Finkenwerder/Neuenfelde. Gegner kritisieren Infoveranstaltung, weil sie nicht zu Wort kamen. Sie befürchten massive Eingriffe in die Natur und ihre Lebensgrundlage
Wird die Alte Süderelbe wieder an den Hauptstrom und damit an Ebbe und Flut angebunden? Sicherlich nicht in nächster Zeit. Allein die weiteren Voruntersuchungen und Machbarkeitsstudien werden Jahre bis Jahrzehnte in Anspruch nehmen, gefolgt von Planungen und Genehmigungsverfahren. Die Anrainer des Gewässers sind gegen die Anbindung. Sie hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf die Landschaft vor ihrer Haustür, sondern auch auf ihre Lebens- und Arbeitsweise.
Sie fürchten, dass trotz hoher Kosten und langer Umsetzungsfristen längst eine Entscheidung für die Öffnung gefallen ist. Bei einer Online-Informationsveranstaltung der „Stiftung Lebensraum Elbe“, die die weiteren Untersuchungen durchführt, kamen die Kritiker nicht zu Wort, bemängeln sie. Die Anrainer planen nun ihre eigene Informationsveranstaltung – in Präsenz und mit lebhaften Diskussionen.
Alter Süderelbe in zwei Schritten vom Hauptstrom abgeschnitten
Die Alte Süderelbe wurde in zwei Schritten vom Hauptstrom abgeschnitten: 1908, als im Zuge des damaligen Hafenausbaus der Hauptstrom der Süderelbe bei Moorburg in den ehemaligen Nebenarm Köhlbrand umgeleitet wurde, indem man den Zufluss in den alten Strom stark einengte, und nach der Sturmflut 1962. Damals waren gerade an der Süderelbe viele Deiche gebrochen. Damit sich das nicht wiederholen kann, wurde der Flussarm abgedeicht. Ein Stillgewässer entstand, das heute Biotopcharakter hat und gleich zwei Naturschutzgebiete hervorbrachte.
Die Öffnung ist aus zwei Gründen angedacht: Zum einen gelten Tidegebiete in Flussmündungsbereichen bei Naturschützern als besonders wertvoll und erstrebenswert, zum anderen erhoffen sich Umweltschützer und Hafenwirtschaft von mehr Tidegebieten eine Senkung des Gesamt-Tidenhubs in der Unterelbe. Das würde die Verschlickung von Fluss und Hafen reduzieren, hofft man. Um zu untersuchen, wo man weitere Tidebereiche schaffen könnte, haben Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen ungefähr 100 Gebiete zwischen Geesthacht und Neuwerk untersuchen lassen. Zur vertieften Prüfung blieben zwei übrig: die Haseldorfer Marsch westlich von Wedel und die Alte Süderelbe – in einer Variante ohne Durchfluss ins Mühlenberger Loch und nicht auf ganzer Länge, sondern mit einzigem Anschluss über ein Sperrwerk am Köhlfleet. Das Forum hatte seine Arbeit damit beendet.
„Fragen waren nur schriftlich erlaubt“
Die weiteren Untersuchungen soll die „Stiftung Lebensraum Elbe“ durchführen, die eng mit der Hamburger Umweltbehörde verknüpft ist. Sie hatte zu der Informationsveranstaltung eingeladen, nachdem zuvor Gespräche mit Betroffenen-Gruppen geführt worden waren. „Bei der Online-Diskussion sprachen nur die Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaftskoalition und die Geschäftsführerin der Stiftung“, beschwert sich Holger Maciolek, Anwohner aus Finkenwerder und Sprecher der „Initiative Alte Süderelbe“ (IAS), die sich für das Naturschutzgebiet „Finkenwerder Süderelbe“ engagiert. „Fragen waren nur schriftlich erlaubt und man konnte nicht sehen, welche Fragen andere Teilnehmer stellten. Das ist intransparent, zumal nur auf sehr wenige Fragen eingegangen wurde.“
In der Tat wurde nicht einmal eine Handvoll Fragen öffentlich beantwortet und die externe Moderatorin der Diskussion tat jede Stellungnahme ohne Fragezeichen als unzulässig ab. Elisabeth Klocke, Geschäftsführerin der „Stiftung Lebensraum Elbe“ verspricht allerdings, Antworten auf die offenen Fragen und Repliken zu Stellungnahmen auf der Homepage der Stiftung zu veröffentlichen. „Wir sind jetzt dabei, Voruntersuchungen vorzubereiten“, sagt Klocke. „Eine vertiefende Untersuchung oder Machbarkeitsstudie wird erst begonnen, wenn auch Schleswig-Holstein die Haseldorfer Marsch vertieft untersuchen lässt. Das ist noch nicht beschlossen.“
- Warum eine Öffnung der Süderelbe auch Neugraben betrifft
- Harburg blüht auf – vor allem in Neugraben
- Senat erklärt Heimfelder Holz zum Naturschutzgebiet
Thema Alte Süderelbe: „Wir werden ergebnisoffen prüfen“
In der Voruntersuchung geht es um Menge und Art der Sedimente in der alten Süderelbe, ein genaues Profil des Gewässerbodens und die Standfestigkeit des Schlickhügels in Francop. Diese Fragen wurden in den bisherigen Untersuchungen nicht zufriedenstellend erforscht, sagt Klocke. „Wir werden ergebnisoffen prüfen“, verspricht sie. „und sollten wir uns für die Öffnung aussprechen, dann sicherlich nicht für die Variante, die das Forum empfahl, denn diese maximale hydraulische Wirkung hätte wenig Akzeptanz und einen geringen ökologischen Nutzen.“
Dass ergebnisoffen geprüft wird, bezweifeln die Öffnungsgegner: In der Online-Diskussion gab sich Elisabeth Klocke von allen denkbaren ökologischen Vorteilen der Öffnung bereits sehr überzeugt, während sie kritische Fragen der Öffnungsgegner zu Hochwasserschutz und Obstbaubewässerung als „noch zu prüfen“ einstufte. „Außerdem ist der Zweck der Stiftung doch ausdrücklich das Schaffen von Tidebiotopen“, sagt Holger Maciolek. Eine Informationsveranstaltung der Gegner soll noch vor den Sommerferien stattfinden.