Jork. Der Jorker Maler Richard Eggers gehörte zu den Großen seiner Zeit. Warum selbst Helmut Schmidt den Künstler in seiner Heimat besuchte.

  • Richard Eggers (1905 – 1995) gilt als berühmtester Maler des Alten Landes.
  • Das Museum Altes Land in Jork widmet dem Spätimpressionisten nun eine Sonderausstellung.
  • Der Künstler war fasziniert von den idyllischen Motiven des Alten Landes – er malte sie wieder und wieder

Das Museum Altes Land in Jork feiert den berühmtesten Maler der Region mit einer Sonderausstellung: „Idylle im Umbruch – Richard Eggers im Alten Land“ läuft noch bis zum 31. Oktober und ist für Einheimische und Touristen gleichermaßen interessant. Denn: Die Bilder des bekannten Spätimpressionisten werden den realen Entwicklungen in der Region gegenübergestellt, die der Künstler mit zunehmenden Alter heftig kritisierte.

Er sah die Idylle in seiner Wahlheimat bedroht und teilweise als unwiederbringlich verloren an – und so ist die von Dr. Anja Tiedemann kuratierte Ausstellung auch eine Mahnung, die noch vorhandenen Schätze des Alten Landes zu bewahren.

Sonderausstellung Richard Eggers: Bilder zeugen von der Schönheit des Alten Landes

Richard Eggers war ein Künstler von enormer Strahlkraft und weitreichender Popularität. Viele seiner Bilder legen bis heute Zeugnis ab von der Schönheit des Alten Landes. Die Ausstellung zeigt Gemälde mit Altländer Motiven, aber auch die großen Veränderungen der 1960er-Jahre. Bis einschließlich Oktober ist das Museum und damit die Sonderausstellung täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

Kuratorin Dr. Anja Tiedemann ist eine Max-Beckmann-Expertin und führt das Werkverzeichnis der Beckmann-Gemälde. Jetzt hat sie sich um Richard Eggers und sein Werk gekümmert und eine sehenswerte Ausstellung erstellt.
Kuratorin Dr. Anja Tiedemann ist eine Max-Beckmann-Expertin und führt das Werkverzeichnis der Beckmann-Gemälde. Jetzt hat sie sich um Richard Eggers und sein Werk gekümmert und eine sehenswerte Ausstellung erstellt. © HA | Sabine Lepél

Blühende oder Früchte tragende Obstbäume und langgestreckte ursprüngliche Dörfer mit reetgedeckten, kunstvoll gearbeiteten Fachwerkhäusern, gepflegte Gärten, Wiesen und Weiden. Dazu die Elbe mit ihren Nebenflüssen, der hohe Himmel und sein ständig wechselndes Licht. Diese Motive faszinierten den 1995 verstorbenen Künstler – er malte sie wieder und wieder. „Das Alte Land, wie Richard Eggers es 1935 vorfand, als er nach Jork kam, war eine Idylle“, sagt Dr. Kai Janofsky, Leiterin des Museums Altes Land und des Altländer Archivs.

Eine Bilderschau im Spannungsfeld zwischen Idylle und Realität

Mitte der 1960er-Jahre wurde dann alles anders. „Eine neue Zeit brach an und forderte Platz für Modernisierung, komfortablere Häuser und breite Straßen. Hinzu kamen die umfangreichen Baumaßnahmen nach der großen Sturmflut von 1962 und die 1974 vollendete Schließung der Borsteler Binnenelbe durch Siele an beiden Seiten“, so Janofsky, die die Idee zur Sonderausstellung hatte und dafür die Max-Beckmann-Expertin Dr. Anja Tiedemann als Kuratorin gewinnen konnte. Herausgekommen ist eine Bilderschau im Spannungsfeld zwischen Idylle und Realität, die auch viel über das Leben des berühmten Spätimpressionisten erzählt.

In der Ausstellung werden Bilder – hier ein Selbstporträt von Richard Eggers – und Erläuterungen zum Werk des Malers und der zeitgeschichtlichen Entwicklung in Zusammenhang gestellt.
In der Ausstellung werden Bilder – hier ein Selbstporträt von Richard Eggers – und Erläuterungen zum Werk des Malers und der zeitgeschichtlichen Entwicklung in Zusammenhang gestellt. © HA | Sabine Lepél

Eggers ist 1905 als Sohn eines Itzehoer Klavierbauers zur Welt gekommen, wollte aber andere Wege einschlagen und Maler werden. Er wurde von bekannten Lehrern unterrichtet, studierte unter anderem in München und Leipzig.

