Königsmoor. Zahnlose Pferde und verwaiste Hühner: Bei Line Firsching dürfen Tiere in Würde altern. Doch der Gnadenhof platzt aus allen Nähten.
Als Reittherapeutin Line Firsching 1996 mit vier jungen und vier „Rentnerpferden“ auf den Eichenmondhof nach Königsmoor zog, fing alles an. „Du hast doch alte Pferde, dann kannst du vielleicht noch welche aufnehmen“, schlugen ihr Bekannte vor. Ja, Line konnte das. Der Hof befand sich schließlich in Familienbesitz, und eine Pferdenärrin war sie allemal. Und dann noch ein paar arme Schafe vor dem Schlachthaus retten? Ja, Line konnte auch das.
Mittlerweile können Line und ihre ehrenamtlichen Helfer auf dem „Pferdeschutzhof Seelengefährten“ kein Tier mehr unterbringen. „Wir sind voll bis unters Dach“, sagt die Tierschützerin.
Pferdegnadenhof Königsmoor: Niemand wird am Telefon einfach abgebügelt
Rund einmal pro Woche erhält sie eine Anfrage für ein bedürftiges Tier. „Retten ist einfach, aber die Tiere dann 20 Jahre zu versorgen, ist schwierig“, erklärt sie: Deshalb gibt es den aktuellen Aufnahmestopp. Und doch wird niemand, der sich im Notfall an sie wendet, einfach abgebügelt.
Immerhin eine Art von Telefonseelsorge kann sie verzweifelten Tierliebhabern anbieten, zuweilen auch Vermittlungshilfe leisten. „Im Gespräch öffnen sich oftmals neue Möglichkeiten“, erklärt sie. Zuhören, ihr Mitgefühl ausdrücken – das ist Ehrensache und Herzensangelegenheit für Line Firsching, Jennifer Singleton und die 18-jährige Praktikantin Undine Malatinec aus Berlin.
Auch das gibt es: Menschen, die ihre alternden Lieblinge „entsorgen“ wollen
Weitere sieben ehrenamtliche Mitarbeiter – vom Jugendlichen bis zum 75-Jährigen – sind auf dem Gnadenhof aktiv. Mit der Zeit haben sie ein Gespür dafür bekommen, wenn Leute ihrer alten Tiere einfach nur überdrüssig geworden sind. Auch das gibt es. Menschen, die ihre ehemaligen Lieblinge „entsorgen“ wollen – und sich vor Verantwortung und Herausforderung drücken.
Line Firsching erzählt von einer Frau, die ihr 31 Jahre altes Pferd anpries mit den Worten: „Es kann sogar noch geritten werden!“ Die Reittherapeutin schüttelt den Kopf. Was sie ihr darauf geantwortet habe? „Na, dann jagen Sie Ihre hundertjährige Oma wohl auch noch durch den Garten.“
Gemeinsam schöne Übergänge schaffen
Sich bewusst machen, dass das Leben endlich ist, Krankheit, Sterben und Tod: Das sind Umstände, die manchem Tierbesitzer zu radikalen Schritten bewegen. Für das Team vom Pferdeschutzhof gehört all das zum täglichen Leben. Die von ihnen betreuten Tiere haben sie rund um die Uhr im Blick, was in kleinen Bereichen besser funktioniert als auf riesigen Weiden.
„Durch Beobachtung kann man vieles verhindern, was Krankheiten und Unfälle betrifft“, weiß Line Firsching aus Erfahrung. Die tierärztliche Versorgung liegt seit rund 27 Jahren in den Händen von Dr. Gunda Kropp-Philipp. „Gemeinsam versuchen wir, schöne Übergänge zu schaffen, was den Abschied erleichtert.“
Zwei Drittel der Pferde sind zahnlos und benötigen Spezialfutter
Rund 90 Tiere sind auf dem Hof untergebracht, darunter 25 Pferde, zwei Esel, fünf Schafe, vier Ziegen, fünf Kaninchen, sieben Katzen, zwei Gänse, vier Laufenten, ein Hahn und mehrere Hühner. Zwei Drittel der Pferde sind zahnlos und benötigen Spezialfutter, das mit Kräutern angereichert wird.
Sie alle sind gekommen, um zu bleiben. Liebevoll umsorgt von den „Karfis“, den karitativen, freiwilligen Helfern und Helferinnen. Jedes Tier hätte eine Geschichte zu erzählen, wenn es denn dazu in der Lage wäre.
Huhn Hildegard überlebte als einzige den Tod ihrer Halterin
So wurde Huhn Hildegard in Buchholz von der Polizei als einzige überlebende Henne auf dem Hühnerhof einer vereinsamt gestorbenen älteren Dame entdeckt und an den Gnadenhof in Königsmoor vermittelt. Die anderen Hühner waren verhungert, weil der Tod der Frau lange unbemerkt geblieben war.
Liebe und Streicheleinheiten gibt es für alle. Besonders gern auch angenommen von den vielen auf dem Hof lebenden Hunden. Manche gehören Line. Für andere ist der Hof eine Pflegestelle von „Vierbeiner in Not“. Sie sind sozusagen auf der Durchreise und werden noch vermittelt. Den Hof zu bewachen, das haben mittlerweile fast alle drauf: Bellend und schwanzwedelnd stürmen sie zum Tor, wenn sich Besucher nähern.
Auf vorherige Anmeldung legen die Königsmoorerinnen großen Wert, denn so eine Führung über den Hof kostet Zeit. Und die ist knapp bei dem engagierten Team. Täglich muss zwischen 7 und 14 Uhr dann noch einmal für zwei Stunden am Abend viel Arbeit erledigt werden. Zu den Routineaufgaben kommt noch die Pflege kranker Tiere, das Besorgen von Futter, Reparieren von Zäunen und Büroarbeiten. Und auch, wenn den Gnadenhof defekte oder vergammelte Spenden erreichen, müssen die von den Helfern entsorgt werden.
Eine Patenschaft für ein Tier ist schon für 10 Euro pro Monat zu haben
Was hingegen richtig hilft, ist die Übernahme einer Patenschaft, die vom Verein Pferdeschutzhof Seelengefährten angeboten wird – und das bereits schon aber einem Betrag von 10 Euro pro Monat. Nach Absprache können die Paten vorbeikommen und ihr Patentier persönlich kennen lernen.
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Für alle Interessierten bieten Line Firsching und Team auch monatliche Führungen an. Und: Beim Hoffest am 27. August ist jeder herzlich willkommen. Auch über weitere ehrenamtliche Helfer und Helferinnen freuen sich Line Firsching, ihr Team und die ihnen anvertrauten Schützlinge. Außerdem kann der Hof ab sofort eine Stelle für den Bundesfreiwilligendienst anbieten.
Neben ehrenamtlichem Engagement und der Übernahme von Patenschaften sind auch Geldspenden immer hilfreich, um die Tiere zu versorgen.
Spendenkonto des Pferdeschutzhofs Seelengefährten bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude, IBAN DE87 2075 0000 0090 5891 51, BIC NOLADE21HAM, PayPal: paypal@pferdeschutzuhof-seelengefaehrten.de