen sich zum Schichtbeginn viele Arbeiter durch die Tore. Mitarbeiter, die mit ihrem Auto das Werksgelände nach Schichtende verließen, äußerten dann wieder ihre Solidarität und unterstützen die Streikposten mit einem aufmunternden Hupkonzert.
„Die Amazon-Kundschaft wird gerade zu Weihnachten dazu angeregt, immer mehr zu bestellen und zu konsumieren. Die Gesundheit der Beschäftigten leidet aber gerade massiv unter der daraus folgenden Leistungs- und Arbeitsdichte“, sagte Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für Amazon in Niedersachsen.
Neben der Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels fordert Verdi seit Jahren von Amazon einen „Tarifvertrag für gute und gesunde Arbeit“. Der Konzern lehnt dies ab und argumentiert in der langjährigen Auseinandersetzung mit bereits fairen Löhnen mit Zusatzleistungen. Dies wird von der Gewerkschaft und Mitarbeitenden jedoch vehement bestritten.
Der Blick aufs private Handy führe zur Abmahnung, erzählen Mitarbeiter
„Bei Amazon gibt es immer wieder Kollegen, die eine Abmahnung bekommen, weil die Manager glauben, sie würden zu lange auf dem Klo sitzen“, sagt ein Mitarbeiter, der am Streik beteiligt ist. Auch ein Blick aufs Handy während der Arbeitszeit führe sofort zu einer Abmahnung. Gerade in Winsen, so lauten die Berichte der Streikenden, gebe es immer wieder Kündigungen wegen zu vieler Krankheitstage.
Dabei setze der Arbeitgeber trotz hoher Gewinne immer wieder auf alle verfügbaren Härten des Arbeitsrechts. „Gerade im Weihnachtsgeschäft werden viele befristete Arbeitskräfte eingesetzt, die auf Vertragsverlängerung hoffen und bangen, aber meist nach Weihnachten wieder vor die Tür gesetzt werden“, sagt Gewerkschaftssekreter Nonni Morisse.
Daher sei man mit der Streikbeteiligung unter den festbeschäftigten Mitarbeitern sehr zufrieden. Die hohe Streikbereitschaft würde noch einmal den Druck auf das Unternehmen erhöhen, endlich faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen.
Führt der Streik im Winsener Amazon-Werk zu verspäteter Zustellung?
Amazon behauptet in der Regel, dass Streiks in seinen Lieferzentren keine größeren Verzögerungen bei der Lieferung verursachen. Es ist jedoch schwer zu überprüfen, ob dies der Fall ist.
In einem Statement von Amazon hieß es heute Nachmittag: „Kund:innen können sich wie gewohnt auf zuverlässige, pünktliche Lieferungen ihrer Weihnachtsbestellungen verlassen. Dafür sorgen wie immer unsere eingespielten Teams in der Logistik. Die Kolleg:innen profitieren von fairen Löhnen und guten Zusatzleistungen. Der Einstiegslohn bei Amazon in Deutschland liegt bei 14 Euro brutto pro Stunde aufwärts“, so der genaue Wortlaut. Dazu gebe es viele Extras, wie die Kostenübernahme des 49-Euro Tickets, betriebliche Altersvorsorge und Weiterbildungsmöglichkeiten. Nicht umsonst ist die Hälfte der Kolleg:innen schon seit über fünf Jahren bei uns.“
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Kommen die bestellten Weihnachtsgeschenke nun also doch rechtzeitig an? Bislang scheint es so. Der Hartnäckigkeit der Streikenden tut dies allerdings keinen Abbruch. „Amazon bricht unsere Streiks natürlich nicht nur durch viele nur befristet Beschäftigte, denen sie Druck machen und die deshalb Angst haben, sich am Streik zu beteiligen“, so Nonni Morisse.
Amazon-Mitarbeiter legen Arbeit nieder: Keine Sorgen um Weihnachtspakete
Um Verzögerungen im Liefergeschäft zu vermeiden steuere Amazon die Pakete im Streikfall auch über andere Standorte, teilweise sogar über andere Länder um. „Das heißt, der Kunde steht bei Amazon über den Mitarbeitern. Daher müssen sich die Kunden nicht um ihre Weihnachtspakete erstmal keine Sorgen machen.“
Der Gewerkschaft gehe es jedoch vor allem darum, den Druck innerhalb der gesamten Lieferkette hochzuhalten und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass die Beschäftigten dringend einen Tarifvertrag brauchen.