Bispingen/Soltau. Von der entlegenen Heide in den Trubel der Stadt – ein spürbarer Kontrast. Stört es das Wander-Feeling?
Bispingen. Der fließende Übergang von Provinz zur Stadt ist spürbar: Während die letzten Tage von kleinen Dörfern und einzelnen Häusersiedlungen inmitten ausufernder Heideflächen geprägt waren, herrscht in Bispingen gewohnter Alltag. Für mich eine gute Gelegenheit die Vorräte an Blasenpflastern und Lunchpaketen aufzufüllen.
Das heutige Etappenziel in Soltau bedeutet für Wandernde des Heidschnuckenwegs seit Buchholz die erste größere Stadt. Schon in Bispingen geht es geschäftiger zu, als erwartet. Ob sich das aufs Wander-Feeling auswirkt?
Die Luhequelle klingt nach Autobahn
Aus der Gemeinde heraus führt der Weg an Hinterhöfen vorbei und über den Schulhof: links und rechts säumen selbstgebastelte Heidschnucken und bemalte Holzscheiben den Pfad, während die Wanderinnen und Wanderer sich langsam ihren Weg zurück in die Natur bahnen. Das erste Waldstück folgt dabei einem Trimm-dich-Pfad – übermotivierte sind hier gern dazu eingeladen, noch einige Liegestütze mit Gepäck zu versuchen: zu schlagen sind 14 Wiederholungen. Ein erster Geschmack der vorstädtischen Zivilisation ist dies auf jeden Fall.
Bald darauf geht es an den drei Quellteichen der Luhe vorbei, die allerdings stark zugewachsen und somit kaum sichtbar sind – einen schönen Platz für die erste Pause des Tages bietet die dortige Bank dennoch: ein kostenloses Open-Air Froschkonzert gibt es gratis dazu. Die nächsten Kilometer der fünften Etappe sind dann jedoch stark geprägt von Forst- und Wirtschaftswegen der matschigen Sorte, bei denen sich manch einer wohl den anfänglichen Asphaltweg zurückwünschen mag.
Abwechslung hilft, die einzigartige Natur der Lüneburger Heide wertzuschätzen
Heideflächen sind heute nur sehr vereinzelt zu sehen, dafür geht es unter der Autobahn A7 her – deren Autogeräusche auch Großteile der heutigen Strecke begleiten. Während das jetzt zugegebenermaßen nicht sonderlich prickelnd klingt, birgt die Etappe durchaus einige Höhepunkte. Zum einen erwartet die Wandernden einige Kilometer nach der A7-Unterquerung eine größere Heidefläche, die typisch weitläufig und angenehm still ist und ein Stück des Ehbläcksmoors streift.
Außerdem sollte ein wenig Autolärm und die ein oder andere Asphaltstraße nicht die Laune verderben: die Abwechslung beim Wandern hilft schließlich dabei, die einzigartige Natur der Lüneburger Heide noch stärker wertzuschätzen. Und Abwechslung gibt es auf dieser Etappe definitiv: schon bald hinter dem Ehbläcksmoor ist nämlich in der Ferne aufgeregtes Geschrei zu hören, dessen Ursprung auch schon bald zu sehen ist.
Wandern mit Geschrei - am Freifallturm „Scream“ im Heidepark Soltau vorbei
Ein großer Turm reckt sich hinter dem Baumreihen hervor, der in regelmäßigen Abstanden eine Plattform hochfährt, nur um dann mit rasender Geschwindigkeit – und besagtem Gekreische – in die Tiefe zu stürzen. Es handelt sich um die bekannte Attraktion „Scream“ im Heidepark Soltau , an dem der Heidschnuckenweg tatsächlich genau vorbeiführt.
Der Heidepark bietet einen starken Kontrast
Es ist schon ein groteskes Gefühl in voller Wandermontur über den Parkplatz des Heideparks zu laufen und dabei durch eine große Menge an Besucherinnen und Besuchern zu manövrieren. Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich auf der ganzen Wanderung hier die meisten skeptischen Seitenblicke kassiert habe. Pathetisch gesagt: Das isolierte Wanderdasein trifft auf massentouristischen Trubel der ersten Güteklasse. Tauschen möchte ich am heutigen Tag nicht mit den Touristen – sie aber auch sicherlich nicht mit mir.
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Dabei meine weder ich noch vermutlich die Heidepark-Besucher das im Bösen – in diesem Kontext ist es trotzdem eine Begegnung zweier Welten. In jedem Fall ist mir die Geräuschkulisse aus wuseligen Familien und schreienden Besuchern lieber als die Autobahngeräusche.
Schattige Waldpfade bieten einen angenehmen Zugang nach Soltau
Am Heidepark vorbei besteht der Heidschnuckenweg vermehrt aus schattigen Waldpfaden, die einen angenehmen Zugang nach Soltau bilden. Vor allem die Böhme, die der Weg hier mehrfach kreuzt, verschönert die letzten Kilometer ungemein. Wer gegen Ende der anstrengenden Etappe also eine Erfrischung vertragen kann, sollte es sich nicht entgehen lassen, hier die malträtierten Füße oder gleich den ganzen Leib abzukühlen. So lassen sich die letzten Meter bis in die Stadt dann auch leichtfüßig zu Ende bringen.
Kurz vor dem Etappenziel – eigentlich also schon in der Stadt – lässt sich kaum 20 Meter vom Weg entfernt sogar noch ein Reh im Gebüsch blicken. In Soltau angekommen sollte es sich niemand entgehen lassen, die Soltau Therme zu besuchen. Nach einigen Tagen der Wanderung und einigen Nächten im Zelt sind das warme Wasser und die Massagedüsen genau das richtige für geschundene Wandersleut‘.
Besonders zu empfehlen ist das traditionelle Brauhaus Joh. Albrecht
Auch gastronomisch wartet Soltau mit einem breitgefächerten Angebot auf, sodass jeglich-geartetem Appetit gerecht wird. Besonders zu empfehlen ist das traditionelle Brauhaus Joh. Albrecht (vegan-freundlich), das sich praktischerweise direkt neben der Therme befindet und eine vorzügliche Bierauswahl anbietet. Zivilisation hat also auch beim Wandern ihre Vorteile.
Beim Wettstreit Natur vs. Kultur zeigt sich also mal wieder: die Mischung macht es.