Neu Wulmstorf. Schulen, Wohngebiete und Verkehr: Bürgermeister Tobias Handtke spricht über die Projekte des kommenden Jahres

Vor ein paar Wochen stand hier noch der Komplex der Neu Wulmstorfer Hauptschule. Jetzt gleicht das Grundstück an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße einem riesigen Sandkasten. Die alten Gebäude sind abgerissen. Ein Kran ist bereits aufgebaut, Erschließungsrohre stapelt sich. Sogar Teile eines neuen Fundaments sind schon zu sehen.

Hier soll 2022 eine neue, fünfzügige Grundschule entstehen. Mitsamt einem allgemeinen Veranstaltungszentrum für 450 Personen, einer Sporthalle und einer zentralen Mensa, die Schulen und Kitas der Gemeinde mit täglich 1000 Essen beliefern soll.

Finanzieller Kraftakt für die Gemeinde bei Hamburg

Es ist die derzeit gewaltigste Baustelle der Gemeinde. Nicht wegen der baulichen Dimensionen, sondern bildlich gesprochen wegen der Bedeutung des finanziellen Kraftaktes, den sich Neu Wulmstorf damit leistet, um eine alte, zu klein gewordene Schule durch einen Neubau zu ersetzen. „Das ist die größte Einzel-Investition, die die Gemeinde jemals getätigt hat“, sagt der erst im Herbst gewählte neue Bürgermeister Tobias Handtke (SPD).

So soll der Eingangsbereich der neuen Ganztags-Grundschule am Moor in Neu Wulmstorf aussehen
So soll der Eingangsbereich der neuen Ganztags-Grundschule am Moor in Neu Wulmstorf aussehen © AT | ABJ-Architekten

Mit rund 26 Millionen Euro ist die Schule derzeit kalkuliert, ein 15-Millionen-Euro-Kredit wird Neu Wulmstorf dazu aufnehmen müssen. Schon jetzt aber droht dem Haushalt ein Defizit, und im Rat hat die Diskussion begonnen, wo man dafür sparen oder eben auch mehr Erträge erwirtschaften kann. Denn das Projekt an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße ist nicht der einzige Schulneubau, den sich die Gemeinde vorgenommen hat. „Es ist der Auftakt für die Modernisierung all unserer Grundschulen“, sagt Handtke. Ziel seien Ganztagsschulen mit festen Betreuungszeiten bis in den Nachmittag – so wie schon in den Kitas. „Der Bedarf ist immens“, weiß Handtke.

Im Frühjahr 2023 soll die neue Grundschule fertig sein. Danach ist die Grundschule an der Heide an der Breslauer Straße im Süden der Gemeinde an der Reihe. Die Planungen dafür sollen in diesem Jahr starten. Zudem werden in Neu Wulmstorf 2022 bei den beiden Neubaugebieten Wulmstorfer Wiesen und Lessinghöfe zwei neue Kitas ihren Betrieb aufnehmen. 16 Kitas wird die Gemeinde damit dann insgesamt haben – was letztlich eine Folge des steten Bevölkerungswachstums ist.

Allein im Kernort sind in den vergangenen Jahren rund 1000 neue Wohnungen entstanden. 19.935 Einwohner zählte Neu Wulmstorf 2011, nach der letzten Zählung vor einem Jahr waren es schon 21.470. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar.

Zahlreiche Neubaugebiete nehmen Formen an

So startet das Immobilienunternehmen HBI in der Nähe des Bahnhofs im Frühjahr mit einem weiteren Neubaugebiet auf einem früheren Reiterhof-Gelände. 104 Wohnungen sollen dort gebaut werden, zudem von einem anderen Investor ein Hotel. „Wulmstorfer Höfe“ lautet der nun vornehme Projektname. Gleich nebenan wird zudem der Convivo-Park entstehen, ein Seniorenprojekt mit 62 Wohnungen für betreutes Wohnen und einigen Tagespflegeplätzen. Die Fertigstellung ist für Anfang 2023 geplant.

