Gerdau. Alte Wassermühle bei Uelzen demonstriert zukunftsfähige Lebensmittelproduktion auf Basis von Biogetreide. Inklusive Heizwerk.
Die 750 Jahre alte Wassermühle im Ortsteil Bohlsen der Gemeinde Gerdau (Landkreis Uelzen) verarbeitet Amaranth, Buchweizen, Dinkel, Einkorn, Emmer, Gerste, Grünkern, Hafer, Hirse, Kamut, Kichererbse, Lichtkornroggen, Nackthafer, Quinoa, Reis, Roggen, Soja, Waldstaudenroggen, Weizen. Alles in Bio-Qualität. Sie sorgt damit für eine entsprechende Vielfalt auf den Äckern der Region.
Bis 2030 will die Bohlsener Mühle mit ihrer Großbäckerei und umfangreichen Logistik emissionsfrei arbeiten. Und sie engagiert sich dafür, dass Biobauern nicht nur für ihre Produkte, sondern auch für ihre Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz bezahlt werden. Oder für soziales Engagement wie Inklusion, also die Beschäftigung benachteiligter Menschen im Betrieb. Angesichts ihrer ganzheitlichen Strategie ist die Bohlsener Mühle jetzt mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden.
Uelzen: Bohlsener Mühle schon 2015 als Biopionier mit dem Preis ausgezeichnet
Der renommierteste Nachhaltigkeitspreis Europas wird am 23. November bereits zum zweiten Mal an die Bohlsener Mühle verliehen. Schon 2015 wurde der über sich hinausgewachsene Betrieb als Bio-Pionier ausgezeichnet. Längst ist er mehr als eine Wassermühle mit angeschlossener Bäckerei: Das Unternehmen beschäftigt heute 300 Mitarbeiter, liefert täglich neben den klassischen Mühlenprodukten 3500 Brote und 8000 Brötchen aus, betreibt nebenbei mit anfallenden Reststoffen (Dinkelspelzen) ein Heizwerk, das 70 umliegende Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgt.
Biobetrieb ermittelt CO₂-Ausstoß von Broten, Bowls und Keksen
Als Mühlenbetreiber Volker Krause anno 1979 die Wassermühle von seinen Eltern übernahm und auf Bio umstellte, war noch nicht absehbar, dass aus dem Betrieb am Ortsrand des 600-Einwohner-Dorfes Bohlsen eines Tages ein deutscher Vorreiterbetrieb wird, der einen Beitrag zum öko-sozialen Umbau der Lebensmittelwirtschaft leistet. So haben die Bohlsener für ihre Produkte (auch Müslis, „Snäckebrot“, Kekse und Fertiggerichte) die CO₂-Emissionen berechnet. Die Ergebnisse sind unter anderem in das Kochbuch Klimakulinarik mit klimafreundlichen Rezepten eingeflossen. Und in Salatgerichte mit unterschiedlich hohem CO₂-Ausstoß: die Kurzstrecken-, Mittelstrecken-, Hafer- und Landstrecken-Bowls.
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„Die erneute Auszeichnung mit dem renommierten Deutschen Nachhaltigkeitspreis ist eine große Anerkennung und Bestätigung, dass wir ein Leuchtturm für nachhaltiges Wirtschaften sind“, sagt Krause, heute Geschäftsführender Gesellschafter der Mühle. Er betont, dass „alle Beteiligten unserer Bio-Wertschöpfungskette“ einen Anteil daran haben, also die Biobauern und -bäuerinnen, das Mitarbeiterteam, die Kunden. „Wir verstehen den Preis als Motivation, dass wir uns weiter für eine umweltfreundliche und sozial verantwortliche Zukunft und die Erreichung der weltweiten Nachhaltigkeitsziele einsetzen“, so Krause.
Wasserkraft treibt Mühle an, Solarstrom die Produktionskette
Betriebsintern lautet eines der Ziele: bis 2030 eine Null-Emissionen-Produktion am Bohlsener Standort erreichen. Dafür soll die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach, die bereits 55 Prozent des Stroms für die Produktion erzeugt, vergrößert werden. Und die Backöfen sollen nicht mehr mit Erdgas, sondern mit klimaneutralem Biomethan aus Rübenschnitzeln, einem Abfallprodukt aus der Zuckerproduktion, beheizt werden. Für die Auslieferung zum wichtigsten Absatzmarkt Hamburg und darüber hinaus bis Bremen und in den Raum Hannover sollen mehr E-Mobile in Fahrt kommen.
Noch anspruchsvoller ist die sogenannte Regionalwert-Leistungsrechnung, die die Bohlsener Mühle zusammen mit ausgewählten Landwirten durchführt. „Es ist die erste leistungsbezogene Nachweismethode für nachhaltiges Wirtschaften in der Landwirtschaft“, sagt Philip Luthardt, der den Bereich Nachhaltigkeit bei der Bohlsener Mühle managt. Mit den höheren Preisen für Bio-Produkte sei nur der geringere Ertrag pro Fläche ausgeglichen, so Luthardt: „Leistungen wie der Erhalt der Bodenqualität, das Binden von CO₂ aus der Atmosphäre oder der Grundwasserschutz sind nicht berücksichtigt.“
Bohlsener Mühle politisch: Gesellschaftliche Leistungen der Biobauern entlohnen
Um die Landwirte angemessen finanziell belohnen zu können, müssen die gesellschaftlichen Wohltaten des Bioanbaus in Euro bewertet werden. Eine solche Leistungsrechnung führt die Bohlsener Mühle zusammen mit der Regionalwert Leistungen GmbH und dem Bio-Großhändler Bodan exemplarisch durch. Mehr bezahlen für die Produkte sollen die Verbraucher dennoch nicht: „Es macht keinen Sinn, dass nur die Biokunden diese gesellschaftlichen Leistungen bezahlen“, sagt Luthardt. „Sie müssen über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU direkt honoriert werden.“