Guderhandviertel. Mit dem empfindlichen Obst erweitern immer mehr Landwirte ihr Sortiment. Hauptfrucht bleibt der Apfel – und der macht der Branche Sorgen.
Mit Beginn der Kirschblüte Ende dieses Monats startet üblicherweise im Alten Land auch die Tourismus-Saison. Doch in dem großen Obstanbaugebiet an der Elbe stoßen Ausflügler schon jetzt gelegentlich auf blühende Obstbäume: Aprikosen oder auch Pfirsiche, die hier in den vergangenen Jahren immer häufiger auch angebaut werden und deren Blüte eben bereits schon Mitte März beginnt, wie Obstbauer Claus Schliecker erklärt.
Klimawandel: Im Alten Land wachsen jetzt Aprikosen
Noch sind sie ein Nischenprodukt, das durch den Klimawandel in dieser Region erst seit kurzem möglich geworden ist. Die Knospen dieser empfindlichen Früchte brechen bereits im Februar oder auch Ende Januar auf. In früheren Jahren sei ein Anbau kaum denkbar gewesen. „Aber heute fehlen die langen und starken Winterfröste“, sagt Schliecker, der Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau im Landvolkverband Niedersachsen ist.
„Der Grundgedanke ist daher die Frage: sollte man diese Chance nutzen, um das Sortiment zu erweitern, funktioniert das auch hier?“, so Schliecker, der für seinen Betrieb in diesem Jahr nun diese Frage auch beantworten will. 2020 hatte er erstmals im größeren Stil auf einem Hektar seiner Betriebsfläche in Guderhandviertel Aprikosen und auch Pfirsiche gepflanzt. Im letzten Jahr wurden dann erste wenige Früchte „zum Naschen“ geerntet, in diesem Jahr nun will er damit seine Kunden im Einzelhandel beliefern.
Ukraine-Krieg macht den Apfelbauern Sorgen
Und wenn das Thermometer nachts doch einmal wie in der vergangenen Woche während der Blüte unter null Grad sackt, werden seine Aprikosen wie die Äpfel künstlich beregnet. Dabei gefriert das Wasser an den Blüten, wobei Wärme entsteht. „Das ist reine Physik, wichtig ist daher, dass permanent die Nacht durch beregnet wird“, sagt Schliecker. Sorgen mache der kurzfristige Kälteeinbruch eben nicht. „Damit können wir umgehen“, sagt der Obstbauer.
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Sorgen machten der Branche indes zurzeit ganz andere Dinge. Und die betreffen den Apfelmarkt, der die Ernte im Alten Land im Wesentlichen prägt. Ernte ist dabei im Herbst, Hauptvermarktungszeit ist dann im Winter und Frühjahr. Doch da kann sich nun der Ukraine-Krieg bemerkbar machen, fürchten die Apfelproduzenten. Aktuell ist Erntezeit in Übersee, in Ländern wie Südafrika, Neuseeland oder Chile. Russland war da bisher ein großer Markt für Äpfel aus diesen Ländern, doch nun ist der Export durch die weltweiten Embargo-Maßnahmen gegen das Putin-Land gestoppt.
Verkauf der Äpfel aus dem Alten Land läuft nicht so, wie er sollte
Die Folge: Ware aus Übersee könnte verstärkt auf den heimischen, europäischen Markt gelangen und sich auf die Preise auswirken. „Die ersten Schiffe sind in Rotterdam schon angekommen“, sagt Schliecker. Während seine Branche angespannt auf die weitere Entwicklung dieses Apfel-Exports schaut, sind ihre Sorgen an anderer Stelle schon jetzt augenscheinlich: Der Verkauf der Äpfel aus dem Alten Land läuft in diesem Jahr nicht so, wie er eigentlich sollte. „Wir hatten mehr erwartet“, sagt Fachgruppen-Vorsitzender Schliecker.
Ganz genau beobachtet die Branche dabei die Lage: Ein Indikator ist beispielsweise, wie viele Äpfel in den Hausgärten und Streuobstwiesen geerntet werden können. Da gibt es Jahre mit großen Mengen, während im Folgejahr die Bäume wieder weniger tragen. „Die müssen sich sozusagen erholen“, sagt Schliecker. Im professionellen Obstanbau werde hingegen auf gleichmäßige Erntemengen geachtet.
In diesem Jahr wäre die Hausgarten-Ernte den Erwartungen zufolge eher gering gewesen, der Absatz der Verkaufsäpfel hätte daher größer sein müssen. War er bisher aber nicht. Das liegt nach Einschätzung von Branchenvertreter Schliecker daran, dass in den Supermärkten das ganze Jahr über verstärkt Beeren aus Ländern wie Marokko, Ägypten oder Peru angeboten werden, was dann eben zu einer Kaufzurückhaltung beim Apfel führe. „Es ist schicker, schnell Beeren zu snacken als einen Apfel zu schälen.“
Beeren? „Wir importieren damit Wasser aus Gegenden, wo es nicht viel Wasser gibt“
Aber selbst, wenn die Beeren als Bio-Waren deklariert sind, sei die Öko-Bilanz im Vergleich zu heimischem Obst schlecht, argumentiert Schliecker. Man müsse da die langen Transportwege sehen, zudem bestünden diese Früchte zum größten Teil aus Wasser. „Wir importieren damit Wasser aus Gegenden, wo es nicht viel Wasser gibt“, sagt Schliecker, der dafür plädiert, wieder mehr Bewusstsein für regionale und saisonale Produkte zu entwickeln.
Und das könnte eben auch für die Aprikosen-Ernte aus dem Alten Land gelten. Einen Vorteil habe dieser regionale Anbau gegenüber einem Import aus südlichen Ländern, sagt Schliecker. Hier können die Aprikosen noch am Baum reifen und müssten nicht für den Transport schon früher geerntet werden. Wo etwas geerntet wird, ist eben auch eine Frage des Geschmacks.