Landkreise Harburg und Stade. Steigende Einsatzzahlen und Personalmangel: Die Landkreise Harburg und Stade investieren Millionensummen in das Rettungswesen.
Die Rettungsdienste sind massiven Belastungen ausgesetzt – auch in der Region. Eine aktuelle Befragung der Gewerkschaft Verdi belegt die gestiegene Arbeitsbelastung: „Die ohnehin hohe Belastung von Beschäftigten im Rettungsdienst hat sich seit Beginn der Corona-Krise nochmals deutlich verschärft“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, bei der Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse. 39 Prozent der Befragten hätten angeben, sie würden sofort den Beruf wechseln, falls sie die Gelegenheit dazu bekämen. „Das muss alle aufrütteln“, so Bühler. Arbeitgeber und politisch Verantwortliche müssten dringend reagieren.
Landkreis Harburg: Die Einsätze steigen von Jahr zu Jahr
Auch im Landkreis Harburg steigen die Einsätze von Jahr zu Jahr. Im vergangenen Jahr wurden 27.000 Rettungseinsätze gezählt, wie Landkreissprecher Bernhard Frosdorfer dem Abendblatt bestätigte. Der Landkreis kann auf sieben Rettungswachen mit 24-Stunden-Betrieb und einen Interimsstandort mit Tagesbetrieb zurückgreifen. Im vergangenen Jahr wurden in Tostedt und in Nindorf bei Hanstedt neue Rettungswachen für insgesamt rund 2,5 Millionen Euro eingeweiht. Und auch künftig soll weiter investiert werden, so Frosdorfer: „Der Ausbau der Rettungswachen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist im Kreis seit Jahren ein großes Thema.“
Es gebe für die Sicherheit der Menschen im Landkreis kaum etwas wichtigeres als genügend Wachen und genügend Rettungswagen. Das größte Problem bei den Planungen anhand eines regelmäßig zu aktualisierenden Bedarfsplans sei der Fachkräftemangel, so Frosdorfer. „Trotzdem haben wir es im vergangenen Jahr geschafft, aufzustocken.“
Modernisierung der Rettungswache in Lindhorst, Umgestaltung in Winsen
Doch der Landkreis Harburg als Bauherr steht zur Stärkung der Rettungsdienste vor weiteren Herausforderungen. Die aktuelle Planung sieht die Modernisierung der Wache in Seevetal-Lindhorst vor. „Zusätzlich arbeiten wir auch an der Umgestaltung der Rettungswache in unserer Kreisstadt Winsen und werden dafür sorgen, dass die Interimswache in der Samtgemeinde Elbmarsch dort einen dauerhaften Standort findet“, so Frosdorfer. Nach Abendblatt-Informationen dürfte dieser in Marschacht liegen. Aktuell befinden sich die Rettungswachen in Winsen, Eichholz, Nindorf, Tostedt , Buchholz, Elstorf und Lindhorst sowie übergangsweise in Hittfeld. Dieser Standort wird aufgegeben, sobald die geplante Erweiterung der Wache Lindhorst zur Verfügung steht.
Im Kreistag bleibt die Errichtung zusätzlicher Rettungswachen und die Modernisierung von bestehenden Standorten in der Region weiterhin ein Thema. So hat die Gruppe Grüne/Linke im Kreistag für die kommenden Sitzungen des Ausschusses für Ordnung und Feuerschutz beantragt, den jeweils „aktuellen Stand zum Neubau von Rettungswachen im Landkreis Harburg“ als ständigen Tagesordnungspunkt aufzunehmen.
Landkreis Stade: An vier Standorten entstehen neue Wachen
Im Kreistag und in der Verwaltung des Landkreises Stade steht das Rettungswesen ebenfalls im Fokus. Dort wurden im vergangenen Jahr rund 18.700 Krankentransporte durchgeführt sowie rund 21.500 Notfalleinsätze. Dazu kommen noch rund 10.400 sonstige Einsätze. An vier Standorten im Kreis entstehen neue Wachen: „Sie werden nach den neuesten einsatztaktischen und ökologischen Standards gebaut“, so Landkreissprecher Daniel Beneke. Dafür investiert der Kreis Stade in den kommenden Jahren deutlich mehr als zehn Millionen Euro.
