Neu Wulmstorf. Naturschützer sehen seltene Greifvögel in Gefahr. Lässt sich das Projekt im Landkreis Harburg überhaupt noch realisieren?
Man sollte meinen, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise würden den Ausbau der Windenergie rasch befördern, weil in Deutschland dringend Strom aus Erneuerbaren Energien gebraucht wird. Doch obwohl eine neue Bundesgesetzgebung neue Rahmenbedingungen für die Errichtung von Windparks geschaffen und damit die Windenergie einen höheren Stellenwert erhalten hat, kommen Vorhaben nicht voran. So läuft gegen die Genehmigung eines Bürgerwindparks im Neu Wulmstorfer Ortsteil Ardestorf jetzt eine Klage – eingereicht vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND).
Die Planungen für drei Windräder im Bürgerwindpark Ardestorf laufen seit etwa seit 12 Jahren. Im August diesen Jahres wurde die Anlage nach mehrfachen Genehmigungs- und Änderungsverfahren vom Landkreis Harburg erneut genehmigt. Doch inzwischen ist auch diese Genehmigung im Grunde wertlos, weil jetzt der BUND Regionalverband Elbe-Heide dagegen Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erhoben hat, wie Landkreis-Sprecher Andres Wulfes dem Abendblatt auf Nachfrage bestätigte. Damit ist die Realisierung des Bürgerwindparks Ardestorf in weite Ferne gerückt.
Vogelschützer fürchtet, dass Seeadler und Uhus getötet werden
Das gesamte Verfahren wurde, wie im Abendblatt mehrfach berichtet, vor allem von einem Vogelschützer wegen der Vorkommen von gefährdeten Vögeln über die Jahre überaus kritisch begleitet. Für ihn sind die Pläne ein Projekt, das seltene Greifvogelarten stark gefährdet, insbesondere deshalb, weil diese von den Hühnern auf der nahen Hühnerfarm als leichte Beute angelockt würden und von den Rotoren der Windräder getötet werden könnten.
Seit Jahren streitet der Vogelschützer um den geplanten Bürgerwindpark Ardestorf, seit Jahren prüft der Landkreis unter anderem auch wegen der Vorkommen von Uhu oder Rotmilan die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Bereits im August 2021 war diese dann erteilt worden, allerdings unter umfangreichen Auflagen für den Betreiber, wie beispielsweise eine zeitweise Abschaltungen der Anlagen. Auch gegen diese Genehmigung gab es Widerspruch, es folgten weitere Gutachten und ein Jahr später die erneute Genehmigung durch den Landkreis Harburg.
Selbst die Planer des Windparks wirken inzwischen verunsichert
Gegen diese hat der BUND nun Klage gegen den Landkreis als Genehmigungsbehörde erhoben. Der Regionalverband Elbe-Heide hatte im Planverfahren in mehreren Stellungnahmen bereits auf die „ungünstige Sondersituation“ des Standorts in Ardestorf hingewiesen. Im Fall des Windparks im Neu Wulmstorfer Ortsteil Ardestorf würden bei der vorliegenden Genehmigung artenschutzrechtliche Vorgaben nicht eingehalten, so der BUND. „Die Folge wäre ein dauerhaft erhöhtes Tötungsrisiko für mehrere besonders geschützte Greifvogelarten, die die Hühnerfarmen als Nahrungsquelle nutzen, darunter Rotmilan, Seeadler und Uhu.“
Das Unternehmen WindStrom, das den Bürgerwindpark in Ardestorf im Auftrag der Genossenschaft Bürgerenergie Buxtehude realisieren möchte, plant, errichtet und betreibt Windparks in Deutschland und im europäischen Ausland bereits seit 30 Jahren. Die Unternehmensgruppe aus Edemissen hat bisher 463 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 991 Megawatt realisiert, wie WindStrom-Geschäftsführer Joachim Mrotzek am vergangenen Mittwochabend vor dem Bau- und Planungsausschuss der Gemeinde Neu Wulmstorf sagte.
