Boizenburg. Ein Naturkunstwerk in Boizenburg an der Elbe ist ein Fest für alle Sinne. Wer es besuchen möchte: Unbedingt an Kopfhörer denken!
Hier lohnt fast eine Wette: Wetten, dass Sie das, was Sie bei diesem Ausflug nach Boizenburg rund 30 Kilometer nordöstlich von Lüneburg erleben können, nirgendwo sonst in unserer Umgebung erleben? Wenn doch, können wir an dieser Stelle für die verlorene Wette leider keinen ausgeben.
Dieses Erlebnis ist faszinierend, ob nun einzigartig oder nicht, allemal. Wer nicht weiß, was hinter dem Boizenburger Hafen auf einen zukommt, wird vermutlich erst einmal stehenbleiben und einfach nur gucken. Versuchen zu ergründen, was das da ist auf der Wiese etwas unterhalb des Weges. Dieses grüne Etwas ist aus Weiden gebaut, das lässt sich schnell erkennen, aber ist es eine Naturkirche, ein Unterschlupf für Nistvögel, eine Freiluftkonzertbühne, eine Skulptur?
Ausflug nach Boizenburg: Klangkünstlerin komponiert eigene Suite für den Weidengang
Vielleicht ist es von allem ein bisschen. Denn es ist der Einstieg in den Weidenschneck, ein Kunstwerk aus Weiden, 2005 im Auftrag der Stadt erbaut. Auslöser war der Weidendom bei der Internationalen Gartenschau 2003 in Rostock, erzählt Tourismuschefin Petra Götz.
Die Tourismuschefin stellte einen Antrag bei der EU – der Coup gelang
„Ich fand das großartig: ein Baumwerk anstelle eines Bauwerkes.“ Götz nahm Kontakt auf zu den Erbauern auf, der Künstlergruppe „Sanfte Strukturen“. Stellte einen Förderantrag bei der Europäischen Union – und der Coup gelang.
Gemeinsam mit etlichen helfenden Händen aus Boizenburg entstand der Weidenschneck mit angrenzendem Wandelgang. „Uns war es wichtig, eine Verbindung zur historischen Altstadt zu haben“, erklärt Götz. 450 Meter ist der Gang durch die Weiden lang, besteht aus 160 Elementen zu 15 Formen gestaltet. Jede Form symbolisiert ein Musikinstrument. „Nach all den Jahren sind die Formen teils verwachsen und nicht mehr so gut erkennbar“, sagt Petra Götz.
Durch die gebogenen Äste zu spazieren ist spektakulär – weil es so beruhigend ist
Daher ist geplant, das Kunstwerk demnächst gemeinsam mit den Erbauern und der Stadtbevölkerung zu, ja, wie sagt man, restaurieren? In Form zu bringen jedenfalls. Doch auch wenn hier nicht mehr alles perfekt sein mag: Durch die gebogenen, zu Toren geformten Äste zu spazieren, ist allein deswegen schon spektakulär, weil es so beruhigend ist.
Und seit diesem Frühjahr lässt sich das Wandeln in Richtung Altstadt zu einem Spaziergang mit Konzert machen: Die Komponistin und Klangkünstlerin Dorle Ferber hat in Zusammenarbeit mit dem Musiker Jojo Büld eine Suite komponiert, eigens für diesen Ort geschaffen. So machen zwar die Blätter gemeinsam mit dem Wind Musik, die Vögel und das Wasser – doch zusätzlich auch vom Menschen gebaute Instrumente.
Über einen QR-Code geht es per Smartphone ohne Umwege zur Audiodatei, wer Kopfhörer dabei hat, wird das Erlebnis noch intensiver spüren, sich noch ein wenig weiter weg von der restlichen Welt fühlen. Exakt 23,08 Minuten dauert die Suite, ein Abtauchen in die Gelassenheit. Wer noch ein wenig durch das Städtchen spazieren möchte, kommt automatisch am Marktplatz vorbei mit seinem barocken Rathaus, 1711 erbaut und 1996 umfangreich saniert, mit Touristinformation, Eiscafé und Café Marie des Lebenshilfewerkes Hagenow. Die St. Marien Kirche zählt leider nicht zu den regelmäßig geöffneten Kirchen – schade, denn ihr Turm ist von weithin sichtbar, zu gern würde man sie auch von innen betrachten können.
Das Fliesenmuseum ist weit über die Grenzen von Boizenburg bekannt
Wer Fliesen mag, besonders die aus der Zeit der vorindustriellen Fertigung, dem sei das Erste Deutsche Fliesenmuseum empfohlen, denn dafür ist Boizenburg weit über die regionalen Grenzen hinweg bekannt. Noch ein Tipp: die Wallanlage nicht verpassen! Vorbei an dem reich mit Porzellankannen geschmückten Haus an der Ecke Klingbergstraße/Fiefhusen, geht es von der Klingbergstraße am nördlichen Ende des alten Stadtkerns in Richtung Wall: ein paar Meter, und schwupps, wähnen wir uns in einer beinahe anderen Welt.
Wer ein Rad dabei hat oder gern ein Stück zu Fuß geht, braucht die 2,5 Kilometer zum Aussichtsturm Elvkieker nicht zu scheuen: Der Blick über die Elbtalaue von dort oben lohnt den Abstecher wirklich.
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Die Biosphärenreservatsverwaltung hat dort außerdem die interaktive Freiluft-Ausstellung „EinFlussReich“ gebaut, über das Leben an und mit der Elbe. Und auf dem Weg dorthin, wenige hundert Meter vorher, beschäftigt uns unsere Geschichte: Eine Baracke des ehemaligen KZ-Außenlagers für ungarische Zwangsarbeiterinnen der Elbewerft ist hier erhalten ebenso wie der einstige Transit-Kontrollturm „Checkpoint Harry“.
Öffentlich zugängliche Tafeln informieren auch außerhalb von Öffnungszeiten über die Historie der deutsch-deutschen Grenze, aufgestellt vom Elbbergmuseum. Wer die Tafeln durchgelesen hat, wird anschließend mit anderen Augen über die Elbe blicken.