Landkreis Stade. Kreispolitiker verabschieden Resolution in Sachen Wolf über alle Parteigrenzen hinweg. Nur vom Kreis Harburg ist nichts zu hören.

Nach den erschreckenden Wolfsangriffen auf Nutztiere im Landkreis Stade und in der Nähe im benachbarten Landkreis Rotenburg, bei denen Dutzende Tiere starben, hat der Kreistag des Landkreises Stade am Montagvormittag große Geschlossenheit demonstriert und einstimmig eine Resolution verabschiedet, mit der die Abgeordneten aller Fraktionen ein regional differenziertes Populationsmanagement für den Wolf fordern.

„Dieses Zeichen ist von elementarer Bedeutung“, sagte Oliver Grundmann (CDU), der auch Mitglied im Deutschen Bundestag ist. Er werde Bundesumweltministerin Steffi Lemke über den Stader Beschluss informieren. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Protze bewertete den einstimmigen Beschluss zur bis dato heftig diskutierten Wolfsfrage vor dem Hintergrund der vielen Wolfsrisse in den vergangenen Wochen und die damit verbundenen Sorgen der Anwohner und Weidetierhalter positiv: „Es ist ein besonderes Zeichen, dass wir hier fernab jeder parteipolitischen Debatte Geschlossenheit demonstrieren“, so Protze.

Wolfsattacken bei Stade: Landkreis solidarisch mit Kreistagen entlang der Nordseeküste

Mit der Stader Resolution wird die Bundesregierung aufgefordert, „den guten Erhaltungszustand der Population des westeuropäischen Wolfes gegenüber der europäischen Kommission zu melden“. Außerdem müsse die Bundesregierung umgehend eine Vereinbarung aus ihrem Koalitionsvertrag umsetzen, nach der ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglicht werde. Weiter heißt es: „Vor diesem Hintergrund muss es auch im Landkreis Stade zukünftig möglich sein, schnell und unbürokratisch gezielt dort einzugreifen, wo Wölfe über ihr Jagdverhalten Zielkonflikte auslösen.“

Der Stader Kreistag stimmt einstimmig für die Resolution zum Wolfsmanagement. So viel Einigkeit gab es in dieser Frage bisher noch nie. 
Der Stader Kreistag stimmt einstimmig für die Resolution zum Wolfsmanagement. So viel Einigkeit gab es in dieser Frage bisher noch nie.  © HA | LK Stade/Beneke

Mit der Verabschiedung dieses Antrages erklärt sich der Landkreis Stade solidarisch mit Kreistagen entlang der Nordseeküste sowie mit dem Heidekreis und dem Kreis Rotenburg, die aufgrund ihrer individuellen Betroffenheit und ihrer Nähe zur Lüneburger Heide mit einer vergleichsweise hohen Wolfspopulation teilweise gleichlautende Beschlüsse gefasst haben. Im Kreistag des Landkreises Harburg war eine solche Resolution bis dato nicht mehrheitsfähig. Das mag sich mit dem Wolfsangriff auf eine Schafherde in Döhle, bei der über 20 Tiere in der Nähe eines Wohngebiets gerissen wurden, ebenfalls verändert haben. Die nächste Kreistagssitzung findet am 9. Oktober statt.

Es müsse gestattet werden, die Zahl der Wölfe zu reduzieren

Die Stader Resolution geht zurück auf einen Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU, FWG und FDP. Die Kreispolitiker weisen darauf hin, dass die bisherige Rechtslage nicht ausreichend sei, um die Interessen der Nutztierhalter zu wahren und den Küstenschutz durch Deichschafe sicherzustellen. Insbesondere bei Konfliktsituationen müsse es möglich sein, schnell und unbürokratisch in ein Bestandsmanagement einzutreten, wird in der Begründung des Antrags ausgeführt. Konkret müsse es gestattet werden, die Zahl der Wölfe zu reduzieren.

Der Stader Kreistag betont in seiner Resolution die elementare Bedeutung der Deichsicherheit und einer optimalen Pflege der Deiche entlang der Elbe und ihrer Nebenflüsse für einen großen Teil der Bevölkerung des Landkreises, die sich darauf verlasse, dass die Deichverbände alles tun, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Übergriffe von Wölfen auf Schafe in der Deichpflege stellten eine Gefahr für den Hochwasserschutz dar, heißt es in der Resolution.