Dennoch machte er einen eher verzagten Eindruck bei seinem Sachstandsbericht zum geplanten Bürgerwindpark Ardestorf. „Es ist das erste Mal in 30 Jahren, dass uns so etwas passiert“, sagte er.
Ein Gutachten habe widerlegt, dass der Rotmilan überhaupt noch in dem Gebiet nistet
Mrotzek geht davon aus, dass die Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg „irgendwann im Laufe des nächsten Jahres“ behandelt wird. Doch die Unsicherheit ist groß. „Ein Einzelner hat es geschafft, das Projekt immer wieder zu torpedieren und nun einen Naturschutzverband für sich einzuspannen“, so Mrotzek. „Und das, obwohl wir dessen Unterstellungen immer wieder widerlegen konnten und zum Beispiel der Rotmilan laut eines Gutachtens seit zwei Jahren gar nicht mehr in dem Gebiet nistet.“
Zudem hätten viele Maßnahmen, wie Herdenschutzhunde auf der Hühnerfarm und die Anpflanzung von Pappeln auf dem Freigelände, zur Verbrämung der Raubvögel beigetragen. „Aber eines ist doch die wichtigste Erkenntnis“, so Mrotzek: „Wir haben in der gesamten Betriebszeit der Rotoren in Immenbeck und Daensen nicht einen Totfund. Und das, obwohl ein Windrad in Immenbeck ebenfalls direkt an dem Freigehege liegt.“
Kann der Betrieb der Windräder überhaupt noch rentabel erfolgen?
Die drei in Ardestorf geplanten Windkraftanlagen liegen nicht nur in der Nähe der Hühnerfarm, sondern auch in Sichtweite zu fünf weiteren Windrädern auf dem angrenzenden Gebiet des Landkreises Stade. Diese wurden von WindStrom mit ähnlichem Planungsbeginn längst realisiert und sind seit Jahren in Betrieb.
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WindStrom könnte trotz der Klage weiter an der Realisierung des Bürgerwindparks Ardestorf arbeiten, doch die Fortführung vor dem Urteil würde ein beachtliches Risiko für das Unternehmen darstellen, das nach Auskunft von Mrotzek bereits Summen „im siebenstelligen Bereich“ unter anderem für die verschiedenen Naturschutzgutachten ausgegeben hat. Auch ist grundsätzlich fraglich, ob ein Betrieb der Windräder unter bestimmten Auflagen überhaupt noch rentabel erfolgen kann. Zudem kann WindStrom eine gewünschte Änderung des Bebauungsplans – bedingt wegen des Wechsels zu einem neuen Hersteller der Windräder, weil der ursprüngliche inzwischen pleite gegangen ist – derzeit vom Neu Wulmstorfer Rat nicht erwarten. „Aufgrund der Situation mit der Klage macht es im Moment keinen Sinn, sich mit dem B-Plan zu beschäftigen“, sagte Neu Wulmstorfs Bauamtsleiter Thomas Saunus.
Durch einen Spendenaufruf sollen die juristischen Kosten gedeckt werden
Der BUND Regionalverband Elbe-Heide schätzt die Erfolgschancen der Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg unterdessen als gut ein. „Der BUND setzt sich für die Energiewende und den Ausbau erneuerbarer Energien ein. Diese müssen aber naturverträglich erfolgen“, heiß es in einem Spendenaufruf des BUND-Regionalverbands zur Finanzierung der Klage.
Sogar der Landkreis habe in seiner Genehmigung zutreffend festgestellt, dass hier ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Rotmilan und Seeadler bestehe. „Jedoch bleiben die zur Minderung vorgesehene Maßnahmen weit hinter den rechtlichen Anforderungen zurück“, heißt es in dem Spendenaufruf zur Finanzierung der Kosten einer juristischen Vertretung durch einen Fachanwalt für Umweltrecht, die nach BUND-Angaben voraussichtlich bis zu 15.000 Euro betragen würden.