Ein weiteres Seniorenprojekt mit 120 Heimplätzen und 56 Wohnungen für betreutes Wohnen und einer Tagespflege ist in Neu Wulmstorf auch für ein Grundstück an der Lutherkirche vorgesehen. Hier wird durch die Gemeinde die Bauleitplanung fortgeführt, kündigt Bürgermeister Handtke an. Das Gleiche gelte für das Projekt Moorweg, wo noch einmal 108 Wohneinheiten in Reihen- und Mehrfamilienhäusern geplant sind. Allerdings mit einer Besonderheit: Erstmals in Neu Wulmstorf wird die kreiseigene Kommunale Wohnungsgesellschaft aktiv, die günstige Mieten anbieten soll. „Das ist ein guter Weg, um in solchen Gebieten einen Mix zu schaffen“, sagt Handtke.

Zwei große, aber völlig andere Baustellen dürften Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat in diesem Jahr auch noch stark beschäftigen: Da ist zunächst die Zukunft von Hallen- und Freibad: Derzeit wird das Hallenbad saniert und bleibt daher bis Ende 2022 geschlossen. Damit den Neu Wulmstorfer Kindern aber weiter ein Angebot zum Schwimmen-Lernen gemacht werden kann, soll das alte Freibad in der Saison 2022 geöffnet bleiben, obwohl es ebenfalls ziemlich marode ist.

Vor einigen Jahren waren die Kosten für eine Sanierung schon auf 6,9 Millionen Euro geschätzt worden, inzwischen stiegen die Baukosten aber rasant. Wie Neu Wulmstorf angesichts der gleichzeitigen hohen Investitionen in Schulen und Kitas eine solche Summe stemmen soll, dürfte mehr als fraglich sein. Die Linie des Bürgermeisters dazu ist aber relativ klar: „Diese Mittel fehlen uns“, sagt er. Was aber dann, soll das Freibadgelände an der Fischbeker Heide verkauft werden, um ein anderes an anderer Stelle zu bauen, wie manche Politiker vorschlagen? Neu Wulmstorfs Bürgermeister setzt da lieber weiter auf eine Kooperation mit Hamburg für ein neues, gemeinsames Freibad im Süderelberaum. „Wir bleiben dazu im Gespräch mit Hamburg“, sagt Handtke.

Die A26-Baustelle im Dezember 2021 bei Rübke/Neu Wulmstorf. Die Tragschicht ist bereits aufgebracht, die Lärmschutzwand weitgehend fertig. Im Hintergrund sind die Rampen der künftigen Anschlussstelle Rübe/Neu Wulmstorf zu erkennen
Die A26-Baustelle im Dezember 2021 bei Rübke/Neu Wulmstorf. Die Tragschicht ist bereits aufgebracht, die Lärmschutzwand weitgehend fertig. Im Hintergrund sind die Rampen der künftigen Anschlussstelle Rübe/Neu Wulmstorf zu erkennen © AT | Axel Tiedemann

Die zweite große Baustelle, die in der Gemeinde mit Sorgen betrachtet wird, ist noch einmal eine ganz andere: Ende 2022, so der Plan, soll der neue A26-Abschnitt Buxtehude – Neu Wulmstorf fertig gebaut sein. Direkt am Ortsteil Rübke gibt es dann eine Auf- und Abfahrt. Weil der Lückenschluss zur A7 aber erst zwei, drei Jahre später kommt, erwartet man in Neu Wulmstorf rund um die Anschlussstelle und vor allem im Ortsteil Rübke eine enorme Verkehrsbelastung. „Mir fehlt die Fantasie, wie das funktionieren soll“, sagt Bürgermeister Handtke, der von den Autobahnplanern dazu ein geeignetes Verkehrskonzept fordert. Die Gemeinde selbst werde für die Bahnhofstraße in Neu Wulmstorf ebenfalls ein örtliches Konzept vorbereiten, um Durchgangsverkehr im Ortskern zu verhindern. Angedacht ist dazu bereits eine Tempo-20-Zone, indem die Straße zum Einkaufs- und Geschäftsbereich erklärt wird.

Neben solchen, konkreten Planungszielen, nennt Bürgermeister Handtke aber auch noch ein eher idealistisches Ziel, das er im kommenden Jahr angehen wolle: „Ich möchte in Neu Wulmstorf das Wir-Gefühl stärken, die Menschen mehr zusammenzuführen, mehr Identität schaffen“, sagt er. Eine gute Gelegenheit böte sich dazu mit Blick auf ein besonderes Jubiläum im Sommer 2022 an: Die „Einheitsgemeinde“ Neu Wulmstorf feiert dann ihr 50-jähriges Bestehen. Am 1. Juli 1972 wurde sie aus mehreren Dörfern und dem heutigen Kernort erst offiziell gegründet.