Neu Wulmstorf. Erneut sorgt ein Standort südlich von Hamburg für Ärger. Dabei entspricht die Windkraftfläche im Landkreis lange noch nicht dem Ziel.

Der Ausbau der Windkraft ist in diesem Bundestagswahlkampf erklärtes Klimaschutzziel vieler Parteien. Was das künftig vor Ort in den Kommunen bewirken könnte, lässt sich schon jetzt in der Gemeinde Neu Wulmstorf gut beobachten: Während gegen einen gerade genehmigten Windpark im Ortsteil Ardestorf Vogelschützer Widerspruch eingelegt haben und eine Klage ankündigen, droht wegen eines weiteren Wind-Projekts im benachbarten Ortsteil Daerstorf schon wieder neuer Streit.

Dort plant das Cuxhavener Unternehmen Umwelt Management AG (UMaAG) zwei große Anlagen – deutlich weniger als 1000 Meter von Wohnhäusern entfernt. Juristisch pikant dabei: Die Fläche war in einem ersten Entwurf des neuen „Regionalen Raumordnungsprogramm 2025“ des Landkreises Harburg tatsächlich schon einmal als Vorranggebiet für Windkraft ausgewiesen worden.

Windpark-Fläche wegen Uhu-Vorkommens gestrichen

Dann aber gab es Bedenken der Kreis-Naturschutzbehörde wegen eines Uhu-Brutvorkommens in der Nähe. In Folge ist die Fläche im aktuell gültigen Raumordnungsprogramm nicht mehr als Windenergie-Standort vorgesehen. Doch das will das Cuxhavener Unternehmen nicht so hinnehmen und hat eine sogenannte Normenkontrollklage gegen die Flächenplanung des Landkreises auf den Weg gebracht. Argument: Die Einschätzung der Kreisverwaltung zur Gefährdung von Uhus durch Windkraftrotoren sei veraltet und daher fehlerhaft. Und zwar deshalb, weil heutige Anlagen deutlich höher als vor einigen Jahren gebaut würden.

Der Abstand zwischen den Rotorspitzen und dem Boden sei dadurch so groß, dass Uhus darunter fliegen würden. Daher komme es dann nicht wie befürchtet zu einer Erhöhung des Tötungsrisikos solcher Vögel. Zu einer ähnlichen und neuen Einschätzung kommt allerdings jetzt offensichtlich auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, wie aus einer Vorlage der Kreisverwaltung an die Kommunalpolitik hervorgeht.

Um nicht noch einmal das komplette Raumordnungsprogramm – das auch etliche andere grobe Flächenplanungen umfasst – bei einer möglichen juristischen Niederlage noch einmal anfassen zu müssen, hat sich die Kreisverwaltung mit dem Unternehmen jetzt auf eine Mediation verständigt, um eine gemeinsame außergerichtliche Lösung zu finden. „Der Landkreis hält ein Zielabweichungsverfahren an dieser Stelle für fachlich vertretbar“, heißt es dazu in der Vorlage an die Kreispolitik. In Kurzform heißt das: Für die beiden Anlagen könnte es dann doch eine Ausnahme geben.

Landkreis Harburg prüft Ausnahme wegen Klagedrohung

Das Cuxhavener Unternehmen selbst prüft dazu verschiedene Anlagentypen mit Gesamthöhen zwischen 200 und 250 Metern, die bis etwa 10.000 Haushalte mit Strom versorgen könnten. Die größeren Höhen seien dabei für „Uhus günstig“ – während sie für Einzelhäuser in der Nähe zu einer „optischen bedrängenden Wirkung“ führen könnten, so die Kreisverwaltung.

Doch auch gegen diese mögliche Ausnahme in Daerstorf gibt es Protest: Uhus würden durchaus höher fliegen, sagt der Vogelschützer Wilhelm Hartmann, der auch schon gegen das Ardestorfer Projekt Widerspruch eingelegt hat. Auch dort geht es um die Gefährdung von seltenen Greifvogelarten und erste Bedenken der Kreis-Naturschutzbehörde.

Windpark in Ardestorf unter Auflagen genehmigt

Der Windpark wurde dann vom Kreis aber doch nach jahrelanger Prüfung vor Kurzem genehmigt. Allerdings mit Auflagen: Die Ardestorfer Windräder müssen beispielsweise bei schwachem Wind, wenn viele Vögel unterwegs sind, abgeschaltet werden. Die möglichen Betreiber von der Genossenschaft Bürger-Energie Buxtehude prüfen daher derzeit, ob sie überhaupt noch rentabel betrieben werden können.

Auch in der Kreispolitik ist das Thema Ardestorf noch nicht endgültig abgeschlossen. So will die Kreis-SPD von der Kreisverwaltung mit einer Anfrage noch einmal detaillierte Angaben dazu, warum es trotz der Artenschutz-Bedenken eine Genehmigung gab. Die Vorgaben durch Bund und Land zur Windkraft stoßen vor Ort eben oft auf Widersprüche und machten es der Kommunalpolitik nicht gerade leicht, sagt SPD-Fraktionschef und Neu Wulmstorfer Bürgermeisterkandidat Tobias Handtke. Um Akzeptanz zu bekommen, sei es daher umso wichtiger, Transparenz in die Entscheidungen zu bringen. Das solle jetzt mit dem SPD-Antrag erreicht werden.

Niedersachsen will auch Windkraft in Wäldern

Der Neu Wulmstorfer Fraktionschef der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) Jan Lüdemann sieht sich indes in einer Art Zwickmühle zwischen gewolltem Ausbau der Windkraft auf der einen und dem Natur- und Artenschutz auf der anderen Seite. Um die komplizierten Genehmigungsverfahren überhaupt noch verstehen zu können, brauche man mittlerweile fast ein Jura-Studium, sagt er. „Wir müssen uns da einfach auf die Gutachten verlassen“, so Lüdemann.

Und tatsächlich dürfte es in Zukunft in der Region noch viele solcher Konflikte um die Windkraft geben. Nach einem erst im Juli verabschiedeten Windenergieerlass soll in Niedersachsen von 2030 an 2,1 Prozent der Landfläche für Windkraft zur Verfügung stehen, auch Teile des Waldes sollen dafür „behutsam“ genutzt werden. Derzeit sind im Landkreis Harburg grob geschätzt gerade einmal 0,45 Prozent der Fläche mögliche Windkraftstandorte.