Königsmoor. Am Anfang spielten sie vor muhenden Kühen. Heute feiert die Laienspielgruppe Wümme-Königsmoor 75. Geburtstag – mit einer turbulenten Komödie.

Mit ihren 75 Jahren ist die Laienspielgruppe Wümme-Königsmoor gerade mal sechs Jahre jünger als ihr Mitglied Herbert Fricke (81). 1948 wurde sie gegründet: Sinn und Zweck des Theaterspiels sollte die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der beiden Ortschaften Wümme und Königsmoor sein. Da nach dem Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge mit den unterschiedlichsten Dialekten hier ein neues Zuhause gefunden hatten, sollte sowohl auf Hochdeutsch als auch auf Plattdeutsch gespielt werden.

„Hochdüütsch weer mien erste Fremdsprook“, gesteht Herbert Fricke breit lächelnd. Sein Schauspiel-Debüt gab er 1958 in „Sprotten ut Mottenburg“. Was waren das für Zeiten. Die Bretter, die für den Wümmer Teenager die Welt bedeuteten, waren statt städtisch vornehm eher bäuerlich rustikal. Im Vereinslokal von Hermann Albers in Wümme wurde nicht nur geprobt, dort fanden auch die Aufführungen statt.

Die Kühe waren bei den Auftritten friedlich wiederkäuend live dabei

Im Winter wurde auf der Diele gespielt. Aber erst, nachdem das Vieh versorgt wurde. Und das war beim anschließenden Spiel links und rechts der Bühne quasi live dabei, friedlich wiederkäuend oder sich auch mal mit Muh-Rufen bemerkbar machend. Mit einem zünftigen „Danz op de Deel“ ging ein solcher Theaterabend stets seinem feucht-fröhlichen Ende zu. Dass die Theaterstücke im Sommer vor der Ernte in der Scheune aufgeführt wurden, war „Ährensache“.

Herbert und Elsa Fricke schwelgen in Erinnerungen. Frickes Vater gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Laiengruppe.
Herbert und Elsa Fricke schwelgen in Erinnerungen. Frickes Vater gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Laiengruppe. © HA | Marion Wenner

Als Kulissen dienten mit Packpapier bespannte Leisten, Wehrmachtswolldecken wurden zu Vorhängen. Eine Spende des Vereinswirts ermöglichte 1951 die Anschaffung stabiler, transportabler Kulissen. Nur wenige Jahre später zog die Laienspielgruppe mit Proben und Aufführungen um nach Königsmoor in die neu errichtete Gastwirtschaft „Moorklause“. Im Frühjahr wurde stets ein plattdeutscher Mehrakter aufgeführt, und zu den jährlichen Erntefesten stand ein Einakter auf dem Programm.

Einer der Schauspieler ist Tischler und baut die Bühnenbilder selbst

1980 dann der nächste und letzte Umzug in die von der Gemeinde Königsmoor errichtete Moorhalle. Ein Jahr später stieß Herbert von Schassen (jetzt 69) zu der Laienspielgruppe. Ein Glücksgriff, denn er spielte nicht nur aktiv mit, sondern übernahm als Tischler wie selbstverständlich den Bühnenbau – und das bis zum heutigen Tag. 25 Jahre hat er dem Verein als zweiter Vorsitzender gedient. Exakt so lange, wie Herbert Fricke erster Vorsitzender war, bis er aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste.

Damit für jeden der Laienschauspieler eine Rolle dabei ist, hatten die zwei damals viel Mühe und Liebe in die Auswahl der Stücke investiert. „Wir sind sogar mal zum Theaterverlag Karl Mahnke nach Verden gefahren, um in den Büchern zu stöbern“, erinnert sich Herbert Fricke. Heutzutage würden die jungen Leute die Stücke im Internet auswählen und die Mitspieler nicht über das Telefon zu den Proben bestellen, sondern per WhatsApp.

Ehefrau Elsa organisierte 20 Jahre lang Kuchen und Torten für die Aufführungen

Das Plattschnacken wurde dem ehemaligen Vorsitzenden praktisch in die Wiege gelegt, denn gemeinsam mit dem damaligen Wümmer Lehrer Günther Spenst gehörte Herberts Vater Christoph Fricke 1948 zu den Gründungsmitgliedern der Theatergruppe.

Hilke Martens (v.l.), Michael Tollmien und Herbert Fricke bei einer Aufführung im Jahr 2011.
Hilke Martens (v.l.), Michael Tollmien und Herbert Fricke bei einer Aufführung im Jahr 2011. © HA | Marion Wenner

Seine Ehefrau Elsa organisierte 20 Jahre lang Kuchen und Torten für die Sonntagsaufführungen. Beide schwelgen in Erinnerungen an die Kappenfeste mit plattdeutschen Büttenreden und an die schönen Ausfahrten nach Rügen, in den Spreewald und an den Bodensee, die das Team der Aktiven eng zusammenschweißten.

Kein Wunder, dass Herbert Fricke bekannt ist wie der sprichwörtliche bunte Hund

Sie knüpften viele Freundschaften mit Laienschauspielern anderer plattdeutscher Theatergruppen in den benachbarten Landkreisen. Kein Wunder, dass Herbert Fricke bekannt ist wie der sprichwörtliche bunte Hund. Ein glückliches Lächeln überstrahlt sein Gesicht, wenn er erzählt, ihn hätte neulich jemand an einer Tankstelle in Scheeßel angesprochen mit den Worten: „Du büst doch Herbert vunne Wümm!“ Dor hett he sick bannig freit.

Im Juli vorigen Jahres legten Herbert Fricke und Herbert von Schassen ihre Ämter in jüngere Hände. Michael Tollmien ist nun zweiter Vorsitzender, und der 35-jährige Holger Lührs erster Vorsitzender. Gemeinsam mit Ehefrau Sabrina spielt der bei einem Hamburger Futtermittelunternehmen tätige Disponent seit 2016 in der Laienspielgruppe mit. Und auch bei dem aktuellen Stück „Dree Kööm un een Söten toveel“ ist das Paar mit von der Partie. Der Dreiakter, geschrieben von Yvonne Struck und ins Plattdeutsche übersetzt von Heino Buerhoop, sollte eigentlich schon 2020 aufgeführt werden. Doch wegen der Pandemie wurde er erstmal auf Eis gelegt.

Die turbulente Komödie wird am 17., am 18. und am 19. März aufgeführt

In dem lustigen Stück geht es um Tom (Holger Lührs), der am Tag nach einer Betriebsfeier erhebliche Gedächtnislücken hat. Von seinem Freund Freddy (Daniel Behrens) erfährt er, dass er am Abend sowohl mit Chefsekretärin Janine (Désirée Tollmien) und Kollegin Annika (Sabrina Lührs) geknutscht hat – und sich anschließend mit beiden verlobte. Als ihm die Damen am selben Tag einen Besuch abstatten wollen, muss Tom verhindern, dass die eine der anderen begegnet. Das Chaos wird noch größer, als seine Mutter (Petra Marquardt) und eine neugierige Nachbarin (Hilke Martens) auftauchen. Kurzweilige, lustige Unterhaltung ist garantiert. Ganz so, wie es die Fans und Freunde der Laienspielgruppe Wümme-Königsmoor seit nunmehr einem Dreivierteljahrhundert gewohnt sind.

„Dree Kööm un een Söten toveel“: Aufführungen am Freitag, 17. März und Sonnabend, 18. März, 20 Uhr (Eintritt: 9 Euro) sowie Sonntag, 19. März, 14 Uhr, mit Kaffee und Kuchen (Eintritt: 14 Euro).