Mutmacher Autorin Maria Köllner gibt auf ihrem Hof Ave bei Buchholz aussortierten Tieren ein Zuhause. Serie über Menschen in Stadt und Land, die Vorbild sind
Sie hat ihren Kindheitstraum am Rande von Buchholz verwirklicht. Dort, wo die Straßen Namen tragen wie Hasenwinkel, Katzenbuckel und Iltisstieg, wo die Häuser gepflegt, die Rasenkanten gerade und die Carports blitzblank gefegt sind, hat Maria Köllner einen Ort geschaffen, der so ganz anders ist als all das Drumherum.
Hinter dem eisernen Gartentor, unter alten Bäumen, dort, wo das Wohngebiet sich im Naturschutzgebiet Klecker Wald verliert, hat die Journalistin und Buchautorin einen Gnadenhof geschaffen, ein Refugium für Tiere, die keiner mehr haben will, die alt oder krank sind. Auf ihrem „Hof Ave“ finden vernachlässigte ausrangierte Zirkustiere, Legehennen aus Massentierhaltung, „ausgediente“ Pferde, Hunde, Katzen und Laufenten ein neues Zuhause und können gut versorgt und in Geborgenheit mit viel Freiheit die letzten Lebensjahre genießen.
Auch, wenn die Arbeit hart ist, die Kosten sie bisweilen an ihre finanziellen Grenzen bringen, es gibt nicht einen Tag, an dem Maria Köllner an dieser Entscheidung zweifelt, ihr Leben mit und für die Tiere zu führen. Zwar gibt es Nachbarn, die den Kopf schütteln, doch zieht der Hof viele tierliebenden Besucher an. Beim Herbstmarkt Ende Oktober tummelten sich 200 Gäste auf dem Gelände und alle staunten, wie harmonisch die unterschiedlichen Tiere miteinander leben. „Diese Harmonie bedeutet für mich schon ein kleines Stück vom Paradies“, sagt Maria Köllner.
Die Entscheidung für ein Leben mit vielen Tieren, hat sie nach dem Krebstod ihres Mannes vor 16 Jahren getroffen. Zu einem Zeitpunkt, als alles vorbei schien und gleichzeitig alles neu begann. Aus der Begegnung mit dem Tod wuchs neuer Lebensmut, schreibt die Autorin in „Der lange Abschied.“
Sie hatten den Tod nicht eingeplant. Nicht so früh. Nicht einmal ein Jahr verging von der Diagnose der Krankheit bis zum Tod. Es war ein schmerzhafter Abschied. Und es brauchte Zeit, bis Maria Köllner begriff, dass sie die Überlebende war. „Mir war plötzlich klar, dass ich das Lachen unserer Tochter ebenso weiter erleben darf wie den Wechsel der Jahreszeiten“, sagt sie.
Sie weiß, dass die Lücke, die ihr Mann hinterlassen hat, nicht auszufüllen ist. Vieles, was bis dahin ihr Leben bestimmt hat, ist verloren. Nicht aber die Träume der Kindheit. Als junges Mädchen hatte sie während des Unterrichts im strengen Mädchengymnasium in Paderborn träumend aus dem Fenster geschaut und die Vision von einer ländlichen Idylle mit Bäumen, Wiesen und vielen Tieren gehabt. Dieser Traum sollte vier Jahrzehnte später wahr werden.
Jede freie Minute verbrachte sie als Kind auf dem benachbarten Gutshof. „Insgeheim habe ich gehofft, der Gutsherr würde mich adoptieren“, sagt sie. Auch, weil ihre Eltern in dem gepflegten Haus keine Tiere wollten – bis auf eine Schildkröte. Heimlich fütterte sie mit Essensresten eine herrenlose Katze und deren Babys, kaufte sich von ihrem Taschengeld auf dem Markt kleine Enten, die sie im Garten aufwachsen ließ.
Tierärztin wollte sie werden. Doch Numerus Clausus und die Tatsache, dass sie nur knapp 50 Kilogramm wog, und zu zierlich ist für eine Arbeit mit großen Tieren war, sprachen dagegen. Noch bevor sie das Abitur in der Tasche hatte, bracht sie die Schule ab.
