Scharnebeck. Jörg Ahlfeld weiß alles über das gigantische Schiffshebewerk Lüneburg. Warum ihn das Bauwerk immer wieder aufs Neue fasziniert

  • Hebewerk soll um Neubau ergänzt werden
  • Freiberuflicher Lotse bringt Gäste nach Scharnebeck
  • Auch auf Schiffen können Besucher das Bauwerk bestaunen

„Hat jemand eine Frage? Dann heiße ich für die nächste Stunde Jörg.“ Jörg Ahlfeld macht es seinen Gästen gern einfach. Dazu gehört das Du – und das ist immer noch wesentlich respektvoller als sein Name während seiner Zeit als Schiffsjunge auf der Wilhelm Burmester, einem Binnentankschiff. „An Bord hieß ich nur ey.“

Die ersten Lacher hat Jörg auf seiner Seite, und mit Sympathie macht alles mehr Spaß. Auch eine Führung am Schiffshebewerk Lüneburg. Das heißt im Übrigen so, obwohl es gar nicht in Lüneburg steht, sondern acht Kilometer weiter in Scharnebeck. Aber sei es drum. Eröffnet 1975, ist das Bauwerk trotz allem technischen Fortschritt noch immer ein Gigant, der Faszination auslöst.

Riesiger Fahrstuhl für Schiffe in Scharnebeck wird langsam zu klein

Auch bei Jörg selbst, in Artlenburg geboren, in Lauenburg aufgewachsen und wohnhaft, waschecht in Finkenwerder Kittel gekleidet und mit Elbsegler auf dem Kopf. „Egal, wie oft ich hier schon Gruppen durchgeführt habe: Ich bin jedes Mal wieder begeistert, wenn ein Schiff im Fahrstuhl runter- oder raufkommt.“ Denn genau das ist das Hebewerk: ein riesiger Fahrstuhl für Schiffe.

Jörg Ahlfeld kleidet sich gern maritim, wenn er Gäste zum Schiffshebewerk führt. Schließlich war er als junger Mann ein Jahr lang Schiffsjunge und lebt seit seiner Geburt an der Elbe.
Jörg Ahlfeld kleidet sich gern maritim, wenn er Gäste zum Schiffshebewerk führt. Schließlich war er als junger Mann ein Jahr lang Schiffsjunge und lebt seit seiner Geburt an der Elbe. © HA | Carolin George

11,5 Meter breit und 100 Meter lang sind die zwei Tröge jeweils. Doch allen Ausmaßen zum Trotz: Der Riese wird zu klein. Die mittlerweile üblichen Schiffslängen von 110 und 135 Metern passen nicht hinein in die „Badewannen“, wie Jörg die Tröge gern nennt. Das zum Zeitpunkt seiner Eröffnung größte Schiffshebewerk der Welt ist heute das größte Nadelöhr Deutschlands.

Bund hat beschlossen, den Giganten um einen Neubau zu ergänzen

Der Bund hat daher bereits beschlossen, das Hebewerk um einen Neubau zu ergänzen: Baubeginn der geplanten Schleuse soll 2026 sein, sechs Jahre Zeit sind kalkuliert und 750 Millionen Euro Kosten. Zum Vergleich: Das Doppel-Senkrechthebewerk hatte 190 Millionen D-Mark gekostet, der gesamte Elbe-Seitenkanal mit 115 Kilometern Länge 1,7 Milliarden.

Apropos Elbe-Seitenkanal: Er ist der Grund, warum es das Hebewerk überhaupt gibt. Auch das erklärt Jörg natürlich seinen Gästen: „Die Elbe ist aufgrund ihrer wechselnden Wasserstände nicht wirtschaftlich schiffbar, und Gedanken einer Kanalisierung sind zum Glück niemals umgesetzt worden. Der Elbe-Seitenkanal verbindet den Hamburger Hafen mit dem Mittellandkanal, von wo aus man weiter bis ans Schwarze Meer fahren kann.“

Eine Möglichkeit, das Bauwerk auf unterhaltsame Weise zu erkunden

Doch einen Stolperstein gab es bei der Planung des Kanals: den natürlichen Höhenunterschied zwischen der flachen Marschlandschaft an der Elbe und der ein paar Kilometer weiter südlich in der Eiszeit aufgeschichteten Geest. Die Lösung war der Megafahrstuhl: Maximal 38 Meter sind es, die die Schiffe hier in drei Minuten Fahrtzeit hinauf- oder heruntertransportiert werden.

 In dem kleinen Park neben dem Schiffshebewerk lässt sich picknicken.
In dem kleinen Park neben dem Schiffshebewerk lässt sich picknicken. © HA | Carolin George

Jeder 135 Meter lange Frachter ersetzt 100 Lastwagen

Den Gästen gefällt die lockere Art des freiberuflichen Hebewerk-Lotsen offensichtlich, sein Geschäft läuft gut. So gut, dass der „60a-Jährige“, wie er sich selbst für den nächsten Lacher nennt, schon zwei weitere Kollegen angeheuert hat. Praktisch: Der eine kann gut Englisch, die Touren werden also international.

Und dem früheren Schiffsjungen gefällt es, den Leuten auch das ein oder andere ganz nebenbei zu erzählen. Zum Beispiel, dass er auf seinem ersten Törn auf einem Binnenschiff exakt 72 Dosen Hühnersuppe als Verpflegung mitnahm. Dass er wettet, dass die neue Schleuse auf Kosten im Milliardenbereich kommt. Dass er trotzdem ein Befürworter des Neubaus sei: weil jeder 135 Meter lange Frachter 100 Lastwagen ersetzt. Und wo auf einem Schiff das Führerhaus steht.

Mindestens eine Stunde ist Jörg Ahlfeld mit jeder Gruppe am Schiffshebewerk unterwegs.
Mindestens eine Stunde ist Jörg Ahlfeld mit jeder Gruppe am Schiffshebewerk unterwegs. © HA | Carolin George

Als eine Dame annimmt, das Schiff müsse nach dem Verlassen des Troges erst einmal wenden, bevor es weiterfahren könne, erklärt er: „Nein, nein, keine Sorge. Das Führerhaus ist immer hinten: Damit man das ganze Schiff im Blick hat.“

Info Weitere Infos zu den Angeboten rund um das Schiffshebewerk Scharnebeck wie etwa dem Informationszentrum mit beweglichem Großmodell gibt es bei der Touristinformation Scharnebeck unter Telefon 04136-9077500 sowie www.scharnebeck.de. Führungen bietet auch das Reisebüro Ihden an: www.ihden.reisen. Informationen zu Touren mit Fahrgastschiffen gibt es unter www.personenschifffahrt-wilcke.de (ab Artlenburg/ Lauenburg) sowie www.msaurora.de (ab Geesthacht).