Bispingen. Ganz in der Nähe der großen Wildparks lebt eine Frau in der Heide mit ihren Greifvögeln. Ihre Führungen bescheren Gänsehautmomente.
- In der Einsamkeit der Lüneburger Heide, direkt am Truppenübungsplatz, liegt das Greifvogel-Gehege Bispingen.
- Die Falkerin Frigga Steinmann-Laage lebt dort gemeinsam mit ihren 40 Eulen und Greifvögeln.
- Zu den Führungen, die sie anbietet, reisen sogar Gäste aus Peru an.
„Katharina, mach doch mal deine Flügel auf“, sagt Frigga Steinmann-Laage. Und das Uhu-Weibchen auf dem Arm der Falknerin breitet prompt ihre Schwingen aus. „Huiiii“, hauchen die Besucher beeindruckt. Schließlich hat „Katharina“ eine Spannweite von 170 Zentimetern. Der Lufthauch ist bis in die Reihe der Besucher zu spüren.
„Katharina “ ist die erste, die Frigga Steinmann-Laage bei ihrer 90-minütigen Führung durch das Greifvogel-Gehege Bispingen präsentiert. Und das nicht nur sprichwörtlich – sondern auch buchstäblich hautnah. Die gefiederten Akteure der Schau sitzen nicht etwa in Käfigen, sondern hocken nur mit einer Leine gesichert auf der Erde oder auf Baumstämmen.
Falknerin Frigga Steinmann-Laage: Auf Tuchfühlung mit den Räubern der Lüfte
Jeder, der mag, darf die Vögel streicheln, ihr Gefieder befühlen, ihre scharfen Klauen und Schnäbel bewundern und ihnen aus nächster Nähe in die Augen, Nasenlöcher, Gehörgänge schauen. Oder sogar einen Räuber der Lüfte selbst auf dem Arm tragen.
Was hier am Rande des Truppenübungsplatzes in der Einsamkeit der Lüneburger Heide geboten wird, ist nirgends sonst zu erleben. Hier gibt es keine Flugschau mit Ansagen per Mikrofon, keinen Souvenirverkauf an Ein- und Ausgang. Stattdessen genießen die Besucher eine einzigartige Nähe zu den Tieren, die nur durch die starke Bindung der Falknerin zu ihren geflügelten Schützlingen möglich ist.
Viele ihrer Vögel hat die Falknerin selbst aus dem Ei schlüpfen sehen
Während der Schau vermittelt sie jede Menge Fakten über die Vögel, ohne zu dozieren. Sie erzählt so lebendig, spickt ihr immenses Fachwissen derart mit Anekdoten, dass ihr Alt und Jung gebannt lauschen.
Die Falknerin lebt von, mit, vor allem aber für ihre gefiederten Kinder. Viele hat sie selbst gezüchtet und aus dem Ei schlüpfen sehen. Manche wurden ihr in Obhut gegeben, wie der blinde Steinadler „Igor“, der mittlerweile 38 Jahre alt ist. Andere hat sie gekauft. Etwa den Seeadler „Nessie“ aus Zucht des Schleswig-Holsteiner Wildparks Eekholt. 1997 zahlte sie 20000 Mark für das Tier.
24.000 Eintagsküken müssen jeden Monat importiert werden
Momentan zählt Steinmann-Laages Zoo etwa 200 Eulen und Greife, die monatlich allein 24.000 Eintagsküken fressen. Die muss die Falknerin aus dem europäischen Ausland beziehen, seit das Töten männlicher Küken in Deutschland verboten wurde. Und zwar zum dreifachen Preis wie zuvor. „Die Küken werden nun mit Kühllastwagen aus Spanien und Ungarn eingeführt, umweltfreundlich ist das nicht.“
Außerdem verfüttert sie Mäuse und Ratten, die sie in etlichen Tiefkühltruhen lagert. Die Stromkosten sind beachtlich. Wild, das auf den Straßen der Heide überfahren wurde, bekommt sie gratis. Auch alte Legehennen schenken ihr Bauern, um sie nicht zum Abdecker bringen zu müssen.
Jagdfalken für hohe Summen an Ölscheichs zu verkaufen? Niemals!
Die Hühnerschar, die mittlerweile Steinmann-Laages Anwesen bevölkert, zeugt davon, dass die Vogelnärrin es nicht immer übers Herz bringt, die Hennen zu töten. Auch Meerschweinchen, die ihr eigentlich als Futtertiere überlassen wurden, erfreuen sich in ihrem Gehege bester Gesundheit und entzücken am Ende jeder Führung die Kinder.
Die Corona-Pandemie beraubte Frigga Steinmann-Laage nahezu aller Einnahmen und Ersparnisse. Aber selbst am Rand des Ruins widerstand sie der Versuchung, Jagdfalken für hohe Summen an Ölscheichs zu verkaufen. „Tiere von der Nordheide ins Wüstenklima schicken? Niemals!“
Nur was man kennt, möchte man auch schützen
Ein großer Teil des Steinmann-Laage’schen Nachwuchses wird ausgewildert. Uhus wurden vom World Wildlife Fund (WWF) im Bayerischen Wald und in Österreich angesiedelt. „Und sie haben dort inzwischen Nachwuchs. Da bin ich so stolz, als hätte ich die Eier selbst gelegt und ausgebrütet“, sagt Frigga Steinmann-Laage und lacht. Ein Witz, aber auch Wahrheit.
