Neugraben. Wohneinrichtung für zwölf Menschen liegt mitten im Stadtteil Neugraben – ein deutschlandweit einmaliges Projekt.
Psychisch erkrankte Hamburger und Hamburgerinnen finden ab Januar in der Neugrabener Marktpassage 7–9 eine neue Anlaufstelle. Nach 19 Monaten Planungs- und Bauphase eröffnet der gemeinnützige Träger „Der Hafen – Verein für psychosoziale Hilfe Harburg e.V.“ die neue Wohngemeinschaft für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Wohneinrichtung bietet Männern und Frauen ab dem 21. Lebensjahr, denen es nach einer stationären psychiatrischen Behandlung im Alltag schwerfällt, mit der Krankheit umzugehen, eine intensive Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Sie soll Bindeglied zwischen klinischer Behandlung und offener Therapie sein.
„Bei uns erfahren die Klientinnen und Klienten ein großes Maß an Unterstützung“, sagt Geschäftsführerin Frauke Hennings. „Ziel des Aufenthalts ist, diese so zu stabilisieren, dass sie sich nach einiger Zeit wieder in ihrem Alltag zurechtfinden. Im geschützten Raum lernen sie all das, was sie für ein eigenständiges Leben brauchen.“ Angefangen vom täglichen Einkauf, der Gestaltung der Mahlzeiten inklusive des gemeinsamen Kochens. Sie kümmern sich um ihre Wäsche, werden in handwerklichen Dingen geschult und pflanzen auf dem großen Balkon eigenes Gemüse an. Jedem Bewohner wird zudem eine koordinierende Bezugsperson an die Seite gestellt, die bei persönlichen und administrativen Themen unterstützt.
Die Bewohner können Kontakt zu ihren Familien und Freunden halten
Mit dem Aufbau eines intensiv betreuten Leistungs- und Wohnangebotes mit Vollversorgung in Neugraben will der Hafen e.V. als Träger mit einer sogenannten hochstrukturierten Einrichtung die Verbesserung der Versorgungsstruktur für Menschen mit psychischen Erkrankungen aus dem Bezirk Harburg erreichen. Unterstützt wird das Projekt von der Sozialbehörde.
„Durch die Zusammenarbeit mit der Asklepios-Klinik für Psychotherapie und Psychiatrie Harburg, die im gleichen Gebäude die Tagesklinik betreibt, entsteht in einer kleinen, überschaubaren Einheit ein gemeindepsychiatrisches Versorgungszentrum, das dem inklusiven Ansatz der Sozialraumanbindung gerecht wird“, betont Frauke Hennings.
„Die Behandlung findet in der gewohnten Umgebung und in der Nähe des sozialen und familiären Gefüges statt, der Kontakt zu Familie und Freunden kann aufrechterhalten werden.“ Dies fördere eine erfolgreiche Eingliederung in die Gesellschaft und sei für einen positiven Genesungsprozess von immenser Bedeutung.
Die Wohneinrichtung zieht sich über zwei Etagen oberhalb einer Drogerie
Zwölf Personen können auf der knapp 1400 Quadratmeter großen Fläche, die sich über zwei Etagen oberhalb einer Drogerie verteilt, untergebracht werden. „Am Ende des Aufenthalts, der im Höchstfall bis zu drei Jahre dauern kann, sollen die Bewohner so stabilisiert sein, dass sie sich in einer weniger geschützten Einrichtung im Stadtteil oder in einer eigenen Wohnung zurechtfinden“, sagt Teamleiter Frank Werner. Die Wohngemeinschaft sei keine therapeutische Einrichtung. Für regelmäßige Gespräche und zur Begleitung bei der Reintegration stünden allerdings immer mindestens zwei Sozialpädagogen zur Verfügung.
„Ein solches Angebot, mitten im Zentrum eines Stadtteils, direkt in der Fußgängerzone, dort, wo das Leben sich abspielt, gibt es in Deutschland kein zweites Mal“, sagt Projektleiter Hubert Kroma. „Mit dem Vollversorgungsangebot schließen wir eine seit vielen Jahren bestehende Lücke in der psychiatrisch-stationären Versorgung nach einem Klinikaufenthalt. Wenn Menschen psychisch schwer erkranken, kommen sie im Krankenhaus in psychiatrische Behandlung. Dort erhalten Sie professionelle, therapeutische Hilfe und werden medikamentös eingestellt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus fällt es manchen Patienten schwer, im Alltag mit ihrer Krankheit umzugehen – sie nehmen die Medikamente nicht ein, kommen alleine nicht zurecht, fallen zurück in ihre psychische Erkrankung, verzweifeln und werden im schlimmsten Fall sogar obdachlos.“ Diese Menschen bräuchten einen Platz in einer Einrichtung – einer so genannten „geschlossenen Unterbringung“ – in der sie rund um die Uhr betreut werden, und in der sie lernen, mit ihrer Krankheit zu leben und den Alltag zu bewältigen.
Rund eine Million Euro hat der Träger in Umbau und Sanierung investiert
„Doch in der Hansestadt fehlen die dringend benötigten Plätze in entsprechenden Einrichtungen“, sagt Frauke Hennings. „Viele Betroffene werden daher in Einrichtungen weit von Zuhause entfernt untergebracht.“ Das sei für die Reintegration nicht optimal. Der Hafen habe diese Lücke erkannt und mit dem neuen Angebot geschlossen. Allerdings müsse dafür gesorgt werden, dass es auch im Anschluss an diese Unterbringung Wohnmöglichkeiten mit ambulanter Betreuung gebe. „Auch von solchen Nachfolgeeinrichtungen brauchen wir dringend mehr“, so Hennings.
Rund eine Million Euro hat der Träger in Umbau und Sanierung der zwei angemieteten Etagen investiert. „Wir haben die Fläche komplett entkernt, so dass wir anschließend völlig frei gestalten konnten“, sagt Hubert Kroma.
Große Glasflächen bestimmen die Räume, Parkettböden, ein durchdachtes Lichtkonzept und beruhigende Farben sorgen für Wohlfühlatmosphäre. Im Eingangsbereich lädt eine große geschwungenen Holzbank vor der fotografierten Kulisse des Hamburger Hafens zum Klönen ein. Die „Hafenbank“ ist eine Spende der Sparkasse Harburg-Buxtehude.
Die ersten fünf Anmeldungen für die neue Wohngemeinschaft gibt es bereits
„Die Marktpassage ist eine wichtige Einrichtung, um Menschen mit psychischen Erkrankungen auf dem Weg der Rehabilitation zu begleiten“, sagt Sparkassen-Direktorin Sandra Becker. „Wir unterstützen das Projekt, weil wir davon überzeugt sind, dass eine Eingliederung in Heimatnähe oder sogar im Heimatort selbst die optimale Lösung ist.“
Im Stadtteil Neugraben stößt die neue Einrichtung auf große Akzeptanz. „Wir haben sowohl von der Kommunalpolitik als auch von den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie von den Geschäftsleuten im Stadtzentrum Unterstützung erfahren“, sagt Hubert Kroma. „Das Projekt wird von allen gemeinsam getragen.“
Die ersten fünf Anmeldungen für die neue Wohngemeinschaft gibt es bereits. „Im Januar ziehen die ersten Klienten bei uns ein“, sagt Frauke Hennings. Und auch das Mitarbeiterteam ist inzwischen komplett. 24 Mitarbeiter, davon 17 in der Betreuung, werden zum Januar ihre Arbeit in Neugraben aufnehmen.