Eyendorf/Salzhausen. Politik sowie Reiterszene kritisieren fehlende Wege und Hinweisschilder. Pferdesportverband nimmt Fahrschulen in die Pflicht.
- 61-Jährige und ihr Pferd sterben auf Kreisstraße durch einen SUV
- Tödlicher Reitunfall von Eyendorf beschäftigt die Szene bundesweit
- Die Politik fordert eine Verbesserung der Verkehrssituation
- Pferdesportler: Fahrschulen müssen wegen Reitern sensibilisieren
Knapp zwei Wochen ist der tödliche Unfall einer Reiterin nahe Eyendorf her: Ein Autofahrer hatte die 61-Jährige mit seinem Wagen erfasst, die Frau und ihr Pferd verstarben noch an der Unfallstelle. Für die Reitergemeinde des Landkreises und darüber hinaus ein Schock und ein Ereignis, das noch lange Wochen nachhallen wird – auch die politische Aufarbeitung hat begonnen.
„Der tödliche Unfall hätte womöglich verhindert werden können“, sagt Joachim Bartels, der für die Grünen im Eyendorfer Gemeinderat und im Salzhäuser Samtgemeinderat sitzt. „Mehrfach wurden vor dem Eyendorfer Ortseingang ein Tempo-70-Schild und dann eine Reduzierung auf 50 Kilometer pro Stunde mit dem Hinweis ,Vorsicht Reiterhof’ gefordert.“ Doch nichts sei passiert.
Reitunfall Eyendorf: Straße lädt zum Rasen ein
Im Gegenteil: Seitdem die Straße im vergangenen Jahr erneuert worden sei, lade sie noch mehr zum Rasen ein. Einen Fuß- oder Radweg gibt es nicht, was erstaunlich sei angesichts der Tatsache, dass der Abschnitt, auf dem die Reiterin zu Tode kam, auch als Wanderweg zu einem Hünengrab ausgeschildert ist.
„Weder an Radfahrer noch an Fußgänger wurde bei der Erneuerung gedacht“, sagt Bartels, der seit mehr als 40 Jahren in der Kommunalpolitik tätig ist. „Ich fordere Landrat Rainer Rempe auf, sich endlich um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu bemühen.“
Ortstermin zu Verbesserungen an Kreisstraße
Von offiziellen Anträgen zu einer Tempobeschränkung auf dem Abschnitt, an dem es am 25. Oktober zum tödlichen Unfall kam, ist bei der Kreisverwaltung in Winsen nichts bekannt. „Auch ist es aus unserer Sicht eindeutig zu früh für eine seriöse Bewertung der Umstände, die zu dem tragischen Unfall führten“, sagte Sprecher Bernhard Frosdorfer am Freitag. „Dafür werden wir die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen abwarten.“
Anschließend werde es einen Ortstermin geben, bei dem man gemeinsam mit der Polizei, Vertretern des Reiterhofs und der Gemeinde berate, welche Möglichkeiten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sinnvoll und machbar seien. Landrat Rainer Rempe (CDU) befindet sich nach der gewonnenen Stichwahl am 23. Oktober in einem lang geplanten Familienurlaub.
Reitunfall Eyendorf: Szene diskutiert bundesweit
Der tragische Unfall der Reiterin war auch in den vergangenen Tagen weit über den Landkreis hinaus Gesprächsthema Nummer eins auf vielen Reiterhöfen und in Verbänden. „Wir haben über die Medien von diesem schrecklichen Unfall gehört und sind darüber traurig und bestürzt“, hieß es vom Landesverband der Reit- und Fahrvereine Hamburg, dem auch Vereine südlich der Elbe angehören.
Auch die Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VFD) reagierte. „Wir sind von dem Unfall sehr geschockt – es hätte jeden von uns genauso treffen können“, heißt es in einem gemeinsamen Statement des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen und des Bezirksverbandes Harburg/Nordheide.
