Neu Wulmstorf. Gemeinde muss für die Ganztagsbetreuung tief in die Tasche greifen. Warum wohl auch die Opposition für die Beschlüsse stimmt.
Das neue Gebäude der Grundschule am Moor in Neu Wulmstorf ist noch nicht fertig, da steht für die Gemeinde Neu Wulmstorf bereits die nächste Investition in die Schullandschaft im zweistelligen Millionenbereich an: Die Grundschule an der Heide soll für rund 26 Millionen Euro für den Ganztag fit gemacht werden. Die Zeit drängt: Bald müssen alle drei Grundschulen in Neu Wulmstorf die Ganztagsbetreuung umsetzen, weil ab dem Schuljahr 2026/2027 ein Rechtsanspruch zur ganztägigen Betreuung von Kindern im Grundschulalter gilt.
Dafür muss Neu Wulmstorf tief in die Tasche greifen: Derzeit entsteht zum Festpreis von rund 26 Millionen Euro ein neues Gebäude für die Grundschule am Moor inklusive einer neuen Sporthalle, eines Veranstaltungszentrums und einer Großküche, die alle Kitas und Schulen der Gemeinde mit Essen versorgen soll.
52 Millionen Euro für zwei Grundschulen sind noch nicht das Ende der Fahnenstange
Eine in etwa gleich hohe Summe muss nun in die Grundschule an der Heide investiert werden – ohne Sporthalle und die anderen Extras. Das zeigt die enormen Preissteigerungen, die es in der Baubranche auch für kommunale Bauherren aktuell zu verkraften gilt.
Und die insgesamt rund 52 Millionen Euro für die Ertüchtigung zweier Grundschulen sind noch nicht das Ende der Fahnenstange für Neu Wulmstorf, denn auch die Grundschule Elstorf muss – wenn auch in deutlich geringerem Maße – angefasst werden. Die Ganztagsbetreuung kann auch dort nicht mit den vorhandenen Räumen in angemessener und rechtlich vorgeschriebener Form durchgeführt werden. Deshalb haben die Mitglieder des Bau- und Planungsausschusses und des Schulausschusses bei ihrer gemeinsamen Sitzung am vergangenen Dienstagabend trotz der angespannten Haushaltslage in Neu Wulmstorf die Investition in die Grundschule an der Heide einstimmig empfohlen. Und sie wurden noch konkreter: Das Geld soll für einen Neubau ausgegeben werden und nicht für eine ebenfalls geprüfte Sanierung und Erweiterung.
Auf Grundlage der Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung empfahlen die Ausschussmitglieder die weiteren Planungen für einen Abriss und einen Neubau der maroden Grundschule sowie der dort ebenfalls ansässigen Kita Heide-Bären aufzunehmen.
Neubau scheint unumgänglich
Allen Ausschussmitgliedern schien nach der Vorstellung des Raumprogramms und der Gegenüberstellung der Kosten für eine Sanierung und Erweiterung der Schule beziehungsweise für einen Neubau durch Carsten Fischer von der beauftragten VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH aus Berlin klar zu sein, wohin auch laut Gutachten der Weg gehen muss: Ein Neubau sei unter Berücksichtigung der Planungs-, Bau- und Finanzierungskosten sowie der Betriebskosten die wirtschaftlichere Lösung im Vergleich zur Sanierungs- und Erweiterungsvariante, die bereits bei den reinen Baukosten 75 Prozent von den Neubaukosten verschlingen würde. Rechnet man dann noch die Betriebs- und Folgekosten sowie die Abschreibungszeiten mit ein, fällt der Abriss und Neubau der Schule nach VBD-Angaben sogar um rund 615.000 Euro günstiger aus.
Es muss etwas getan werden: Das von VBD erstellte Raumprogramm kommt zu dem Ergebnis, dass eine Ganztagsbetreuung im Bestandsgebäude der Schule an der Heide nicht realisiert werden kann. Bei dem Bestandsgebäude handelt es sich um eine dreizügige Halbtagsgrundschule mit rund 2000 Quadratmeter Nutzfläche. Benötigt wird eine vierzügige Ganztagsschule mit rund 3400 Quadratmetern Nutzfläche plus etwa 400 Quadratmeter Nutzfläche für die Heide-Bären.
