Winsen. Die SPD-Generalsekretärin plädierte in Winsen für Regionale Gesundheitszentren im Kreis Harburg und forderte mehr Verantwortung der Kommunen.
Dauerbesetzte Telefonleitungen, Schlangen vor den Hausarztpraxen, verzweifelte Eltern auf der Suche nach einem Kinderarzt – trotz rechnerisch guter medizinischer Versorgungslage Alltag im Landkreis Harburg. Woran das liegt und welche Lösungswege es gibt, hat die Landkreis-SPD am Freitagabend im Marstall in Winsen diskutiert. Stichwort des Abend: das Regionale Versorgungszentrum (RVZ).
Mit dabei war Niedersachsens SPD-Generalsekretärin Hanna Naber, die als Mitglied einer fraktionsübergreifenden Enquete-Kommission im Landtag mehrere Jahre an einer Lösung der ärztlichen Versorgungsprobleme im ländlichen Raum mitarbeitete. Sie sagt: „Kommunen können und müssen mehr steuern“.
Die Lage im Landkreis Harburg: Umverteilung statt Geldspritze
Dass die Situation im Kreis Harburg trotz statistisch guter Versorgungslage angespannt ist, gilt als bekannt. Einwohner klagen seit Jahren über fehlende Hausärzte und lange Wartezeiten. Rainer Kaminski, der zuständige Sozialdezernent beim Landkreis, bestätigte bei einer CDU-Veranstaltung in Nenndorf im April, dass die tatsächliche Situation anders aussehe und dass es „bereits jetzt in vielen kleineren Ortschaften unseres Landkreises keine Hausärztinnen und Hausärzte“ gebe, wie die CDU Harburg-Land auf ihrer Webseite zitiert. Auch seien Termine bei Fachärzten lange im Voraus ausgebucht.
„Es wird immer deutlicher, dass die Versorgung schwierig ist“, findet SPD-Landtagskandidatin Sabine Lehmbeck (Wahlkreis 50), die die öffentliche Podiumsdiskussion im Marstall moderierte. Eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratische Frauen.
Als Gründe benannten die Gäste der Podiumsdiskussion in Winsen: Die wenig attraktive Rolle des klassisches Landarztes beim medizinischen Nachwuchs bei gleichzeitig hohem Altersstand der aktiven Hausärzte. So werde sich die derzeitige Situation, in der knapp 20 Hausarztstellen im Kreis unbesetzt bleiben, in den kommenden Jahren verschärfen. Auch der hohe Verwaltungsaufwand lähme das System und schrecke Jungärzte ab, die mehr Wert auf die eigentliche ärztliche Tätigkeit legten.
Hausarzt Eckhardt: „Geld ist genug da, es wird nur falsch verteilt“
Die Folgen sind auch in den Kliniken spürbar. Immer mehr Patienten, die keinen Arzttermin bekommen, suchen die Notaufnahmen in Harburg und Umland auf, die zunehmenden unter einer Überlastung leiden.
Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass die Probleme nicht mit einer Unterfinanzierung des Gesundheitssystems zusammenhänge. „Geld ist genug da, es wird nur falsch verteilt“, sagt etwa Norbert Eckhardt, der als Fachvertreter auf dem Podium saß. Der Mediziner aus Neu Wulmstorf ist seit 27 Jahren Hausarzt und betreibt eine große Praxis in Neugraben-Fischbek auf Hamburger Gebiet.
Es helfe nicht, „einfach mehr Geld ins System zu pumpen“, sagt auch Hanna Naber. Es handele sich um eine Fehlversorgung, die auch von der eingesetzten Enquete-Kommission („Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen“) im Abschlussbericht 2021 für ganz Niedersachsen festgestellt worden sei.
Lösungswege: Regionale Versorgungszentren und nicht-ärztliches Personal
Zwei Lösungsansätze dominierten die Diskussion im Marstall. Für SPD-Generalsekretärin Naber ist Schaffung Regionaler Gesundheitszentren „das Zukunftsmodell für die Stärkung des ländlichen Raums.“ Zudem wurden die positiven Effekte durch den vermehrte Einsatz nicht-medizinischer Mitarbeiter genannt.
Regionale Versorgungszentren sind schon länger in der Diskussion, auch im Landkreis Harburg. Dabei handelt es sich um erweiterte Ärztehäuser, die auf der vorhandenen Form der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) aufbauen können, aber nicht müssen. Die RVZ sollen ähnlich den früheren DDR-Polikliniken mindestens die allgemeinärztliche Primärversorgung gewährleisten und rund um die Uhr als ambulante Anlaufstelle im ländlichen Raum fungieren. Erweitert werden können sich um fachärztliche Leistungen, Pflegedienste und mehr.
Naber über Trägerschaft: Jemand muss sich verantwortlich führen
Vorteil: Ärzte können vermehrt als Angestellte arbeiten und von der Unterstützung gut qualifizierter nicht-ärztlicher Mitarbeiter – etwa Nichtärztliche Praxisassistenten (NäPa) oder Gesundheitsmanager – profitieren. Ein Weg, den Norbert Eckhardt in seiner Fischbeker Praxis bereits geht. „Wir behandeln 1300 Patienten im Vierteljahr, das würde ohne nicht-ärztliches Personal nicht funktionieren.“
Der RVZ-Ansatz dürfe nun nicht daran scheitern, dass sich niemand verantwortlich fühlt, so Hanna Naber. „Es steht nirgend geschrieben, dass das ein Landkreis oder eine Samtgemeinde die Trägerschaft übernehmen muss.“ Denkbar seien etwa die Gründung einer GmbH oder Mischformen. Trotzdem fordert sie: „Kommunen können und müssen mehr steuern.“ Sagt aber auch: „Als Land müssen wir klamme Kommunen unterstützen.“ In Niedersachsen laufen derzeit fünf Modellversuche mit kommunaler Beteiligung,