Landkreis Harburg. Gegner einer neuen Trasse durch den Landkreis Harburg werfen der Bahn vor, sich nicht an gesetzliche Vorgaben zu halten.
Auf welcher rechtlichen Grundlage plant die Deutsche Bahn den Neu- beziehungsweise Ausbau der Bahnstrecke Hamburg-Hannover? Gegner der Neubaustrecke durch den Landkreis Harburg werfen der Deutschen Bahn in einer aktuellen Pressemitteilung vor, sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben gehalten zu haben. Die Bahn betont, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei.
Auslöser des Streits ist ein Dokument, das der Projektbeirat Alpha-E im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes vom Eisenbahnbundesamt erhalten hat. In diesem Planungsauftrag aus dem September 2017, der dem Abendblatt vorliegt, werden die Grundlagen für eine Planung des Bahnprojekts Hamburg-Hannover beschrieben. Er gründet auf den Projektplanungen des Bundesverkehrswegeplans 2030. Dieser wurde 2016 von der Bundesregierung beschlossen und enthält die geplanten Investitionen des Bundes in Verkehrswege wie Bahnstrecken oder Autobahnen.
Bahntrasse: Was im Planungsauftrag steht, sorgt beim Projektbeirat für Irritationen
Was in dem jetzt bekannt gewordenen Planungsauftrag steht, sorgt beim Projektbeirat Alpha-E für Irritationen. Unter anderem geht aus dem Plan hervor, dass unterschiedliche Abteilungen der Deutschen Bahn sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer für das Projekt „Ausbaustrecke/Neubaustrecke Hamburg-Hannover/Lehrte“ seien. Diese Beauftragung sei jedoch in Abstimmung mit dem Eisenbahnbundesamt erfolgt, hieß es vom Projektbeirat. Aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr gebe es keinen schriftlichen Auftrag. Bei dem Planungsauftrag handele es sich um einen üblichen internen Vorgang der Deutschen Bahn für ein Projekt, heißt es dagegen vom Bundesverkehrsministerium.
Einen offiziellen Auftrag vom Ministerium brauche es nicht, da das Parlament mit dem Beschluss der Bedarfspläne des Bundesverkehrswegeplans die Grundlage für solche Planungen lege.
Reduzierung der Fahrzeit zwischen Hamburg und Hauptbahnhof Hannover
Das Bahndokument gibt zudem vor, welche Ziele mit einem Aus- oder Neubau erreicht werden sollen. Im Mittelpunkt steht dabei, dass mehr Güter- und Personenzüge auf der schon seit Jahren stark belasteten Route zwischen Hamburg und Hannover fahren können. Zudem sei eine Reduzierung der Fahrzeit zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof und dem Hauptbahnhof in Hannover anzustreben und ein besserer Nahverkehr zu ermöglichen. Um das zu erreichen, sei eine „Ausbaustrecke mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250/230 km/h mit gegebenenfalls zusätzlichen fahrplanbasierten Maßnahmen und Ortsumfahrungen“ Gegenstand der Maßnahmen.
Das bedeutet demnach, dass vor allem der Ausbau der bereits bestehenden Bahnstrecke entlang Lüneburg und Celle im Fokus der aktuell laufenden Vorplanungen stehen sollte. Um Lüneburg stehe eine Neubaustrecke von Radbruch bis Deutsch Evern und teilweise ein Neubau bis südlich von Uelzen in dem Planungsauftrag. Es ergebe sich keine Legitimation für die Planungen einer bestandsfernen Trasse in der Nähe der Autobahn 7, teilte der Projektbeirat Alpha-E mit, ein vehementer Gegner dieser möglichen Neubaustrecke.
Vorplanungen für bestandsferne Strecken, die gar nicht beauftragt wurden?
Dabei ist diese Variante nach aktuellen Aussagen der Deutschen Bahn die einzige, die das Kosten-Nutzenverhältnis erfüllen würde. „Wir sind erschrocken darüber, dass sich die DB Netz AG von Anfang an nicht an die gesetzlichen Vorgaben des Bundesschienenwegeausbaugesetz in Verbindung mit dem Bundesverkehrswegeplan gehalten hat. Darüber hinaus wurden sogar Vorplanungen für bestandsferne Strecken erstellt, die gar nicht beauftragt wurden”, sagten die beiden Sprecher des Projektbeirates, Peter Dörsam und Joachim Partzsch.
Die Deutsche Bahn widerspricht. Die Planungen für den Abschnitt Hamburg- Hannover würden auf dem Bundesschienenwegeausbaugesetz gründen. In diesem ist wiederum der Bundesverkehrswegeplan integriert. Dort ist das Projekt als Ausbaustrecke/Neubaustrecke ausgewiesen. Daraus lasse sich ableiten, dass die Deutsche Bahn gesetzlich dazu verpflichtet sei, mehrere Varianten zu prüfen, hieß es vonseiten der Deutschen Bahn.
Die drei Kernziele seien dabei: „Mehr Platz auf der Schiene, ein positives Kosten-Nutzenverhältnis und eine schnelle Fahrzeit von 59 Minuten zwischen Hamburg und Hannover.“
Bei der Ausarbeitung fehlt bisher aber eine Empfehlung für eine Vorzugsvariante
Dies würde in der Planungsbegleitung mit den Bundesbehörden regelmäßig abgestimmt werden. Fest steht, dass die Planer der Bahn im Dezember vier Streckenvarianten ans Bundesverkehrsministerium geschickt haben. Bei der Ausarbeitung fehlt bisher aber eine Empfehlung für eine Vorzugsvariante (wir berichteten). Das Verkehrsministerium und die Bahn stünden dazu in einem engen Austausch, erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.
Der Deutsche Bundestag kann sich erst für eine Variante entscheiden, wenn diese Empfehlung vorhanden ist. Die Abgeordneten müssen sich dabei nicht an die Vorzugsvariante halten. Wann die Abstimmung stattfindet, ist aktuell noch nicht geklärt.
Dabei scheint dies bisher nicht die einzige Verzögerung im Zeitplan der Planungen gewesen zu sein. Wie im Planungsdokument vermerkt ist, sollten die Vorplanungen bereits Ende 2020 abgeschlossen werden – ohne zu wissen, dass es eine Pandemie geben würde. Durch die längeren Planungen dürften auch die bisher angefallenen Kosten gestiegen sein.
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Bahntrasse Alpha E: Planungskosten von etwa 470 Millionen Euro
2017 rechnete die Bahn noch mit Ausgaben von 56,4 Millionen Euro für die Planungsphasen 1 und 2, in der sich das Projekt aktuell befindet. Bis zu einer möglichen Inbetriebnahme einer Neu- oder Ausbaustrecke waren Planungskosten von etwa 470 Millionen Euro vorgesehen. Die Gesamtkosten für das Projekt liegen inklusive der in den letzten Jahren gestiegenen Baukosten bei über 3,5 Milliarden Euro.
Laut dem internen Planungsauftrag solle der erste Zug 2036 über die aus- oder neugebaute Strecke fahren. Diesen Zeitplan sehen selbst Bahnmitarbeiter im Moment kaum mehr einzuhalten.