Der mittelständische Biobetrieb sammelt mehr als eine Million Euro von Kleinanlegern ein, um sich zu vergrößern.

Die Wassermühle im kleinen Dorf Bohlsen läuft Tag und Nacht, das Rauschen vom Bach mischt sich mit einem tiefen Brummen aus dem Inneren des fast 170 Jahre alten Bauwerks. In den benachbarten Produktionshallen brummt es etwas leiser. Auf drei Backstraßen laufen hier Kekse und Knäckebrot vom Band, im Lager stapeln sich Tüten mit Getreide, Mehl, Müsli und Haferflocken. An diesem Tag werden in einer Halle Käse-Kürbiskern-Kräcker produziert, im angrenzenden Raum packen Mitarbeiter in weißen Kitteln und Schutzhauben Tüten mit weißem Quinoa in große Boxen.

Die Bohlsener Mühle im Landkreis Uelzen profitiert vom anhaltenden Bioboom. Um die geplante Ausweitung des Geschäfts zu finanzieren, hat das Geschäftsführerteam des mittelständischen Familienbetriebs zum ersten Mal auch auf Crowdinvesting gesetzt. Über eine darauf spezialisierte Plattform konnten (Klein-)Anleger Summen ab 1000 Euro in den Topf werfen.

Die Online-Kampagne lief überraschend gut

Innerhalb von 48 Stunden hatte die Kampagne die Millionenmarke geknackt, nach gut einem Monat wurde sie Ende Februar wegen der großen Nachfrage vorzeitig beende. Nach Auswahl der Angebote kam das Unternehmen eigenen Angaben zufolge in die Nähe des angestrebten Investitionsvolumen von annähernd zwei Millionen Euro. Dass dieser erste Versuch gleich so gut laufen würde, damit hatte in der Bohlsener Mühle niemand gerechnet.

„Wir hatten die Kampagne sehr jungfräulich gestartet. Dann wurden wir geradezu überrannt“, sagt Mathias Kollmann, der den Betrieb gemeinsam mit Volker Krause leitet. Erklären kann der 51-Jährige sich das nur mit ihrer konsequent nachhaltigen Ausrichtung. „Die Leute haben uns Geld angeboten, weil sie an unser Unternehmen und die Idee dahinter glauben. Diese Form der Finanzierung passt gut zu unserer allgemeinen Philosophie, das Wirtschaften anders zu denken.“

Das Familienunternehmen geht einen nachhaltigen Weg

Die Bohlsener Mühle geht ihren ganz eigenen Weg, seit Volker Krause den Betrieb 1979 von seinem Vater übernommen hat. Im Zuge der Öko-Bewegung kam der gelernte Müller, der auch Volkswirtschaftslehre und Politik studiert hat, zu dem Schluss, dass nur ein ökologischer Betrieb sinnvoll und zukunftsfähig sei. Parallel zur Entwicklung des Ökolandbaus setzt er sich für den Aufbau entsprechend nachhaltiger ökonomischer Strukturen ein.

Mit ihren mittlerweile rund 300 Mitarbeitern sei die Bohlsener Mühle – im Sinne der ökonomischen Nachhaltigkeit – fast schon etwas zu groß, sagt der 68-Jährige. „Wir brauchen in der Branche eine kleinteilige Struktur, auch mit kleinen Bäckereien und mehr Betrieben, die zum Beispiel die Produktionslücken bei Quinoa, Hirse und Buchweizen füllen. Die gewünschte und sinnvolle Vielfalt der Produkte ist nur mit einer Vielzahl von Betrieben möglich.“

Die Entwicklung der dörflichen Regionen macht Volker Krause Sorgen. Kleinere Betriebe müssten nach und nach schließen, mittelständische Firmen fänden keine Nachfolger, die Stadtflucht erschwere die Mitarbeitersuche, die Bindung der Menschen zur Region nehme ab. Um das zu ändern, hat er den Aufbau eines Nahwärmenetzes in Bohlsen initiiert, das seine Energie aus einer Dinkelspelzenheizanlage bezieht. Dafür gab es 2015 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. „Dieses Projekt zeigt, wie eine Dorfgemeinschaft, in der die Menschen wieder gemeinsam etwas zu schaffen haben, belebt werden kann.“

