Lüneburg. Rösterei aus Lüneburg sieht Geschäft mit fairem Kaffee in Gefahr. Hintergrund ist eine neue EU-Verordnung zum Schutz des Regenwaldes.
- Die Europäische Union (EU) hat eine neue Verordnung zum Schutz des Regenwalds beschlossen
- Lüneburger Fair-Trade-Kaffee-Händler befürchten, dass Bürokratie Kleinbauern zum Aufgeben bringt
- Das würde auch den Preis für Cappuccino & Co. im Café nach oben treiben
Eigentlich geht es um eine gute Sache: Die Abholzung des Regenwalds soll gestoppt werden. Deshalb hat die Europäische Union(EU) in diesem Sommer neue Regeln für den Anbau von Kaffee in Regenwaldgebieten beschlossen. Doch sie birgt die Gefahr, dass vor allem der Anbau von Fair-Trade-Kaffee erschwert wird und der Preis steigt. Die Verordnung sieht vor, dass verschiedene Produkte – außer Kaffee unter anderem auch Kakao, Soja, Holz und Fleisch – nicht mehr in der EU verkauft werden dürfen, wenn für ihre Herstellung Regenwald abgeholzt wurde.
Eine gute Sache, das findet auch Max Timm. Er ist Teil des Kollektivs, das das Café Avenir und die dazugehörige Rösterei in Lüneburg betreibt. Der Schutz des Regenwalds passt zu den Prinzipien des Unternehmens, das nicht nur nachhaltig, fair und basisdemokratisch aufgestellt ist, sondern sich auch größtmögliche Transparenz verordnet hat. Unter anderem mit einem leicht verständlichen Kaffeecomic legen sie öffentlich dar, unter welchen Bedingungen der Kaffee angebaut, transportiert und verarbeitet wird.
Preis für Fair-Trade-Kaffee könnte steigen, wenn neue EU-Regel zum Regenwald kommt
Und trotzdem blicken die Café-Betreiber mit Sorge auf die neue EU-Verordnung, die von Ende Juni 2025 auch für kleinere Unternehmen wie das Avenir gelten wird. Sie befürchten unverhältnismäßige bürokratische Hürden für ihre Lieferanten von Kaffeebohnen, die diese zum Aufgeben ihrer Farmen zwingen könnten. Dabei handelt es sich zumeist um kleine Familienbetriebe in Ecuador.
Das wäre nicht nur ein herber Rückschlag für den Versuch, den fairen Kaffeeanbau nachhaltig zu fördern. Es würde darüber hinaus den Großproduzenten in die Hände spielen, die größere Teile des Kaffeemarkts auf sich vereinen könnten. Dies könnte am Ende dazu führen, dass der Cappuccino, Americano oder Milchkaffee nicht nur in dem Lüneburger Café teurer wird. Eines sei bereits sicher, sagt Max Timm: „Die Kosten werden steigen.“
Lüneburger Café-Betreiber fordert Nachbesserungen: „Gute Idee, aber katastrophale Umsetzung“
Das bringt die Lüneburger Sozialunternehmer, die sich für einen nachhaltigen Kaffeeanbau einsetzen, in Bedrängnis. Denn die Idee hinter der neuen Regelung zum Schutz des Regenwalds unterstützen sie. „Der Grundgedanke ist natürlich genau richtig“, betont Max Timm. „Aber die Umsetzung ist katastrophal und es trifft wieder die Falschen. Es ist noch nicht absehbar, welche Folgen das für die kleinbäuerlichen Strukturen haben wird.“ So müssten die Bauern künftig zum Beispiel die Besitzdokumente für ihre Grundstücke vorlegen und vor allem nachweisen, dass dort nach dem 30. Dezember 2020 keine Flächen gerodet wurden.
Bei großen Plantagen sei das sicher alles gut dokumentiert, meint Max Timm. Kleinbauern seien dagegen oft nicht so gut organisiert und abhängig von den lokalen Aufkäufern, die den Kaffee wiederum an globale Händler weiterverkaufen. Diese Bauern könnten von der neuen Bürokratie überfordert sein. Sie könnten entweder den Kaffeeanbau aufgeben und zu weniger nachhaltiger Viehwirtschaft oder Maisanbau wechselnde. Oder sie könnten den Export in die EU einstellen und ihre Bohnen stattdessen zum Beispiel nach Japan verkaufen. In beiden Fällen geht Rohkaffee für den europäischen Markt verloren.
Fair-Trade-Kaffee wird oft von Kleinbauern produziert, Avenir bezieht ihn aus Ecuador
Für die bäuerlichen Kooperativen, mit denen das Avenir zusammenarbeitet, sieht Max Timm dennoch gute Chancen, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Zwar bestehen sie ebenfalls aus vielen Kleinbauern, haben jedoch mehr Erfahrung mit administrativen Aufgaben. „Unsere Partner haben zum Glück schon Strukturen für ihre Verwaltung aufgebaut, um zum Beispiel ihre Bio-Zertifikate zu erhalten.“
In Ecuador kooperiert das Café-Kollektiv mit einem Verband, unter dessen Dach vier Kooperativen vereint sind. Diese wiederum bestehen jeweils aus bis zu 200 Mitgliedern. In der Regel sind dies einzelne Familien, die auf kleinen Flächen Kaffee anbauen. Etwa 80 Prozent der Kaffeebohnen, die das Avenirteam in der eigenen Rösterei verarbeitet, kommen aus Ecuador. Auf einer Reise dorthin hat Max Timm vor Kurzem einige der kleinen Kaffeeproduzenten besucht.
Kaffeebauern in Südamerika haben noch keine Informationen, wie es weitergeht
„Die neue EU-Verordnung war ein großes Thema vor Ort“, sagt er. Einige Bauern hätten sich große Sorgen gemacht, was da auf sie zukommen werde. Das größte Problem seien die fehlenden Informationen. Noch sei unklar, wer welche Dokumente wo vorlegen müsse. Auch andere Röstereien aus Deutschland, mit denen das Avenir im Austausch ist, wünschen sich für eine erfolgreiche Umsetzung klare Ansprechpartner für die Beteiligten, sowohl im Herstellungsland als auch in Deutschland.
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Ein Wechsel zu Großhändlern kommt für das Lüneburger Team nicht infrage. „Wir bleiben bei den nachhaltigen Geschäftsbeziehungen“, betont Max Timm. Zwar bleibt die Sorge, ob der Preis für diesen Weg am Ende steigende Preise im Café sind.
Fair-Trade-Kaffee: Lüneburger Café-Rösterei hält neue EU-Verordnung grundsätzlich für gute Idee
Doch erst einmal setzen die Lüneburger darauf, dass ihre Art des Wirtschaftens sich weiter verbreitet und mehr Menschen nachhaltig produzierten Kaffee wertschätzen. Deshalb haben sie sich mit vier weiteren Kaffeekollektiven aus Hamburg – Quijote, Aroma Zapatista, La Gota Negra und Libertad – zusammengetan und einen „Kooperations-Kaffee“ herausgebracht. „Wir wollen unser Wissen teilen, damit noch mehr verantwortungsbewusste Unternehmen in Zukunft Kaffee importieren und verkaufen.“