Der Fortbestand der Greifen- und Eulenpopulationen liegt ihr enorm am Herzen. Deshalb möchte sie den Besuchern ihre Lieblinge so nahe wie möglich bringen. Denn nur was man kennt, möchte man auch schützen.
Ein Gefieder wie lebendige Watte – die Kinder staunen
„Fühlt mal, wie lebendige Watte“, schwärmt die Vogelnärrin und schon streichen große und kleine Hände der Schleiereule andächtig über den Flausch des Nackens. Das weiche, mit Flaum gepolsterte Gefieder und spezielle Zähnungen an den äußeren Federn ermöglichen der Mäusejägerin einen absolut lautlosen Flug. Die Färbung des Tüpfelkleids in Silber- und Goldtönen bietet ihr eine perfekte Tarnung.
Auch Rauhfußkauz „Rumpelstilzchen“ ist bestens getarnt. Er blinzelt nach Aufforderung mit den Lidern und zeigt seine violette Nickhaut. „Pumuckl“, der Steinkauz, fliegt auf Befehl seiner Herrin in eine Baumhöhle. „Milva“, der Rote Milan, lässt ein Lied ertönen, und „Huckebein“, der Kolkrabe, kein Greif, sondern ein Singvogel, sagt den Besuchern „Hallo“.
Die Vögel gehorchen aus Spaß am Spiel, nicht wegen der Leckerli
Keiner der Vögel bekommt für Gehorsam und Leistung ein Leckerli als Belohnung. Der Spaß am Spiel, an der Aufmerksamkeit der Herrin, lässt sie folgen. Auch im Winterhalbjahr, wenn keine Führungen stattfinden, widmet sich Frigga Steinmann-Laage ihren Lieblingen intensiv über Fütterung und Pflege hinaus.
Die Leidenschaft für Vögel wurde der gebürtigen Hamburgerin in die Wiege gelegt. Ihr Vater Dr. Ernst August Laage, Zoologe, Wissenschaftler sowie Dozent am Institut für Lehrerfortbildung, gründete in den 1950er-Jahren in der Hansestadt eine „Lehrstätte für einheimische Taggreifvögel und Eulen“.
Drei Wochen nach dem Tod ihres Mannes bot sie wieder Führungen an
Nach seinem Tod 1975 übernahm Frigga rund 30 Adler, Falken, Habichte, Bussarde und Eulen. Um das Lebenswerk ihres Vaters fortzuführen, erwarb sie drei Jahre später gemeinsam mit ihrem Mann Walter Steinmann, Falkner und Jäger wie sie, die einsam gelegene ehemalige Ferienpension in der Lüneburger Heide und baute dort das Greifvogel-Gehege auf.
Kürzlich verstarb ihr Mann. Drei Wochen nach seinem Tod bot sie wieder Führungen an. Der Umgang mit den Tieren hilft ihr bei der Bewältigung des Schmerzes. Frigga Steinmann-Laages Arbeitstag hat 16 Stunden. Allein vier Stunden täglich dauert es, mit Hilfe von zwei Assistenten die Vögel für die Führungen aus den Volieren in den Wald und wieder zurück zu bringen.
Uhu-Dame Katharina wiegt mehr als fünf Pfund
Und auch das Halten der größeren Exemplare auf dem linken Arm kostet viel Kraft. Uhu-Dame „Katharina“ wiegt als Vertreterin der größten europäischen Eulenart mehr als fünf Pfund. Und es dauert, bis eine große Gruppe von Besuchern sich eigenhändig von der Weichheit ihrer „Unterwäsche“, wie die Falknerin deren Daunenkleid nennt, überzeugt hat.
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Den großen Steinadler, den bisher Walter Steinmann demonstrierte, den stemmt nun die kleine Frau selbst, die auf die Frage nach ihrem Alter kokett mit „über 18“ antwortet. „Es muss ja weitergehen“, sagt Frigga Steinmann-Laage. Die Vögel sind ihr Leben, das Greifvogel-Gehege Bispingen ihr Kosmos. Ihre Vogelwelt, in die sie ihre Besucher für eineinhalb, manchmal zwei Stunden eintauchen lässt.
Das Greifvogel-Gehege Bispingen liegt an der Bundesstraße 209 bei Kilometerstein 29,1. Die Besichtigung ist nur im Rahmen einer 90-minütigen Führung möglich. Termine vom Anfang Mai bis Ende Oktober jeweils mittwochs, sonnabends, sonntags und feiertags pünktlich um 15 Uhr. Einlass 14.45 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Bei schlechtem Wetter können Führungen ausfallen. Nachfrage unter Telefon 05194/7888. Preis: Erwachsene: 15 Euro, Kinder 4 bis 14 Jahre 10 Euro. Fotografier-Erlaubnis: 5 Euro.