Anleger können sich Zinsen auch in Keksen auszahlen lassen

Um den Menschen wieder einen Zugang zur Landwirtschaft aufzuzeigen, will das Unternehmen, das acht verschiedene Ausbildungsberufe anbietet, sein Bildungsangebot weiter verstärken. Die Gemüsegärten am Firmengelände können sowohl von Mitarbeitern als auch von Dorfbewohnern gemietet und bewirtschaftet werden. Und auch die Crowd­investing-Kampagne hat zum Ziel, Unterstützer aus der Region an der Entwicklung der Bohlsener Mühle teilhaben zu lassen. Zur Finanzierungsstrategie des Unternehmen zählten zwar weiterhin auch Bankdarlehen und eine gesunde Eigenkapitalquote, so Krauses Co-Chef Kollmann. „Aber es ist einfach sinnvoll, die Menschen an unserem Erfolg oder auch Misserfolg zu beteiligen.“

Die Anleger gehen ein gewisses Risiko ein, da es sich um ein sogenanntes Nachrangdarlehen handelt. Im Falle einer Insolvenz gehen sie leer aus. Läuft es gut, können sie von relativ hohen Zinsen profitieren. Der Zinssatz kann sich noch um 50 Prozent erhöhen – wenn der Anleger sich sein Geld in Gutscheinen auszahlen lässt. Bei einem Zinssatz von fünf Prozent erhalten die Anlegen so Waren im Wert von 7,5 Prozent. Diese Möglichkeit habe ein Großteil der Personen gewählt, die jetzt Kapital angeboten haben, sagt Mathias Kollmann. „Wir waren überrascht, dass so viele Leute ihr Geld in Keksen haben wollen.“

Langfristig ist sogar ein Mühlenneubau geplant

Das eingesammelte Kapital ist zweck­gebunden, es soll damit ein weiterer Betrieb aufgekauft und eine vierte Backstraße gebaut werden. Zwar sehe er den derzeitigen Trend zu einem Ausverkauf der Bio-Pioniere durch kapitalstarke Investoren kritisch, sagt Volker Krause. Aber in diesem Fall handele es sich um ein befreundetes Unternehmen aus der Branche, das auf sie zugekommen sei. Ob der Kauf zustande kommt, werde sich demnächst zeigen. Mit einer vierten Backstraße soll die Produktion verbessert werden. Bisher müssen die jeweils 200 Meter langen Backstraßen für verschiedene Produkte immer wieder leicht umgebaut werden.

Langfristig ist auch ein Mühlenneubau geplant. Die alte Mühle soll aber auf jeden Fall erhalten bleiben. In ihrem Inneren arbeiten schon fast historische Walzenstühle aus den 1930er- und 1940er-Jahren, daneben macht ein modernes Lesegerät permanent Bilder vom durchlaufenden Getreide, um die Körner zu sortieren. Dieses Nebeneinander von Handwerk und Digitalisierung soll auch die Zukunft der Bohlsener Mühle prägen.

Das Unternehmen Bohlsener Mühle

Die Bohlsener Mühle produziert seit 1979 Bio-Getreide und Mühlenprodukte sowie Backwaren. Ihr Jahresumsatz betrug 2020 rund 58 Millionen Euro, etwa 19 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Bis 2023 ist ein Umsatzwachstum auf rund 76 Millionen Euro geplant. Die Eigenkapitalquote liegt bei rund 26 Prozent.

Rund 300 Mitarbeiter sind in der Wassermühle, der Frische­bäckerei und der Feinbäckerei tätig. Die Produkte werden sowohl im Naturkostfachhandel als auch in einigen konventionellen Supermärkten verkauft. Zudem gibt es seit vergangenem Jahr einen eigenen Laden in Lüneburg. Dort werden Brot, Kekse, Mühlenprodukte und Müsli verkauft, vieles auch unverpackt.

Der nachhaltige Ansatz des Unternehmen betrifft sowohl die Qualität der Produkte als auch die Wirtschaftlichkeit des Betriebs und den Umgang mit den Mitarbeitern. Die Bohlsener Mühle ist durch die drei großen Öko-Anbaubetriebe Bioland, Demeter und Naturland zertifiziert. 80 Prozent des verarbeiteten Getreides stammt aus Deutschland, die Hälfte der Lieferanten aus einem Umkreis von 200 Kilometern.

So funktioniert Crowdinvesting

Crowdinvesting läuft über Plattformen wie Finnest im Internet. Dort können Anleger für eine bestimmte Kampagne ihre Investitionssumme und einen Wunschzins angeben. Das Unternehmen legt im Anschluss den Zinssatz fest.

Alle Anleger mit diesem oder einem niedrigeren Wunschzins kommen zum Zug. Die vorgegebene Investitionssumme darf nicht überschritten werden. Da es sich um ein Nachrangdarlehen handelt, ist das angelegte Geld im Falle einer Insolvenz des Unternehmens im schlimmsten Fall verloren.