Noch keine 18 Jahre alt, machte sie ein Volontariat beim Westfalenblatt Bielefeld und wurde Redakteurin. Sie zog nach Hamburg, schrieb für Harburger Zeitungen, arbeitete später auch als Film- und Buchautorin. „Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe, denn durch mein Schreiben und die Filme kann ich Menschen berühren Kindern und Tieren helfen.“
Heute lebt sie mitten in der Natur. Aus dem anfänglichen Hobby entwickelte sich in den vergangenen zehn Jahren eine Lebensaufgabe mit Gewerbeschein und Mitgliedschaft im Maschinenring. Sie lebt mit fast 40 Tieren, drei Kois, zwei Goldfischen, 16 Hühnern und zwei Hähnen, von denen einige aus einer Legebatterie stammen, bei ihr zum ersten Mal in ihrem Leben frei laufen dürfen, zwei Laufenten, vier Ponys, von denen drei Rentner sind und hier ihr Gnadenbrot bekommen, drei Alpakas, zwei Lamas, zwei Katzen und drei Hunden.
Wie sie zu den Tieren kam, welche Hürden sie überwinden musste und woher sie die Kraft nimmt, Verantwortung für so viele Lebewesen zu tragen, erzählt Maria Köllner in ihrem Buch „Die Lamafrau“. Sie hat die Geschichte 2012 aufgeschrieben, 2017 wird die Fortsetzung erscheinen. Ihre Botschaft: „Sei mutig! Lebe dein Leben! Wir verpassen viele Chancen und ganz viel Glück in unserem Leben, wenn wir uns nicht trauen, neue Wege zu gehen.“
Ihr erster „Bewohner“ wird Sancho, ein ehemaliges Zirkuslama. Sie holt ihn wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes zu sich und nimmt dem grimmigen Zirkusdirektor auch noch drei Hängebauchschweine ab, die er nicht mehr haben will. Das ist der Anfang. Nebenbei arbeitet sie als Autorin, dreht weiter Dokumentationen fürs Fernsehen.
2008 bringt sie gemeinsam mit ihrer Tochter Victoria das Magazin Mensch&Natur heraus. Viele Geschichten und Fotos für die Zeitschrift ergeben sich aus dem Leben mit den Tieren. Im Oktober 2013 übernimmt der Jahreszeiten Verlag den Titel, der inzwischen eingestellt wurde.
Damit es allen Tieren gut geht und die ständigen Tierarztkosten nicht zum Problem werden, hat die Buchholzerin drei Alpakas — die allerdings aus vorbildlicher Haltung — angeschafft, und das auch mit einem geschäftlichen Hintergrund. Hannibal, Dór und Snowflake heißen die drei Wallache, mit denen sie unterschiedliche Touren in den nahegelegenen Forst Rosengarten anbietet, zum Beispiel „Ladys-Runden“ nur für Frauen oder für überarbeitete Herren die „Stress-Verschwinde-Tour“ und jetzt im Winter „Punsch-Touren“, außerdem fertigt eine Brandenburger Manufaktur für sie Alpaka-Bettdecken und handversponnene Wolle von den Tieren. 2017 will sie mit einer befreundeten Therapeutin Alpaka-Workshops gegen Stress- und Burnout anbieten.
„Ich werde oft gefragt, welches mein Lieblingstier ist“, erzählt Maria Köllner. „Wie in einer großen Familie mit vielen Kindern liebe ich sie alle gleich. Allerdings können die Alpakas einen mit ihrem Charme und ihren putzigen Gesichtern regelrecht betören. Ich freue mich schon jeden Morgen beim Wachwerden sie wiederzusehen.“
Auch wenn das Leben mit den vielen Tieren viel Arbeit macht, morgens um 8 und abends um 18 Uhr gefüttert wird, die Sorgen nicht abreißen, wenn wieder eines erkrankt ist, der Habicht „zugeschlagen“ hat, Stallpflicht wegen der Vogelgrippe viel Mühe bereitet, macht Maria Köllner weiter. Urlaub war in den letzten Jahren nicht möglich, höchstens mal ein Kurzbesuch bei den Töchtern in Madrid oder München.
„Ich vermisse meine Tiere schon beim Kofferpacken“, sagt sie. Darum hat sie sich kurzerhand den lustigen Zwergpudel Chiquita angeschafft, den sie einpacken und mitnehmen kann. „Dann habe ich immer einen dabei. Die Tiere bringen mich zum Lachen. Sie geben mir Ruhe und sie trösten mich, wenn in meinem Paradies mal gerade nicht die Sonne scheint“, sagt Maria Köllner. „Und sie geben jedem Tag einen Sinn.“
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