Landkreis Harburg. Personalnot sorgt für lange Wartezeiten. Zudem gehen immer mehr Patienten, die keinen Arzttermin bekommen, in Kliniken.
Personalmangel und hohe Infektionszahlen sorgen in den Kliniken in Harburg und in den umliegenden Landkreisen für Überlastung in den Notaufnahmen. Nach Abendblatt-Informationen fallen aktuell viele erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, während die Kliniken gleichzeitig stark ausgelastet sind. Wartezeiten von vier bis sechs Stunden bis zur Behandlung durch einen Arzt sind keine Seltenheit.
„Wir erleben derzeit eine hohe Auslastung der Zentralen Notaufnahme, während wir gleichzeitig eine hohe pandemiebedingte Personal-Ausfallquote haben“, bestätigt Dr. Sebastian Philipp, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin am Elbe Klinikum Stade, auf Anfrage. „Das führt zwangsläufig zu längeren Wartezeiten – besonders bei Erkrankungen oder Verletzungen, die nicht zwingend sofort behandelt werden müssen.“
Krankenhaus Harburg: Verlegung auf reguläre Station kann mehrere Stunden dauern
Auch eine Verlegung auf eine Station könne durch coronabedingte Ausfälle von Mitarbeitenden und den damit reduzierten Bettenkapazitäten zu Spitzenzeiten mehrere Stunden dauern. Regelmäßig müssten Stationen geschlossen oder anders aufgeteilt werden. „Das führt jeweils temporär – aber immer wieder – zu nicht betreibbaren Betten und somit zu längeren Wartezeiten“, so Philipp.
Ähnlich gestaltet sich die Situation in den Krankenhäusern im Landkreis Harburg. „Wie nahezu alle Krankenhäuser in Deutschland sind auch die Krankenhäuser in Winsen und Buchholz aus Personalknappheit nicht in der Lage, alle verfügbaren Betten auch zu belegen“, sagt der Ärztliche Direktor Dr. Christian Pott. „Wir haben einen Schlüssel, wie viele Betten auf eine Pflegekraft kommen dürfen und bestimmen nach der Verfügbarkeit von Pflegekräften die Zahl der belegbaren Betten.“ So würden bei größeren Krankheitsausfällen weniger Betten zur Verfügung stehen.
Selbst im Normalbetrieb gibt es belastenden Mangel an Pflegekräften
Selbst im Normalbetrieb gebe es einen sehr belastenden Mangel an Pflegekräften, zunehmend auch an ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Personalausstattung sei damit „höchst relevant“, so Pott. „Sie bestimmt die Aufnahmekapazität der peripheren Stationen und damit auch die ‚Abflussmöglichkeiten‘ aus den Aufnahmestationen.“
In der Asklepios Klinik Harburg warten die Patienten in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) in der Regel weniger als vier Stunden bis zur ärztlichen Untersuchung. „In Ausnahmefällen kann es natürlich auch zu deutlich längeren Aufenthalten kommen“, sagt Pressesprecher Matthias Eberenz. „Dies trifft vor allem auf Patienten zu, die isoliert werden müssen und für die auf der Normalstation erst ein Einzelzimmer hergerichtet werden muss.“
Corona-Schnelltest und PCR-Test bei jedem stationär Aufgenommenen
Die Isolierungsmaßnahmen, die bei vielen Patienten, die die ZNA erreichten, notwendig seien, hätten die Abläufe dort verkompliziert und damit verlangsamt. „Bei jedem Patienten, der stationär aufgenommen wird, wird ein Corona-Schnelltest und ein PCR-Test durchgeführt“, so Eberenz. All diese Maßnahmen seien zeitaufwendig. „Da wir im ärztlichen und pflegerischen Personal der ZNA aufgrund der Pandemie einen höheren Krankenstand haben, sind personelle Engpässe wie in vielen anderen Bereichen des deutschen Gesundheitswesens unvermeidbar.“
Neben der Personalknappheit und den vielen coronabedingten Ausfällen beim Pflegepersonal, bei Ärztinnen und Ärzten trägt noch eine weitere Tatsache zur Überlastung der Zentralen Notaufnahmen bei. „Was die Krankenhäuser Buchholz und Winsen äußerst belastet, ist der zunehmende Andrang auf die Stationen“, sagt Christian Pott. „Nicht nur Schwerkranke stellen sich in unseren Notaufnahmen mit zunehmender Tendenz vor, sondern auch viele mittelgradig Beeinträchtigte, die eine schnelle Klärung unter Vermeidung von Facharzt-Wartezeiten wünschen.“
Ambulante Kontakte binden Kapazitäten, die dann anderswo fehlen
So bestehe ein großer Teil der Tätigkeit in den Aufnahmen in einer schnellen, recht intensiven Diagnostik und Beratung, um anschließend wieder eine sichere Entlassung nach Hause zu ermöglichen. „Diese ambulanten Kontakte binden Kapazitäten, die zur Betreuung der stationären Patientinnen und Patienten sehr nötig wären“, so der Facharzt für Innere Medizin. „Das macht nach unserer Einschätzung einen großen Teil der Probleme aus.“
Ähnlich sieht das Sabrina Knott, Referentin der Helios Mariahilf Klinik Hamburg. „In der Notaufnahme findet sich vereinzelt das bekannte Problem wieder, dass Patienten den Schweregrad ihrer Verletzung oder Erkrankung falsch einschätzen oder keine Facharzttermine bekommen und die Notaufnahme unberechtigterweise aufsuchen“, sagt sie. Diese Fehleinschätzung beeinträchtige die Kapazität der Notaufnahme.
Krankenhaus Harburg: Viele Patienten müssten nicht zwingend in die Notaufnahme kommen
„Wir müssen viele Menschen behandeln, die vielleicht nicht zwingend in die Notaufnahme hätten kommen müssen“, bestätigt auch Dr. Sebastian Philipp, Ärztlicher Direktor am Elbe Klinikum Stade. „Wenn die Patienten ihren Haus- oder Facharzt beziehungsweise den Kassenärztlichen Notdienst aufsuchen würden, wäre eine massive Entlastung der Zentralen Notaufnahme spürbar.“