Lüneburg. Neue Ausstellung im Museum Lüneburg zeigt, wo sich im Alltag Rassismus verankert hat und ermöglicht das Eintauchen in Szenen.

Wer einen Vorgeschmack auf die multimediale Ausstellung „Was’ los, Deutschland!? Ein Parcours durch die Islamdebatte“ erhalten möchte, kann einen Blick in die digitale Ausgabe der Schau werfen: „Wo kommst du denn wirklich her?“ will da etwa ein Taxifahrer von seinem Fahrgast wissen, nachdem ihm die Frau mit dunkler Mähne gerade erst verraten hat, dass sie aus Süddeutschland stammt.

Der Fahrer lässt nicht locker – in seinen Augen ist offenbar nur derjenige deutsch, dessen Vorfahren hierzulande zur Welt kamen. Lauscht man dem Gespräch in der animierten Welt noch länger, kann einem mulmig zumute werden. Der Taxifahrer verwechselt Religionen und Kulturen, lobt sein Schnitzel und beleidigt ohne Unterlass.

Wanderausstellung rund um Rassismus und Islamfeindlichkeit

Im Museum Lüneburg, das die Wanderausstellung rund um Rassismus und Islamfeindlichkeit von Sonnabend an bis zum 4. Juli bei freiem Eintritt zeigt, können die Betrachterin und der Betrachter dann entscheiden: Möchten sie der Szene lediglich lauschen oder einschreiten? Insgesamt zwölf Szenen, Situationen aus dem echten Alltag nachempfunden, laden zum Beisein oder zur Interaktion ein.

Da wäre etwa die Frau an der Bushaltestelle, die ein Kopftuch trägt und deswegen grundlos von einem Wartenden beschimpft wird. In einer anderen Szene wird die Darstellung des Islams in deutschen Medien thematisiert und in wieder einer anderen die Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Ziel der Ausstellungsmacher ist es, insbesondere junge Menschen zum Nachdenken über gesellschaftliche Fragen anzuregen. Gleichzeitig soll die Ausstellung auch ein Ort für eigene Erfahrungen mit Diskriminierung sein, auch Hilfestellungen werden angeboten.

Die Figuren, denen Besucher in Lebensgröße begegnen, hat die muslimische Comic-Zeichnerin Soufeina Hamed, bekannt als tuffix, entworfen. Über Lautsprecher kommunizieren die Protagonisten miteinander, via Kopfhörer sind ihre Gedanken zu hören.

Auch die Darstellung von Muslimas und Muslimen in der deutschen Medienlandschaft ist ein Thema.
Auch die Darstellung von Muslimas und Muslimen in der deutschen Medienlandschaft ist ein Thema. © CD Kaserne, O. Knoblich

Das Projekt „Was’ los, Deutschland!?“, initiiert von der gemeinnützigen GmbH CD-Kaserne Celle, zählt zahlreiche Mitwirkende. Insgesamt 50 Leute, unter anderem Islamwissenschaftler, Kulturanthropologen und Schauspieler wie etwas das Theaterkollektiv Markus & Markus beteiligten sich. Finanziert wurde das Projekt zu einem großen Teil (100.000 Euro) aus Mitteln aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“, weitere 60.000 Euro steuerten unter anderem die Stiftung Niedersachsen und das Niedersächsische Kultusministerium bei.

Ein Jahr nahm die Konzeption der Ausstellung in Anspruch

Ein Jahr nahm die Konzeption in Anspruch, bis die Ausstellung zum ersten Mal im Sommer 2019 in dem Celler Veranstaltungszentrum CD-Kaserne präsentiert wurde. Im Anschluss ging die Schau auf Tour und hat laut CD-Kaserne-Geschäftsführer Kai Thomsen bisher rund 50.000 Jugendliche an 30 Standorten erreichen können. Auffällig sei, dass die Wanderschau nur wenige Male im Osten Deutschlands gezeigt wurde, obwohl sie für alle Orte angeboten werde.

Die Alltagssituationen, anhand der auf die geballte Diskriminierung, die sich in so vielen Köpfen verfestigt hat, aufmerksam gemacht wird, haben Betroffene beim Improvisationstheaterspielen entwickelt. Die CD-Kaserne GmbH sehe sich als Ermöglicher, sagt Thomsen, habe aber nie die Inhalte bestimmt. Viel Input hätten außerdem die Mitglieder des satirischen YouTube-Formats „Datteltäter“ mitgebracht, die in Videobeiträgen aus ihrem Leben als Muslime in Deutschland berichten. „Wir streben eine Haltungsänderung unter Jugendlichen an“, betont Thomsen, „Unsere Absicht ist es, ein friedvolles Miteinander in Deutschland zu bewirken.“

Die Reaktionen seien teilweise erschreckend, fügt er hinzu: Die einen würden sich bestätigt fühlen, nach dem Motto „Endlich sagt es mal jemand!“ Andere würden sagen: „Ja genau, so kenne ich das.“ Die wenigen Ausnahmen hätten bisher Ausstellungsorte dargestellt, an denen Minderheitsgesellschaften kaum vertreten sind. Er selbst habe sich gewundert, wie viele Menschen von Rassismus betroffen sind – „Das bleibt einem als weißer Biodeutscher um die 50 verborgen.“

„Was‘ los, Deutschland!?“, Ausstellung, 18. Juni bis 4. Juli, Museum Lüneburg, Foyer Wandrahmstraße, Eintritt frei