Weil sich für Reiterinnen und Reiter die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr nicht immer vermeiden lasse, würden die Mitglieder der Vereinigung regelmäßig geschult. Dennoch: „Einen Unfall wie diesen können wir nicht aktiv vermeiden oder Reitern Tipps zur Vermeidung geben, da die Ursache ja offenbar nicht in der Tatsache bestand, dass es sich um eine Reiterin handelte.“
Reiter sind laut StVO normale Verkehrsteilnehmer
Tatsächlich hatten mehrere Zeugen die Reiterin am Nachmittag kurz vor dem Unfall überholt oder waren ihr entgegengefahren – und bestätigten mit ihren Aussagen, dass die Frau den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) gemäß am rechten Fahrbahnrand auf ihrem Pferd geritten war.
Fußwege oder befestigte Grünstreifen gibt es an der Kreisstraße nicht – die hätte die 61-Jährige aber ohnehin als Reiterin nicht nutzen dürfen. Reiter unterliegen nach der StVO den Regelungen für den Fahrverkehr.
„Reiter mit Pferden das schwächste Glied der Kette“
„Der Unfall zeigt einmal wieder ganz klar, dass Reiter mit ihren Pferden das schwächste Glied der Kette im Straßenverkehr sind“, sagt Alexandra Duesmann, Geschäftsführerin von Pferdeland Niedersachsen, einem Zusammenschluss der großen Pferdesport- und Zuchtverbände Niedersachsens.
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„Reiter tun in der Regel alles, um sich selbst und ihr Pferd zu schützen. Trotzdem sind wir darauf angewiesen, dass gerade motorisierte Verkehrsteilnehmer Rücksicht auf uns nehmen.“
Reiterverband: Fahrschulen müssen sensibilisieren
Deshalb nimmt Duesmann die Fahrschulen in die Pflicht – gerade im ländlichen Bereich. „Hier wäre es wichtig, die künftigen Verkehrsteilnehmer schon früh zu sensibilisieren, dass auch Reiter mit ihren Pferden auf Kreis- und Landstraßen unterwegs sind. Pferde sind Fluchttiere. Wenn ein Motorradfahrer von hinten mit 100 Kilometern pro Stunde angeschossen kommt und vor dem Überholen nicht abbremst, bleibt kein Pferd ruhig. Vieles geschieht aus Unwissenheit. Es wird Zeit, dass sich das ändert.“
Tatsächlich ist der Umgang mit Tieren – und damit auch Pferden – Teil des offiziellen Ausbildungsprogramms der Fahrschulen. Für den Fahrlehrer Günter Fieger von „Mayks Fahrschule“ in Hausbruch ist es sogar eine Selbstverständlichkeit in der Ausbildung seiner Schüler. Nur: Sehr vielen Pferden begegne man in einer durchschnittlichen Fahrstunde nicht.
„Trotzdem kann man die Schüler dafür sensibilisieren“, sagt Fieger. „Wenn ich zum Beispiel Hufspuren an der Straße sehe, lasse ich den Fahrschüler anhalten und Ausschau halten: Wie könnte hier ein Pferd auftauchen – und von wo?“ Allerdings: Jeder Fahrlehrer setzt in der Ausbildung individuelle Schwerpunkte.
Reitunfälle: Gefahrenpunkt auch bei Garstedt
Joachim Bartels weist indes auf eine weitere potenzielle Unfallstelle im Landkreis Harburg hin – die Straße zwischen Garstedt und Vierhöfen. „Das ist eine offizielle Kreisstraße, die man nun zur Hochgeschwindigkeitsstraße ausgebaut hat und links und recht eingeplankt hat. Auch dort sind Fußgänger, Fahrradfahrer und Reiter den Rasern schutzlos ausgeliefert“, sagt Bartels. Gerade vorige Woche sei es auf dieser Straße wieder zu einem schweren Unfall gekommen.
„Die von Bündnis 90/Die Grünen geforderte Geschwindigkeitsbegrenzung wurde von der Unteren Verkehrsbehörde des Landkreises abgelehnt mit der Begründung, es gebe dort keine Kurve, was nicht stimmt – und es habe dort keine Unfälle gegeben, was ebenfalls nicht stimmt.“ Der nächste Antrag sei deshalb schon in der Vorbereitung.