Buxtehude/Harburg. Forscher machen Este-Stadt zur Modellregion für neue Mobilität im urbanen Luftraum über Hamburg. Erste Prototypen sind in Erprobung.
Noch klingt eine solche Szene nach ferner Zukunft: Autonom fliegende, große Drohnen heben auf dem Buxtehuder Marktkauf-Parkplatz ab und schweben dann mit zwei oder auch vier Passagieren über die Elbe hinweg in wenigen Minuten zur HafenCity, zum Flughafen oder zu anderen Zielen in der Metropole.
Doch völlig abwegig ist die Vorstellung nicht: Erste solcher Luft- oder Flugtaxis sind bereits als Prototypen in der Erprobung. Und für die Metropolregion arbeitet ein Forscherteam verschiedener Hamburger Universitäten gerade an der Fragestellung, ob sich die Hansestadt als Modellregion für Flugtaxis eignen könnte.
Lufttaxis in Hamburg sinnvoll, um besondere Hindernisse zu überwinden
„iLUM“, so lautet das von der Wissenschaftsbehörde geförderte Verbundprojekt, an dem Flugzeugbau-Ingenieure, aber auch Stadtplaner, Juristen und Sozialwissenschaftler beteiligt sind. Die Abkürzung steht dabei für „Innovative Luftgestützte Urbane Mobilität“. Mit im Fokus dabei: Eine mögliche Verknüpfung von Buxtehude und Hamburg.
„Wir hätten auch das Rhein-Main- oder Ruhrgebiet nehmen können, aber die Metropolregion bot sich dafür gut an“, sagt dazu Professor Volker Gollnick, dessen Institut für Lufttransportsysteme an der Technischen Universität in Harburg die Federführung bei dem Projekt übernommen hat. Zum einen liegt da der Blick auf Hamburg nahe.
Und ein wenig Lokalpatriotismus ist wohl auch mit bei der Betrachtung der Verbindung zu Buxtehude dabei, immerhin wohnt der Luftfahrt-Experte Gollnick im Nachbarort Apensen.
Aber wesentlicher Grund für den Forschungsgegenstand war noch etwas anderes. „Lufttaxis machen Sinn, wenn besondere Hindernisse zu überwinden sind“, sagt Gollnick. Berge, Schluchten oder große Flüsse wie eben die Elbe. Dann können solche drohnenähnlichen Fluggeräte viel kürzere und direktere Routen nehmen als Transportsysteme am Boden.
Umweltfreundlicher und schneller als normale Taxis
Im städtischen Luftraum wären Flugtaxis zwar kein Ersatz für den öffentlichen Nahverkehr auf Straße und Schiene, aber ein zusätzliches Angebot. „Sie werden niemals das Bodenverkehrsproblem lösen“, sagt Gollnick. Aber etwa für Geschäftsreisende wären sie eine Alternative und umweltfreundlicher und schneller als normale Taxis.
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Langfristig, so glaubt Gollnick, werden Lufttaxis aber auch eine breitere Anwendung finden – so wie viele andere technische Innovationen wie Smartphones oder Airbags auch zunächst eher teuer und selten waren, bevor sie sich am Markt durchsetzten. Doch die Frage sei jetzt, wie viel solche Flüge mit Lufttaxis tatsächlich kosten würden, welche Mengen davon der Luftraum vertragen könnte oder wie laut sie wären?
„Wenn die Menschen Flugtaxis im urbanen Luftraum akzeptieren sollen, müssen wir als Wissenschaftler darstellen, wie so ein Luftverkehr konkret aussehen könnte“, sagt Gollnick.
Passagier-Drohnen starten bewegen sich wie kleine Käfer
Und genau um ein solches „Gesamtbild“ geht es auch bei dem Forschungsprojekt, das modellbasiert ist und schließlich eine Computer-Simulation einer Region zeigen soll, in der Lufttaxis zum Verkehrsmix dazu gehören. Etliche Daten werden dabei zusammengeführt, neben technischen Aspekten der senkrecht startenden Passagier-Drohnen beispielsweise auch topographische Gegebenheiten oder Höhen von Gebäuden.
Erste bewegte Bilder am Computer in seinem Büro im Harburger Binnenhafen kann Gollnick dabei schon zeigen. Der Flugverkehr mit Lufttaxis erscheint dort als eine Vielzahl von kleinen schwarzen Punkten auf einer Karte: Sie bewegen sich wie aufgeregte Käfer hin und her und werden im Laufe des dargestellten Tages mehr.
Sensoren sorgen dafür, dass es nicht zu Kollisionen kommt
Die Modellrechnungen basieren dabei auf Drohnenmodellen des deutschen Flugtaxi-Pioniers Volocopter in Bruchsal, der einige Prototypen schon gebaut hat und in Paris mit Demonstrationsflügen starten will. „Technisch sind die weitgehend schon ausgereift“, so Gollnick. Die angedachten Flugtaxis der Hamburger Forscher wären daher wie Volocopter batteriebetriebene, mit mehreren Rotoren ausgestattete Drohnen, die in der Anfangsphase noch von einem Piloten, später von einem Leitstand aus gesteuert werden können. Sensoren würden dann dafür sorgen, dass es zu keinen Kollisionen kommt. Vier bis sechs Sitze würden solche Flugtaxis bieten, sie hätten eine Reichweite von rund 100 Kilometern und könnten etwa 100 Stundenkilometer schnell sein
Auch mögliche Preise haben die Forscher schon ermittelt und landen in einem Segment, das mit Taxipreisen vergleichbar ist: Sechs Euro Grundgebühr und zwei Euro pro Kilometer könnte nach der Modellrechnung ein solcher Flug kosten.
Der schnelle Trip aus dem Raum Buxtehude zum Flughafen würde dann mit 80 bis 100 Euro zu Buche schlagen, was etwa einer Taxifahrt entspricht.
Landepunkte für Flugtaxis: HafenCity und Flughafen Hamburg
Wo geeignete Lande- und Startplätze dafür angelegt werden könnten, wird bei dem Forschungsvorhaben ebenfalls geprüft. In Buxtehude beispielsweise seien die Parkhäuser von Stackmann oder Marktkauf ideale Plätze, aber auch der südliche Bereich des Buxtehuder Bahnhofs. Mögliche feste Landepunkte in Hamburg seien eben die HafenCity, der Hauptbahnhof und natürlich der Flughafen in Fuhlsbüttel.
An eine Überfüllung des Luftraums durch Flugtaxis über Hamburg glaubt Luftfahrt-Professor Gollnick bei all diesen Szenarien nicht. 400 bis 500 Flugbewegungen würden heute über der Stadt registriert, mit den Flugtaxis wären bis zu 2000 vorstellbar. „Platz dafür ist vorhanden“, sagt er.
Zudem würde es künftig für den Einsatz von Drohnen und Flugtaxis einen speziell definierten Luftraum geben. Ein solcher „Urban-Space“ oder auch „U-Space“ sei bereits in der Entwicklung, sagt Gollnick, der wenig Zweifel daran lässt, dass tatsächlich in naher Zukunft Lufttaxis von Buxtehude nach Hamburg schweben werden. „Das kommt, das ist sicher“, sagt er.