Buchholz. Ex-Umweltministerin Monika Griefahn befürchtet, dass Finanzierung der Umgehungsstraße Gelder für Klimaschutzmaßnahmen verschlingt
Die Vorsitzende des Buchholzer Klimabeirats und ehemalige Umweltministerin von Niedersachsen, Monika Griefahn, warnt vor einer vorschnellen Entscheidung, die Planungen für die Ostumfahrung in Buchholz voranzutreiben. Mit einer eindringlichen Bitte fordert sie den Bürgermeister der Stadt, Jan-Hendrik Röhse, auf, die Entscheidung für die Bereitstellung der Planungskosten in Höhe von 2,15 Millionen Euro bis zu den Haushaltsberatungen im September zu vertagen. „Der Krieg in der Ukraine, die damit verbundene Materialkrise und die steigenden Kosten für das Handwerk sorgen für neue, veränderte Bedingungen. Da muss die Stadt genau hinschauen, wo sie das Geld ausgibt“, sagte die SPD-Politikerin dem Abendblatt.
Griefahn, die von 1998 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestag gewesen ist und zu den Gründungsmitgliedern der Umweltschutzorganisation Greenpeace gehört, befürchtet, dass mit der voreiligen Investition in die Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens Geld in ein Projekt investiert werde, dessen Umsetzung angesichts der veränderten Rahmenbedingungen völlig unklar sei. Die geschätzten Planungskosten liegen bei 4,3 Millionen Euro, deren Finanzierung sich die Stadt Buchholz und der Landkreis Harburg teilen sollen. Das hat der Kreis-Bauausschuss in seiner jüngsten Sitzung beschlossen.
Kosten, um deren Finanzierung sich die Stadt Buchholz Gedanken machen muss
„Es wäre unklug, die Finanzierung der Planung der Umgehungsstraße zum jetzigen Zeitpunkt zu beschließen“, sagt Monika Griefahn. Auch, weil die Stadt Buchholz künftig ein weiteres wichtiges Projekt vorantreiben müsse, das die Kommune vor große finanzielle Herausforderungen stelle. „Die Stadt hat im vergangenen Jahr einen Klimaaktionsplan in Auftrag gegeben, der ein Handlungsleitfaden zum Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 sein soll“, so die Politikerin und Umweltexpertin. „Jetzt liegt uns der vom Hamburg Institut erarbeitete vorläufige Aktionsplan vor. Die Umsetzung der darin aufgelisteten Vorschläge wird Kosten erzeugen, um deren Finanzierung sich die Stadt Gedanken machen muss.“
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Im Fokus der Klimaschutzmaßnahmen der Stadt Buchholz sollen die Handlungsfelder Strom, Wärme und Mobilität stehen, so die Fachleute des Hamburg Instituts. Photovoltaik und Windenergie sollen ausgebaut, Gebäude - sowohl in Privatbesitz wie auch städtisches Eigentum – energetisch saniert werden. Es sollen Fördermittelberatungsstellen für Privathaushalte eingerichtet werden, Quartierskonzepte erstellt und der kommunale Fuhrpark auf batterieelektrische Fahrzeuge umgestellt werden. Zudem soll der Fahrradverkehr gefördert und der ÖPNV ausgebaut werden. Auch wenn ein Großteil der Aufgaben bei der Bevölkerung liege, heißt es im Klimaaktionsplan, müsse die Stadt durch Fördermittelberatung intensiv unterstützen.
Um zu einer ausgewogenen Entscheidung bezüglich der anstehenden Finanzierungen zu kommen, schlägt Monika Griefahn vor, die Entscheidung zur Bereitstellung der Planungskosten für die Ostumfahrung erst dann zu treffen, wenn die Klimateams, der Klimabeirat und der Rat der Stadt Buchholz den endgültigen Klimaaktionsplan und die damit verbundenen Maßnahmen gemeinsam diskutiert hätten.
„Die Verkehrszahlen rechtfertigen den Bau jedenfalls nicht“
Auch SPD-Ratsmitglied Gudrun Eschment-Reichert plädiert dafür, abzuwarten bis der fertige Maßnahmenkatalog vorliegt und dann zu schauen, ob und wie beide Projekte – auch langfristig – finanziell zu stemmen sind. „Es ist doch absurd, die Planung einer Straße zu beschließen, wenn deren Baukosten möglicherweise gar nicht mehr sichergestellt werden könnten“, sagt sie. „Schließlich beauftrage ich doch auch erst einen Architekten, wenn ich weiß, dass ich das Haus, das ich bauen möchte, später auch bezahlen kann.“ Hinzu komme, dass sich Stadt und Landkreis grundsätzlich die Frage stellen müssten, ob der Bau der Ostumfahrung angesichts des veränderten Mobilitätsverhaltens überhaupt noch angemessen sei. „Die Verkehrszahlen rechtfertigen den Bau jedenfalls nicht“, so Eschment-Reichert.
Grit Weiland von der Buchholzer Liste hat aber noch einen anderen Punkt, der sie irritiert. „Wir haben hier einen vorläufigen Klimaaktionsplan, bei dem mit keiner Silbe der Bau einer sechs Kilometer langen Straße und die damit verbundenen Treibhausgase erwähnt werden“, sagt sie. „Das finde ich irritierend. Wir müssen uns nicht dümmer stellen als wir sind: So eine Straße wirkt nicht nur klimaschädlich, sie frisst auch Lebensräume.“
Philip Schlumbohm, der für die Grünen im Buchholzer Stadtrat sitzt, betont, man müsse anderen Projekten Priorität einräumen, um bei der Verkehrswende voranzukommen. „Selbst wenn es aktuell eine verkehrliche Rechtfertigung für den Bau gäbe, wer von uns kann denn bis in die 2030er Jahre in die Zukunft gucken und weiß, wie das Mobilitätsverhalten und der Bedarf dann aussieht?“ Jetzt einfach mal vier Millionen Euro für eine Planung auszugeben, die vielleicht selbst bei dafür vorhandenen Mehrheiten mangels Bedarf in zehn Jahren niemals umgesetzt werde, sei absurd. „Das Geld sollte man lieber in den Ausbau alternativer Mobilitätsangebote, sozialer Infrastruktur oder den Klimaschutz stecken.“