Aktuell gibt es in Buxtehude, Stade, Horneburg, Bargstedt, Himmelpforten, Drochtersen und Freiburg Rettungswachen. Rettungskräfte des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter Unfallhilfe und von Falck fahren die Einsätze. Die Notärzte starten direkt von den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude. Alle Wachen sind rund um die Uhr besetzt.
Landkreis Stade investierte 25.000 Euro in ein Gutachten
Ausgangspunkt für die aktuellen Veränderungen ist der 2017 vom Stader Kreistag beschlossene Rettungsdienstbedarfsplan. Ein Gutachter hatte die sieben Standorte untersucht und Empfehlungen für eine Neuausrichtung zusammengestellt. Insgesamt 25.000 Euro ließ sich der Kreis diese Expertise kosten. Wichtiges Kriterium ist die gesetzlich festgeschriebene Hilfsfrist. In 95 Prozent aller Ernstfälle muss der Rettungsdienst spätestens binnen 15 Minuten am Notfallort eintreffen. Zurzeit halten die Sanitäter die Vorgaben ein, nach Umsetzung der Optimierungsvorschläge sollen sie noch früher ankommen. In Randlagen helfen auch Kräfte aus den Nachbarkreisen Rotenburg, Harburg und Cuxhaven den Stader Kollegen aus.
Einzelne Versorgungslücken machte das Gutachten in Teilen des Alten Landes aus, hier wurde die Hilfsfrist bisweilen nicht eingehalten. Deswegen wird die bisher in Horneburg ansässige Rettungswache nach Guderhandviertel verlegt, wo der Landkreis Stade ein Grundstück im verkehrsgünstig gelegenen Gewerbegebiet am Ortsausgang in Richtung Dollern beziehungsweise Autobahn 26 erwerben konnte. Erste Bauarbeiten sind bereits gestartet. Mit der Fertigstellung wird Ende des dritten Quartals oder Anfang des vierten Quartal 2023 gerechnet. Die Wache soll rund zwei Millionen Euro kosten.
In Drochtersen und Harsefeld entstehen neue Rettungswachen
Auch in Drochtersen und Harsefeld entstehen neue Rettungswachen mit Platz für zwei Rettungswagen sowie Büro-, Sozial- und Lagerräumen in einem Investitionsvolumen von ebenfalls jeweils rund zwei Millionen Euro. Außerdem platzt die Rettungswache in Stade-Wiepenkathen aus allen Nähten, Erweiterungsmöglichkeiten im Bestand gibt es nicht.
Der Landkreis konnte ein Grundstück am Ohle Kamp kaufen, dort soll der Neubau realisiert werden – im Landkreis Stade das größte Projekt im Bereich Rettungsdienst für die kommenden Jahre. Kurz vor Weihnachten ist der Architektenvertrag unterschrieben worden, jetzt startet die Detailplanung. Eine abschließende Kostenkalkulation liegt noch nicht vor, für das laufende Jahr sind aber bereits 2,4 Millionen Euro im Haushalt eingeplant.
Zudem stockt der Landkreis Stade die Kapazitäten im Rettungsdienst auf. Weil die Krankenkassen nicht alle anfallenden Kosten tragen wollen, soll eine halbe Million Euro aus dem Kreishaushalt bereitgestellt werden. Der Kreistag gab dafür bereits grünes Licht, denn die Anforderungen an die Notfallsanitäter und die Einsatzzahlen steigen stetig. Hinzu kommt: Die Kliniken entlassen nicht mehr nur tagsüber Patienten, sondern auch abends, nachts und am Wochenende.
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Patienten aus dem Umland werden nach Stade und Buxtehude transportiert
Außerdem hat die Schließung von Kliniken in den Nachbarkreisen dazu geführt, dass vermehrt Patienten aus dem weiteren Umland in die Elbe Kliniken nach Stade und Buxtehude transportiert werden und durch den Rettungsdienst des Kreises Stade wieder zurückgefahren werden müssen. Die Einsatzdauer hat sich im Bereich der Krankentransporte stark erhöht, weil die Fahrtwege länger geworden sind.
Im Landkreis Harburg ist die Kostenübernahme durch die Krankenkassen aktuell kein Problem, wie Bernhard Frosdorfer bestätigt. „Das ist eine Sache von Verhandlungen, und bisher waren wir da erfolgreich“, sagte der Landkreis-Sprecher.