Helmut Schmidt schätzte sein Können und besuchte Richard Eggers

1935 kam er ins Alte Land, wo er zunächst einen schwierigen Start hatte. Von 1939 bis 1945 musste er in den Krieg ziehen und leistete seinen Wehrdienst – durchweg als „Kriegsmaler“ – in Rumänien, Russland und Südfrankreich, bis er bei Marseille in Gefangenschaft geriet.

Richard Eggers gibt das Bundesverdienstkreuz am Bande, das er 1975 erhielt, an seine Frau Polly weiter. Foto Archiv Ilona Eggers
Richard Eggers gibt das Bundesverdienstkreuz am Bande, das er 1975 erhielt, an seine Frau Polly weiter. Foto Archiv Ilona Eggers © HA | Archiv Ilona Eggers

Nach seiner Rückkehr ins Alte Land malte Eggers weiter und heiratete 1954 die Flüchtlingstochter Erika Sedelies, von ihm Polly genannt. Seine erfolgreichste Schaffensperiode begann, Ausstellungen führten ihn auch Anfang der 1960er-Jahre nach Zürich, Genf und Küssnacht.

Helmut Schmidt schätzte sein Können und besuchte Richard Eggers – ebenso wie andere bekannte Zeitgenossen - in seinem Haus in Jork. Der Impressionist gilt nicht nur als der bekannteste Maler des Alten Landes, er hat sich auch international einen Namen gemacht. „Berühmt war er zudem für seine Eigenart, mit nur sieben Farben im Malkasten auszukommen“, weiß Kunsthistorikerin Dr. Anja Tiedemann.

Ausgerechnet in Jork zog sich Eggers beim Arbeiten eine Querschnittslähmung zu

Eggers erhielt zahlreiche private und öffentliche Aufträge, insbesondere für Sgraffiti an öffentlichen Bauten. Dabei wurde ihm ausgerechnet ein Auftrag in seinem Heimatort Jork zum Verhängnis, als er 1965 bei der Arbeit an einem Sgraffito in der Altländer Festhalle sieben Meter tief vom Gerüst stürzte. Die Folge des Unfalls war eine Querschnittlähmung. Insgesamt zwei Jahre verbrachte der Maler im Krankenhaus.

Richard Eggers bei der Arbeit am Sgraffito in der Altländer Festhalle. 1965 stürzte er dort von einem Gerüst sieben Meter in die Tiefe und war seither querschnittsgelähmt.
Richard Eggers bei der Arbeit am Sgraffito in der Altländer Festhalle. 1965 stürzte er dort von einem Gerüst sieben Meter in die Tiefe und war seither querschnittsgelähmt. © HA | Gemeinde Jork

Während dieser Zeit machte seine Frau Polly heimlich den Führerschein, um ihren nun auf den Rollstuhl angewiesenen Mann nach Wunsch zu Plätzen im Alten Land und auf der benachbarten Geest zu fahren, an denen er malen wollte.

Die wichtige Rolle der Ehefrau im Leben des Malers

„Auf dem Höhepunkt seines Erfolges erhielt er 1975 das Bundesverdienstkreuz am Bande, das er direkt an seine Frau weitergab, ohne deren Unterstützung seine Arbeit nicht möglich gewesen wäre“, beschreibt Tiedemann die wichtige Rolle der Ehefrau im Leben des Malers.

Als auch die Kirschbäume von den Deichen verschwanden, suchte Richard Eggers nach alternativen Inspirationsquellen. Er wandte sich vermehrt der benachbarten Geest zu. Aus seinen früheren Lieblingsplätzen seien „verschwundene Sehnsuchtsorte“ geworden, so Tiedemann.

Seine Altländer Motive sind bis heute gehütete Schätze

„Die Altländer Motive, die er später noch viele Male wieder aufgreifen sollte, sind bis heute gehütete Schätze. Wie die Erinnerung an eine große Liebe – verloren, aber nicht vergessen“, sagt die Kuratorin, die am 8. Oktober einen Vortrag zum Thema im Museum halten wird.

Dann wird sie auch Richard Eggers Bedauern über die Entwicklungen im Alten Land thematisieren: „Nichts von dem, was ich in jungen Jahren gemalt habe, ist erhalten geblieben. Früher gab es malerische Motive wie Sand am Meer. Sie haben mir das Altes Land kaputt gebaut“, wird er in späten Interviews zitiert. „Was verloren ist, kommt nicht zurück“, sagt Tiedemann. „Aber wir können bewahren, was heute noch da ist. Für uns, die wir das Erbe des Alten Landes verwalten, sollte die Klage von Richard Eggers ein Ansporn sein“, sagt die Kunsthistorikerin, die im Alten Land wohnt und sich für die Grünen im Jorker Rat engagiert.