Dehningshof. Autor Timo Strohschnieder ist alle Etappen des Heidschnuckenweges gewandert. Heute: von Dehningshof bis Groß Hehlen/Scheuen.
Die heutige Etappe startet so wie die letzte Etappe geendet hat: Umgeben von Natur und mitten im Nirgendwo: Der Weg ist heute sehr einheitlich, deshalb jedoch nicht weniger malerisch. Schon kurz nachdem das Grundstück des Ferienhofs Fuhrmannsschänke verlassen wurde, läuft man runter von der einsamen Asphaltstraße auf einen breiten, sandigen Forstwirtschaftsweg. Mit ausgeruhten Füßen, gut gefülltem Magen und ausreichenden Wasserrationen startet es sich auf der vorletzten Etappe des Heidschnuckenwegs am besten.
Lüneburger Heide – eine vielfältige Tierwelt im Nadelwald der
Während Fichten, Kiefern und andere Nadelhölzer nicht per se als die Ideal-Kandidaten für einen Wandertag durch den Wald gelten, fühle ich mich nach einigen Kilometern durch den menschenleeren Forst angenehm losgelöst von der restlichen Welt. Und bevor es zu einsam wird: auf den langen, schnurgeraden Stücken macht sich die Kompanie in Form meines Bruders gleich vielfach bezahlt: losgelöst von Medienkonsum und sonstigen Ablenkungen fokussiert sich das Gespräch mehrfach auf Themen, die sonst selten angesprochen werden – so wie es eben nur beim Wandern möglich ist.
Für Ablenkung sorgt dann ein unerwarteter Blickwinkel: Nachdem bereits nach kurzer Zeit eine Schlange – unserer Expertenmeinung nach eine Ringelnatter – auf dem sandigen Boden gesichtet wird, entfaltet sich dort ein tierisches Schauspiel erster Güteklasse: eine ganze Kolonie kleiner Frösche springt munter vor unseren Füßen herum, nach jedem Hopser wieder kaum zu entdecken, so gut sind sie getarnt. Das heute eher wechselhafte Wetter lockt auch diverse Schnecken aus ihren Mobilwohnheimen und Unterschlupfen, die sich in gemächlichem Tempo durch die feuchte Wüste aus kleinen Erhebungen und tiefen Schuhabdrücken schieben.
Severloher Heide: Spuren am Wegesrand und Donner in der Ferne
Ein wenig landschaftliche Abwechslung bietet das kurze Stück entlang der Severloher Heide sowie einige Zeit später die Wildecker Teiche. Wenn eine Pause nötig ist, eignen sich diese Orte dafür am besten, denn auch Bänke lassen sich heute nur vereinzelt entdecken. Dafür lassen sich die Spuren eines weiteren umtriebigen Waldbewohners finden: kurz hinter einer Forstwegkreuzung ist der Boden an den Seiten des Weges an mehreren Stellen aufgewühlt – es handelt sich ganz deutlich um die Spuren eines Wildschweines, des Ausmaßes nach zu urteilen sogar möglicherweise um eine ganze Rotte.
Nach kurzer Lagebesprechung sind wir jedoch einstimmig der Meinung, dass hier tagsüber keine Wildschweingefahr besteht. Denn obwohl das Dickicht aus Sträuchern, umgefallenen Bäumen und anderem Grün fast undurchsichtig ist, gibt es noch einen weiteren Einflussfaktor: in regelmäßigen Abständen hallen laute Salvenschüsse durch den dichten Wald, hinzu kommen schwere Kanoneneinschläge in der Ferne. Der Weg führt nämlich über mehrere Kilometer direkt am Rand eines ehemaligen Standortübungsplatzes der Bundeswehr entlang, zusätzlich befindet sich im nahe gelegenen Bergen noch ein weiterer aktiver Truppenübungsplatz – woher die Schüsse genau kommen, können wir dabei im weit hallenden Wald nicht einordnen.
Der Himmel zieht zu und die Bäume neigen sich verdächtig im Wind
Auch in der zugegebenermaßen etwas unruhigen Nacht waren schon im Zelt vereinzelte Artillerieschüsse zu hören – heute am Tag, umgeben von Kilometer um Kilometer voll Nadelhölzern, haben wir uns schon daran gewöhnt. Um auf Nummer sicher zu gehen, machen wir trotzdem ein wenig Lärm, um etwaige ungebetene Waldbewohner auf unsere Präsenz aufmerksam zu machen. Dennoch huscht fast schon im nächsten Moment ein flinker Fuchs quer über den Weg – nur eine halbe Sekunde lang – und verschwindet schnellen Schrittes im Unterholz.
Kurz bevor wir das Celler Speckgürtel-Dörfchen Scheuen erreichen, zieht sich der Himmel zu. Das unstete Wetter entscheidet sich endgültig für leichten Regel und vor allem: immer stärkere Windböen. Unversehens klingelt das Handy: Mein Vater weiß, dass wir heute unterwegs sind und gibt Bescheid, dass eine Unwetterwarnung für den Norden herausgegeben wurde. Wie wir später erfahren, haben die Tiefdruckgebiete „Poly“ und „Otto“ für Schulschließungen, umgekippte Bäume und sogar einen Todesfall im Emsland gesorgt.
Die neue Devise: Ruhe bewahren
Kein optimaler Zeitpunkt bei Böen von 120 km/h, um sich in einem Nadelwald aufzuhalten. Während sich die hohen, schmalen Kiefernspitzen immer mehr im Wind wiegen und unangenehm knacken, erhöht sich unser Schritttempo wie von selbst.
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Die neue Devise: Ruhe bewahren und schnell aus dem Forst heraus. Glücklicherweise ist Scheuen nach drei bis vier weiteren Kilometern erreicht, Unterschlupf finden wir nach einigem Umherlaufen in einer kleinen Tankstelle.
Wandern Lüneburger Heide: Heute hatten wir einfach Glück
Die Wetter-App sagt fürs erste keine Besserung voraus, daher wird der Wandertag an dieser Stelle beschlossen. Heute hatten wir einfach Glück, nicht mitten im Wald zu stecken, als es richtig losging. Das Learning lautet daher: Es lohnt sich auch beim Wandern regelmäßig die Wetter-App zu überprüfen und immer einen Notfallplan parat zu haben – auch in Deutschland sind Wildtierbegegnungen und Unwetter niemals leichtsinnig abzutun.