Lüneburg. Wie vor 1000 Jahren: Ein Pensionär siedet in der Hansestadt echtes Lüneburger Salz – wann man ihm zusehen kann und wo es das Salz gibt.
„So, jetzt will ich das hier mal alles ‘n büschn nett herrichten“, sagt Klaus Jürgen Reichert und schnappt sich einen Scheit Holz. Vieles um ihn herum wirkt so wie die Zeit, aus der das stammt, was er macht. Aber ein Hilfsmittel gönnt sich der Sieder des Salzmuseums in Lüneburg dann doch: Anzünder. „Feuer zu machen wie im Mittelalter – die Zeit haben wir dann doch nicht“, sagt Reichert und zwinkert.
Von dienstags bis sonntags zwischen 10 und 15 Uhr gibt es mitten in Lüneburg einen Happen Historie im Vorbeigehen. Denn die Schau-Siedehütte des Deutschen Salzmuseums liegt nicht innerhalb des Gebäudes und noch nicht einmal hinter irgendeiner Absperrung. Sie liegt nur ein paar Meter vom Eingang entfernt an einem Fußweg, der auch zum benachbarten Supermarkt führt.
Lüneburg: Pensionär siedet Salz wie vor 1000 Jahren, gewonnen aus der Sole im Untergrund
„Moin Klaus, gut siehst du aus!“, ruft wie bestellt eine Frau in die Hütte. Schließlich hat sich der Siedemeister für das Fotoshooting eine mittelalterlich wirkende Kutte übergestreift. Ansonsten steht er im weißen Museums-T-Shirt an der Pfanne.
Jeden Donnerstag und jeden Sonntag siedet der Pensionär hier echtes Lüneburger Salz, gewonnen wie vor 1000 Jahren aus der Sole im Untergrund der Stadt. Während dieser Stunden ist Klaus Jürgen Reichert eine Mischung aus Arbeiter, Darsteller, Wissens-Weitergeber und manchmal auch einfach Gesprächspartner. „Viele bleiben stehen, nur um ein wenig zu sprechen“, sagt der 68-Jährige. „Die Menschen brauchen das. Ein bisschen freundlich, ein bisschen nett, das ist genehm.“
Bis vor gut einem Jahr kam Reichert selbst immer mal wieder auf den einen oder anderen Klönschnack vorm Einkaufen vorbei, und zwar mit Mimke Koch, der hier seit Jahren mehrfach in der Woche Salz siedet. Bis Koch für längere Zeit ausfiel und das Museum dringend Ersatz suchte. Der Hausmeister schließlich fragte Reichert, ob er sich nicht vorstellen könne einzuspringen.
Vom Passant zum Siedemeister, weil der Zufall es wollte
„Tja, ich habe dann gesagt: Lust habe ich schon, aber ja keine Ahnung“, erzählt er. Aber Ahnung kann man sich schaffen. Der gelernte Justizfachwirt besuchte kurzerhand mehrfach hintereinander die Ausstellung im Salzmuseum, prägte sich das Gelesene ein und ließ sich die handwerklichen Griffe in der Hütte erklären.
Und nun ist er Kochs Kollege, kommt zweimal in der Woche ins Museum. Teils als Minijob, teils im Ehrenamt. Und so mancher Mensch, der hier eigentlich nur parken wollte, besucht nach der Entdeckung der Siedehütte dann auch noch das Museum. Weil die Verbindung von echtem Tun und Erzählen eben neugieriger macht als jedes Werbeplakat.
Etwa 20 Liter Lüneburger Sole gießen die Salzsieder täglich in die Pfanne über dem holzbefeuerten Lehmofen, nach etwa zwei Stunden im heißen Wasser lösen sich die Kristalle. Aus 20 Liter Sole werden am Ende gut sechs Kilogramm Salz: Jeder Liter ergibt exakt 306 Gramm Kristalle. Die werden erst per Raker an den Rand der Pfanne gezogen und dann per Schöpflöffel in ein geflochtenes Körbchen geschaufelt – dort hängt das Salz eine Nacht lang ab, das ist der erste Gang des Trocknens.
Ein 100-Gramm-Glas voller Lüneburger Salz – nur das ist das Original
Nach einem weiteren Trocknungsvorgang innerhalb des Gebäudes füllen die Ehrenamtlichen des Förderkreises Industriedenkmal Saline e.V. das Salz in 100-Gramm-Gläser. In den Lüneburger Salzsäckchen, die zum Beispiel Hochzeitspaare geschenkt bekommen, ist übrigens kein echtes Lüneburger Salz: Das ist für den Stoff zu feucht, daher sind die Beutel mit trockenem Steinsalz aus dem Steinsalzbergwerk Braunschweig-Lüneburg in Grasleben gefüllt.
Die Gläser mit dem Original-Solesalz gibt es im Museumsshop zu kaufen und natürlich beim Supermarkt nebenan. Der liegt nämlich, genau wie das Salzmuseum selbst, in dem letzten großen Siedehaus der Saline, gebaut zwischen 1923 und 1940.
Mehr als 1000 Jahre lang bestimmte die Saline das Leben der Menschen und die Entwicklung der Stadt Lüneburg. Bis zu 2000 Menschen arbeiteten zeitweise für die Saline, so viele wie für keinen anderen Betrieb jemals. Im Bereich der westlichen Altstadt liegt der Salzstock im Untergrund.
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Als die Saline am 12. September 1980 ihren Betrieb einstellte, war sie das vorletzte Salzwerk ihrer Art in Deutschland. Der Grund für ihr Ende waren die hohen Energiekosten für das Befeuern der Pfannen.
Infos zu Führungen, dem Schausieden sowie dem Erwerb des Salzsiede-Diploms gibt es auf der Website des Museums: www.salzmuseum.de. Klaus Jürgen Reichert ist als Schau-Salzsieder auch auf den Lüneburger Sülfmeistertagen vom 29. September bis zum 1. Oktober vertreten. Am Wochenende siedet er ebenfalls echte Lüneburger Sole auf dem Lüneburger Marktplatz. Alle Infos zum Programm: www.suelfmeistertage.de.