Stelle. Bebauung im Gewerbegebiet gefährdet Naturdenkmale, befürchten Umweltschützer. Landkreis verweist auf alte Gesetze
Groß und prächtig ragen sie in die Höhe: eine Reihe alter Eichen, die eine eindrucksvolle Allee im Bereich des früheren Ritterguts Fachenfelde in Stelle bilden. Doch den teilweise jahrhundertealten Bäumen, von denen einige als Naturdenkmal geschützt sind, droht Gefahr. Das zumindest befürchtet Thomas Rieckmann von der Steller Ortsgruppe des Naturschutzverbands BUND.
„Hier sind geschützte Eichen beschädigt und in Lebensgefahr“, sagt er. „Diese Lebewesen aus der Reformationszeit sind ein Dokument unserer Landschaftsgeschichte.“ Der Landkreis Harburg werde jedoch nicht ausreichend tätig, um den Schutz der Eichen zu sichern. Mehr noch: Der Umweltaktivist vermutet, dass man versuche, eine Beschädigung der Bäume zu vertuschen. Deshalb hat er Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Baugenehmigungsbehörde und die Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg eingereicht.
BUND klagt über verschiedene mutmaßliche Verstöße
Konkret geht es um zwei Eichen, die auf einem Gewerbegrundstück nahe dem alten Baumbestand stehen, sowie zwei weitere Eichen kurz hinter der Grundstücksgrenze auf dem Grund des Landkreises Harburg. Die Beschwerde bezieht sich auf drei verschiedene mutmaßliche Verstöße. So rage der Traufbereich einer der äußeren Bäume auf das Gelände des dort ansässigen Betriebs. Bereits im November 2020 sei der Boden in diesem Bereich abgetragen worden, wobei die Wurzeln des Baums abgerissen worden seien, so Rieckmann in seinem Schreiben an die Behörde. „Seitdem sind die zersplissenen Enden der Wurzeln Sonnenbestrahlung, Austrocknung, Frost, Pilzbefall ausgesetzt.“
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Die beiden Eichen direkt auf dem Gewerbegrundstück seien in ihrer Einheit als Naturdenkmal ebenfalls gefährdet, wenn an dieser Stelle gebaut werde. Zudem seien 17 Eichen in Gefahr, deren Wurzelbereich von einem weiteren Gewerbebetrieb vor einigen Jahren überbaut worden sei. Sie bilden einen Abschnitt der Fachenfelder Allee, die unter Landschaftsschutz steht. Die Ansiedlung von Gewerbe in Fachenfelde habe seit 1970 Lebensräume seltener und geschützter Tier- und Pflanzenarten zerstört, sagt der Umweltschützer. „Deshalb verdienen die Reste von Natur, die hier überlebt haben, den Schutz durch den Landkreis Harburg.“
Die Bäume sind seit 1936 als Naturdenkmale geschützt
Die Bäume sind seit 1936 als Naturdenkmale geschützt. Damals war die Umgebung noch unbebaut, erst in den 1970er Jahren wurde das Gebiet zu Bauland. Damals waren die Gegebenheiten und das Bewusstsein für den Umweltschutz anders als heute. Der rechtlich vorgeschriebene Schutz für die Eichen ist daher nicht mit Vorschriften vergleichbar, die heute bei Bauprojekten üblicherweise erlassen werden. Darauf weist auch der Kreisrat hin.
Im Jahr 1975 verabschiedete die Gemeinde Stelle den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Fachenfelde. „Zu dieser Zeit steckte der Naturschutz noch in den Kinderschuhen“, schreibt Kreisrat Josef Nießen in seiner Antwort auf die Beschwerde, die dem Abendblatt vorliegt. „Dies hatte zur Folge, dass die vier als Naturdenkmale gesicherten Stieleichen in diesem Plan nicht in der Form Berücksichtigung fanden, wie es hätte nach heutigen Maßstäben erfolgen müssen.“ Leider sei es auch in späteren Anpassungen des Bebauungsplans 1991 versäumt worden, weiterreichende Schutzbestimmungen für die Bäume festzulegen, so Nießen.
Konsequenzen sind bis zum heutigen Tage ersichtlich
Auch der BUND habe sich damals in seiner Stellungnahme zwar um eine Graureiherkolonie, jedoch nicht um die Eichen bemüht. „Die Konsequenz bis zum heutigen Tage ist, dass den Eichen lediglich ein Schutz gewährt werden kann und muss, der ihnen nach rein wissenschaftlichen, Maßstäben das Überleben sichert. Die Bewahrung eines großzügigen Umfeldes, wie es diesen ehrwürdigen Baumkreaturen würdig und angemessen wäre, ist leider nicht möglich.“ Beim Landkreis nehme man die Bedenken jedoch ernst und setze sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für den Erhalt der Naturdenkmale ein.
Das Grundstück, auf und neben dem sich die vier Eichen befinden, wurde vor einigen Jahren bebaut. Bereits damals wurde die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises wegen der Bäume einbezogen. Die alten Gesetze schienen offenbar nicht ausreichend. Die Regelungen des alten Reichsnaturschutzgesetztes verbieten lediglich die Beseitigung des Naturdenkmals, schreiben aber keine Schutzabstände vor. Deshalb, so der Kreisrat, habe die Naturschutzbehörde die Mindestabstände definiert. Der Schutzraum des Kronentraufbereichs wurde um einen 1,50 Meter breiten Saum ergänzt.
Obwohl Baggerarbeiten überwacht wurden, sind Bäume beschädigt
Obwohl die Baggerarbeiten überwacht wurden, wurde dieser Schutzraum in der Folge verletzt. Dies sei durch einen Gutachter bestätigt worden, so Nießen. Eine im Februar 2021 durchgeführte Vitalitätsuntersuchung sowie ein Zugtest an dem betroffenen Baum ergaben jedoch, dass die Einbußen auf eine deutlich ältere Vorschädigung am Stammfuß zurückzuführen sei. Ein weiterer Baum aus der Vierergruppe, der außerhalb des Grundstücks steht, sei bereits seit vielen Jahren abgestorben. Er erfülle als Habitatbaum weiterhin eine Funktion.
Die Gemeinde Stelle habe den neuen Eigentümer des Grundstücks vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass er den Kronentraufbereich freihalten muss. „Dies hat er eingehalten“, sagt Tina Hirt, Leiterin des Fachbereichs Bauen und Umwelt. Der Zustand vor Ort werde zudem immer wieder kontrolliert. Ihr Fazit: „Die Eichen sind furchtbar alt aber vital.“