„Die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen wären sehr, sehr, sehr umfangreich“
Bei der Variante Sanierung müssten somit neben der Sanierung des Bestandsgebäudes weitere 1400 Quadratmeter Nutzfläche für die Schule und rund 400 Quadratmeter Nutzfläche für die Heide-Bären geschaffen werden. Eine Mammutaufgabe: „Die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen wären sehr, sehr, sehr umfangreich“, sagte Fischer. Der Gebäudezustand sei „einfach schlecht“.
Dieser Gedanke hätte den Entscheidungsträgern möglicherweise auch ohne Gutachten bereits mit einem Blick auf die Schule kommen können, deren Bausubstanz zu einem großen Teil aus den 1950er Jahren stammt. Von den Wänden rieselt der Putz, es gibt in den Klassenräumen lediglich eine Steckdose. „Ich bin dort 1969 entlassen worden, seitdem hat sich fast nichts verändert“, sagte Ausschussmitglied Rosi Schnack (SPD). „Wir müssen dort unbedingt in die Zukunft unserer Kinder investieren.“
Diese Einsicht teilt die Ratsmehrheit, doch der Rat hatte sich trotz der zusätzlicher Kosten für die Erstellung eines Gutachtens entschieden, denn um überhaupt Förderungen vom Land beantragen zu können, ist so eine Bewertung unerlässlich, wie Bürgermeister Tobias Handtke gegenüber dem Abendblatt erklärte: „Noch sind solche Zuschüsse allerdings nicht in Sicht“, so Handtke. „Ich werde mich aber an allen möglichen Stellen dafür einsetzen, dass den Kommunen bei der Umsetzung der ihnen übertragenen Aufgabe unter die Arme gegriffen wird.“
Auch die Opposition dürfte den Beschluss unterstützen
Aktuell laufen nach Aussage von Handtke Gespräche über einen möglichen Umzug der Grundschule an der Heide mit über 500 Schülern nach den Sommerferien 2023 ins jetzige Gebäude der Grundschule am Moor an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße. Deren Neubau auf der gegenüberliegenden Straßenseite soll dann bezugsfertig sein und beide Schulen sollen zum Schuljahr 2023/24 bereits mit dem Ganztag beginnen. Der Neubau der Schule an der Heide soll dann möglichst ab Anfang 2024 realisiert werden.
Nun muss die Empfehlung der beiden Ausschüsse allerdings erst einmal zur Beschlussfassung in die weitere politische Beratung. Es ist aber davon auszugehen, dass auch im Gemeinderat die Neubau-Variante Zustimmung vor der Sanierungs-Variante finden wird, zumal laut Gutachten lediglich ein Neubau noch rechtzeitig bis 2026 fertiggestellt werden könnte.
Teure Sanierung und Erweiterung macht keinen Sinn
Aber auch die Opposition dürfte den Beschluss unterstützen, wie die Einstimmigkeit sowie eine Aussage von Malte Kanebley (CDU) vermuten lassen: „Eine teure Sanierung und Erweiterung macht keinen Sinn und birgt sehr viele Risiken. Die CDU trägt die Entscheidung mit“, so Kanebley. Allerdings müsse den Menschen verständlich gemacht werden, warum angesichts leerer Kassen wieder eine bestehende Schule abgerissen und eine neue gebaut werde. „Wir haben das ja schon beim Abriss der ehemaligen Hauptschule für den Neubau der Grundschule am Moor erlebt. So etwas ist erklärungsbedürftig“, sagte Kanebley. Auch Bürgermeister Handtke betonte, dass „uns die Investitionen in den Schulbau an den Rande der Belastbarkeit bringen.“ Die Kinder und ihre Zukunft hätten aber oberste Priorität.
Mit dem Neubau der Grundschule an der Heide ist es aber noch nicht getan. Auch die Grundschule in Elstorf muss noch als letzte der drei Grundschulen in der Gemeinde angesichts des bevorstehenden Rechtsanspruchs für den Ganztag fit gemacht werden.
Zwar gibt es dafür noch keine detaillierte Flächenüberprüfung und keinen Kostenplan, doch nach Aussage des Beraters ist der Erweiterungsbedarf in Elstorf deutlich geringer als an der Grundschule an der Heide: „Der zusätzliche Raumbedarf ist in den vorhandenen Flächen darstellbar“, sagte Fischer.