Buxtehude. Während in Buxtehude viele Altbauten abgerissen werden, bleibt ein markanter Eckbau von 1910 stehen. Warum das so ist, erklärt der Architekt.

Ein Friseur hatte einmal im Erdgeschoss seinen Betrieb, zuletzt dann eine Änderungsschneiderei. Und natürlich wurde in dem um 1910 gebauten Haus an der Hauptstraße im Buxtehuder Stadtteil Altkloster auch gewohnt. Mit hohen Decken und Holzdielen – so wie in vielen Altbauten hier. Als nun die Vorhänge an den Fenstern verschwanden und Bauarbeiter anrückten, dachten Nachbarn, dass dem markanten Eckbau das gleiche Schicksal droht wie etlichen anderen älteren Gebäuden des Stadtteils: Ein Abriss und Neubau, der angesichts hoher Bodenpreise und teurer energetischer Ansprüche oft wirtschaftlicher erscheint als ein Erhalt.

Vielerorts verschwinden daher gewohnte Straßenbilder, auch und ganz besonders in Altkloster, wo bereits eine Bürgerinitiative (wie berichtet) gegen einen aus ihrer Sicht zu massiven Abriss protestiert und von der Stadt mehr Rücksicht auf das Stadtbild verlangt. Doch im Fall des Eckhauses braucht sich die Gruppe offensichtlich keine Sorgen zu machen.

Wohnen in Harburg: „Wir wollen auch einmal zeigen, dass es anders geht“

„Wir wollen auch einmal zeigen, dass es anders geht“, sagt Mit-Eigentümer Thorge Evers. Der 44-jährige Buxtehuder Architekt hatte mit seinen zwei Brüdern das Haus von ihren Eltern übernommen und plant jetzt eine umfangreiche Sanierung, am Ende sollen dort sechs Wohnungen unterschiedlicher Größe entstehen. Wobei das Gebäude dann sogar als Effizienzhaus in Sachen Energieeinsparung und Klimaschutz höhere Anforderungen als ein vergleichbares Standardhaus erzielen wird.

So war es bisher oft im Stadtteil Altkloster: Wo eben noch die gelbe Villa stand…
So war es bisher oft im Stadtteil Altkloster: Wo eben noch die gelbe Villa stand… © HA | Axel Tiedemann

Damit wurde dann auch eine staatliche Förderung erreicht, die eine solche Altbau-Sanierung wohl einfacher machte. Dennoch ist ein solches Projekt auch immer wieder mit Überraschungen verbunden, die einen Erhalt weniger gut planbar machten als eben Abriss und Neubau, weiß Baufachmann Evers.

Bauträger scheuen diesen Weg, wenn sie Altbauten aufgekauft haben

Gerade Bauträger scheuen daher diesen Weg, wenn sie Altbauten aufgekauft haben, vermutet er. Doch Sanierung satt Abriss ist aus Umwelt- und Klimaschutzgründen ein Weg der Zukunft, sagt er, weil dabei eben wesentlich mehr Ressourcen geschont würden: „Wir brauchen dann keine Unmengen von Beton oder Steinen mehr, wir nutzen einfach den vorhandenen Rohbau“.

Tatsächlich wird derzeit von Fachleuten vermehrt diskutiert, ob die Ökobilanz eines 100 Jahre alten, sanierten Hauses nicht sogar besser sein kann als die eines hocheffizienten Neubaus. Eben weil im Vergleich zum späteren Betrieb eines Gebäudes gerade beim Bauen schon enorm viel Energie benötigt wird: Für Baustoffe, ihre Herstellung, ihren Transport und vieles mehr.

…. überdeckt nun ein kantiger Neubau das Grundstück.
…. überdeckt nun ein kantiger Neubau das Grundstück. © HA | Axel Tiedemann

Im Altbau hingegen steckt schon viel dieser „grauen Energie“, die nicht noch einmal aufgewendet werden muss. Und auch ein Abriss würde dann noch einmal viel Energie erfordern. Schätzungen gehen dann auch davon aus, dass über die gesamte Lebensdauer eines modernen Gebäudes etwa 50 Prozent des Gesamt-Energieverbrauchs allein für das Bauen anfallen.

So heißt es in einem Positionspapier des Bund Deutscher Architekt (BDA) dazu auch: „Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen. Priorität kommt dem Erhalt und dem materiellen wie konstruktiven Weiterbauen des Bestehenden zu und nicht dessen leichtfertigem Abriss. Die „graue Energie“, die vom Material über den Transport bis zur Konstruktion in Bestandsgebäuden steckt, wird ein wichtiger Maßstab zur energetischen Bewertung sowohl im Planungsprozess als auch in den gesetzlichen Regularien. Wir brauchen eine neue Kultur des Pflegens und Reparierens.“

In die Luftschicht zwischen Fassade und Mauer wird Dämmschicht eingeblasen

Und in diesem Fall erfüllen Architekt Evers und seine Brüder zudem viele klimapolitischen Forderungen, die beim Bauen immer mehr zum Tragen kommen. Um das Eckhaus besser zu dämmen, soll beispielsweise die Luftschicht, die zwischen Fassade und Hintermauerwerk schon vor mehr als 100 Jahren gebaut wurde, genutzt werden, um dort einen Dämmstoff einzublasen. Zudem hätten die alten, leicht porösen Backsteine an sich schon einem besseren Dämmwert als etwa moderne Kalksandsteine. Geplant sind zudem komplett neue Fenster, zusätzlicher Schallschutz an den alten Holzdecken, Fußbodenheizung und Photovoltaik auf dem Dach. Statt Gasheizung wird das Haus in dieser Kombination mit einer modernen Wärmepumpe beheizt, Strom ist dann der wesentliche Energielieferant.

„Es geht, wenn man es richtig macht“, sagt Evers, der damit rechnet, dass am Ende die Kosten ähnlich hoch wie bei einem Neubau werden. Dafür aber bleibe der alte Charme. „Ich habe selbst immer gerne in Altbauten gewohnt, allein schon wegen der hohen Decken“, sagt er.

Wohnen im Landkreis Stade: Grünes Eckhaus bleibt

Im Stadtteil selbst stößt sein Vorhaben auf Zuspruch. „Ich finde das gut, wir sind ja für Erhalt statt Neubau“, sagt Initiativen-Sprecher Werner Heuer, der mit seinen Mitstreitern schon einen ganzen Fotokatalog mit Vorher-Nachher-Bildern vom Abrissgeschehen in Altkloster gesammelt hat. Wo eben noch alte Villen mit Dachtürmchen und Gauben standen, sind dort nun oft kantige Kästen zu sehen, die jeden Quadratzentimeter des Grundstücks zu überdecken scheinen. Anders als zunächst befürchtet, wird nun das grüne Eckhaus an der Hauptstraße aber nicht mehr in diese Fotoserie einsortiert werden müssen.