Aus Angst vor dem Wolf: Schäfer im Landkreis Cuxhaven gibt seinen Beruf auf

Im Nachbarkreis Cuxhaven habe bereits 2021 ein Deichschäfer seinen Beruf aufgegeben, weil er sich nicht dem ständigen psychischen Druck gewachsen sah. Auch habe sich der Schutzzaun für die angegriffenen Schafe als Falle erwiesen, da er sie an der Flucht vor dem Raubtier hinderte. Daher sei es aus Tierschutzgründen auch kritisch zu hinterfragen, ob ein solcher Grundschutz verantwortbar sei, heißt es in der Resolution weiter.

Auf dieser Weide bei Wiepenkathen wurden zwei Rinder mutmaßlich von Wölfen angegriffen. Ein totes Tier liegt noch auf dem Gras. Um die Weide herum gibt es keinen Schutzzaun gegen Wölfe.
Auf dieser Weide bei Wiepenkathen wurden zwei Rinder mutmaßlich von Wölfen angegriffen. Ein totes Tier liegt noch auf dem Gras. Um die Weide herum gibt es keinen Schutzzaun gegen Wölfe. © Harburg | Joto

Ende August waren bei einem Wolfsriss an der Oste bei Gräpel Dutzende Schafe ums Leben gekommen. Weitere Schafe und zwei Rinder fielen seither Wolfsattacken zum Opfer. Auch im Landkreis Harburg ist die Bevölkerung aktuell durch den Angriff auf die Schafherde in Döhle aufgeschreckt. „Der tragische Angriff in Gräpel könnte zu einem Wendepunkt in der deutschen Wolfspolitik werden“, sagte Stades Landrat Kai Seefried (CDU), der sich auch Unterstützung vonseiten des Landes erhofft – zumal dort ein Abschussantrag aus Stade für den Wolf GW1582m vorliegt, dessen DNA bei den Rissen in Gräpel identifiziert wurde und der wahrscheinlich an weiteren Risse in der Nähe beteiligt war.

Aktuell verfügt die Region über 48 territoriale Wolfsrudel

Bei einer Stippvisite des Niedersächsischen Umweltministers Christian Meyer von den Grünen am vergangenen Freitagabend in Stade nannte der Minister die Zahl von 500 bis 600 Wölfen in Niedersachsen und sprach von einem guten Erhaltungszustand des Wolfes im Land, der Basis für mögliche Abschüsse sein müsse. Fakt ist allerdings, dass für ein Bestandsmanagement der jeweilige EU-Mitgliedsstaat aktiv gegenüber der EU-Kommission den guten Erhaltungszustand erklären muss. Dazu war die Bundesregierung bisher nicht bereit.

Niedersachsen und der westliche Teil Schleswig-Holsteins bilden fast deckungsgleich die „Atlantische biogeografische Region“ auf deutschem Territorium ab. Aktuell verfügt diese Region über 48 territoriale Rudel. Da der gute Erhaltungszustand für die drei biogeografischen Regionen Deutschlands – Atlantische, Kontinentale und Alpine Region – separat betrachtet und anschließend gemeldet werden muss, bedarf es hier in Niedersachsen keiner weiteren Meldung von Monitoring-Daten Richtung EU-Kommission.

Landrat Seefried: „Diese schrecklichen Bilder dürfen kein Alltag werden“

Hier fordert die Stader Politik eine regionale Betrachtung der Lage: „Die Meldung des guten Erhaltungszustandes für die in Niedersachsen nachgewiesenen Wölfe ist eine Frage des politischen Willens“, heißt es in der Resolution der Stader Kreispolitiker.

„Es ist noch nichts entschieden. Wir können mit dem einen oder anderen Zeichen vielleicht den entscheidenden Ruck geben“, hofft Bundestagsmitglied Oliver Grundmann. Die Menschen seien nach den Vorfällen in den vergangenen Wochen in großer Sorge, so Landrat Seefried. „Ein ,Weiter so‘ mit dem Wolf darf es nicht geben. Wir müssen zu einer Bestandsregulierung kommen“, sagte Seefried. „Wir werden unsere Deiche und unsere Flüsse nicht einzäunen können.“ Dabei gehe es nicht darum, den Wolf auszurotten. „Aber dieses Tierleid der Nutztiere und die schrecklichen Bilder dürfen kein Alltag werden“, forderte der Landrat.