Lüneburg. Rund 500 gesprühte Geister in und um Lüneburg sollen auf das Konto des 28-Jährigen gehen. Warum jetzt Geld für ihn gesammelt wird.
Sie leuchten auf Stromkästen, an Häuserwänden und auf Brückenpfeilern: Farbenfrohe Graffiti-Geister tauchen seit einigen Jahren an vielen Ecken in und um Lüneburg auf. Mehr als 500 bunte Gespenster sollen es mittlerweile sein, viele haben ein fröhliches oder freches Gesicht, andere sehen traurig, wütend oder verblüfft aus. Wer hinter ihnen steckt, war bisher ein gut gehütetes Geheimnis. Doch jetzt hat die Polizei einen Sprayer auf frischer Tat ertappt.
Anwohner hatten den Mann beim Sprayen beobachtet, wie er in der Nacht zu Donnerstag einen Stromkasten an der Anna-Vogeley-Straße am Rande des Hanseviertels mit einem Geistermotiv verzierte. Die alarmierten Polizisten verfolgten den 28-Jährigen, der zuerst mit einem Fahrrad und dann zu Fuß flüchtete. Als sie ihn stellten, fanden sie im Rucksack des Lüneburgers unter anderem Sprühdosen.
In der Wohnung des Lüneburger Geister-Sprayers fanden Polizisten Sprühdosen und Skizzenblöcke
Der gestellte Graffitisprayer musste die Polizisten auf die Wache begleiten und seine Personalien angeben. Auch zwei Lüneburger Wohnungen, in denen sich der Mann zuletzt aufgehalten hatte, wurden am Donnerstag durchsucht. Dabei wurden laut Polizei verschiedene Utensilien zum Sprayen, Lackstifte, Skizzenblöcke sowie technische Geräte wie ein Handy, ein IPad und ein Laptop sichergestellt. Auf dieser Grundlage ermittelt die Polizei zurzeit weiter.
Der Mann konnte wieder nach Hause gehen, er hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. „Er macht von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch“, sagt Kai Richter, Sprecher der Polizeiinspektion Lüneburg. Ob der gestellte Mann wirklich der Urheber hunderter Lüneburger Geister ist derzeit nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Graffiti aus der Tatnacht haben dem Polizeisprecher zufolge zumindest eine deutliche Ähnlichkeit mit anderen Gespensterbildern in der Stadt. „Es spricht vieles dafür, dass er der Geister-Sprayer ist.“
Auf Instagram sammeln Fans Bilder der Lüneburger Graffiti-Geister
Strafrechtlich ist diese Frage erst einmal nicht entscheidend. Denn ermittelt wird wegen Sachbeschädigung. „Solche Taten werden nur auf Antrag verfolgt“, sagt der Sprecher. Die Polizei ermittelt daher nur aufgrund der zwei Taten aus der Nacht zum 21. September sowie im Falle einiger Strafanzeigen, die in den vergangenen Monaten gestellt wurden. Deren Zahl liege im einstelligen Bereich, sagt Richter und betont: „Es steht nicht im Raum, dass wir als Polizei jetzt alle Geisterbilder suchen und einen Zusammenhang herstellen.“
Auch wenn das Sprühen der Geister-Graffiti illegal ist – es gibt in Lüneburg und Region viele Menschen, die sich am Anblick der kleinen Wesen erfreuen und froh sind, dass sie die Stadt schmücken. Mehrere Instagram-Accounts mit Namen wie „Geisterliebe“ oder „Geisterbande“ widmen sich den Geistern und sammeln Bilder der bunten Kunstwerke, als was die Graffiti in dem sozialen Netzwerk überwiegend angesehen werden. Die Geister tauchen nicht nur in der Stadt Lüneburg auf, auch in den umliegenden Orten und Gemeinden und sogar an der Autobahn nach Hamburg treiben sie ihr vergnügliches Unwesen.
Viele fänden die Geister toll, bestätigt auch der Polizeisprecher. Es sei jedoch nicht Aufgabe der Polizei, die Frage zu klären, ob es sich eigentlich um Kunstwerke oder doch Schmierereien handelt. Wer ungefragt ein Graffiti auf seiner Hauswand erhält, hat die Möglichkeit, die Sache auch zivilrechtlich zu verfolgen und auf Schadenersatz zu klagen.
Kampagne soll Spenden für mögliche Prozesskosten bringen
Da auf den 28-Jährigen nun vielleicht hohe Kosten zukommen, hat ein Unterstützer eine Spendenkampagne unter dem Titel „Geistersprayer in Not“ gestartet. Der Graffitikünstler habe vielen Menschen in und um Lüneburg „mit seinen vielen Geistern ein Lächeln geschenkt“, heißt es in dem Aufruf auf der Plattform Gofundme.
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Der Initiator will den Sprayer bei Bedarf finanziell unterstützen. „Um Danke zu sagen für die Kunst, um Prozesskosten und mögliche Strafen abzumildern, um ein Statement für Kunst im öffentlichen Raum zu hinterlassen.“ Eine Absprache mit dem möglichen Empfänger der Spenden gibt es offensichtlich nicht. Bis Dienstagnachmittag waren annähernd 2000 Euro zusammengekommen, das Spendenziel von 1500 Euro ist damit bereits weit überschritten.
Geister-Sprayer von Lüneburg könnte wegen seiner Graffiti ins Gefängnis kommen
Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage erheben – denkbar ist auch, dass die Ermittlungen eingestellt werden –, muss der Geister-Sprayer möglicherweise ins Gefängnis. Sachbeschädigung kann nach Paragraf 303 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.