Buxtehude/Bremervörde. Züge mit Brennstoffzellen-Antrieb kommen bald im EVB-Netz zum Einsatz. 14 Diesel-Loks werden ersetzt, um CO2 zu sparen.

Ein leises Surren ist beim Anrollen eines solchen Zuges zu hören, Wasserdampf-Wolken statt Dieselschwaden quellen dann aus der Antriebsanlage des blauen Triebwagens: Wasserstoffzüge wie der Coradia iLint des Herstellers Alstom sollen in Zukunft mit Blick auf den Klimaschutz Dieselloks ersetzen.

Im Netz der Eisenbahn- und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) wird diese Zukunft nun schon vom kommenden Monat an Realität sein. 14 solcher Wasserstoff-Loks hat die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) von Alstom gekauft und vermietet sie weiter an die EVB.

Klimaschutz: 85 Millionen Euro für Wasserstoffzüge

85 Millionen Euro zahlt das Land für die Fahrzeuge samt einem 30-jährigen Wartungsvertrag mit dem französischen Konzern, der unter anderem ein Werk in Salzgitter besitzt. Es wird dann die weltweit erste Flotte von Wasserstoffzügen im Passagierbetrieb sein, wie LNVG-Sprecher Dirk Altwig dem Abendblatt bestätigt. „Wir sind stolz darauf, die Entwicklung von solchen Alternativen angestoßen zu haben“, sagt er.

Tatsächlich hatte die Landesnahverkehrsgesellschaft von der Bahnindustrie vor einigen Jahren bereits Co2-freie Antriebe gefordert und war dann mit Alstom ins Geschäft gekommen. Die ersten dieser Wasserstoffzüge werden nun voraussichtlich bereits im Juni für die EVB im Regionalverkehr zwischen Buxtehude, Bremervörde, Bremerhaven und Cuxhaven rollen. Die weiteren sollen im Laufe des Jahres folgen. Bis Dezember soll das EVB-Netz komplett auf Wasserstoff umgestellt sein, heißt es bei der staatlichen Nahverkehrsgesellschaft. Eine solche Umstellung sei perspektivisch auch für andere Regionen Niedersachsens geplant. „Wir werden künftig keine Diesel-Fahrzeuge mehr kaufen“, sagt LNVG-Sprecher Altwig.

126 Dieseltriebwagen betreibt die LNVG derzeit noch auf den nicht elektrifizierten Strecken des Bundeslandes, die dort noch immerhin einen Anteil von 40 Prozent ausmachen. „Wir würden uns wünschen, dass ein Drittel dieser Bahnstrecken ebenfalls elektrifiziert wird“, so Altwig. Für den verbleibenden Rest werde dann der Einsatz von Wasserstoff- oder auch Batteriezügen geprüft. Wobei gilt, dass auf besonders langen Abschnitten die neuen Wasserstoffzüge fahren, weil sie deutlich längere Reichweiten erreichen als Batteriezüge. Bis etwa 2040, so schätzt man bei der LNVG, werden die letzten Dieseltriebwagen des Landes aufs Abstellgleis kommen.

Wasserstoffzüge legten pannenfrei 180.000 Kilometer zurück

Dass Wasserstoff-Züge auch im Alltag auf dem platten Land gut funktionieren, haben Hersteller, Nahverkehrsgesellschaft und Eisenbahn-Unternehmen bereits bewiesen. Von 2018 bis 2020 waren dazu für die EVB von dem Coradia iLint zwei Vorserienfahrzeuge unterwegs, die regelmäßig auch in Buxtehude Station machten. Beide Züge legten pannenfrei gut 180.000 Kilometer zurück.

Immer wieder kamen Delegationen aus dem In- und Ausland zur EVB-Zentrale nach Bremervörde, um sich die Technik anzuschauen. Aber auch bei technikaffinen Passagieren stießen beide Züge auf Interesse. „Manche fahren nur deshalb mit, um einen solchen Wasserstoffzug zu erleben“, hieß es seinerzeit bei der EVB.

Inzwischen hat diese Technik offensichtlich immer mehr Fahrt aufgenommen. Auch andere Hersteller entwickeln Wasserstoffzüge und Alstom konnte neue Kunden gewinnen. So werden Ende des Jahres auch im Rhein-Main-Verkehrsverbund gleich 27 Züge des Typs Coradia iLint in den Regelbetrieb gehen.

Weltweit größte Wasserstoff-Tankstelle gebaut

Wesentliche Voraussetzung dafür sind geeignete Tankstellen. Anfangs wurden die beiden Vorserienfahrzeuge noch in Bremervörde provisorisch per Lkw betankt. Inzwischen ist dort am Stadtrand in Kooperation mit dem Unternehmen Linde die derzeit weltweit größte Wasserstoff-Tankstelle gebaut worden. Die Kapazität erreicht dabei 1600 Kilogramm Wasserstoff pro Tag, wobei ein Kilogramm Wasserstoff Alstom zufolge etwa 4,5 Liter Diesel ersetzt.

Mit einer Tankfüllung können die Alstom-Wasserstoffzüge dann rund 1000 Kilometer fahren, was in etwa einer Tagesleistung entspricht. Sie haben dazu mit der Brennstoffzellentechnik ein „eigens kleines Kraftwerk an Bord, das den Zug emissionsfrei und geräuscharm antreibt und lediglich Wasserdampf und Kondenswasser an die Umwelt abgibt“, wie es bei Alstom heißt. In der Brennstoffzelle werde durch eine elektrochemische Reaktion (Kalte Verbrennung) elektrische Energie für den Antrieb erzeugt.

Wasserstoff stammt noch aus Stader Chemiewerk

Der Wasserstoff stammt derzeit noch aus der Produktion eines Stader Chemiewerkes, von 2024 an soll dann aber vor Ort durch Elektrolyse auch „grüner Wasserstoff“ erzeugt werden, also mit Hilfe von Windkraftanlagen beispielsweise. Eine Lösung, die allerdings von Kritikern der Wasserstoffwirtschaft als sehr verlustreich beschrieben wird: Denn dabei wird Elektrizität durch Wasser geleitet, wobei dann Wasser- und Sauerstoff entstehen. Allerdings geht so viel der ursprünglichen elektrischen Energie wieder verloren. Weiterer Verlust entstehe dann auch in der Brennstoffzelle.

Gleichwohl wird derzeit vielerorts und gerade in der Region im Süden Hamburgs auf Wasserstoff gesetzt. In Harsefeld soll, wie berichtet, beispielsweise Wasserstoff künftig in großen unterirdischen Salzstock-Kavernen gespeichert werden. Und nicht nur für die Bahn gibt es hier Wasserstoff-Alternativen. Das Winsener Unternehmen Clean Logistics entwickelt gerade solche Antriebe auch für Busse und Lkw.