Lüneburg. Projekt von Campus Stiftung und Leuphana Universität soll zeigen, wie nachhaltige Landwirtschaft auch wirtschaftlich funktioniert
Inmitten von grün wogenden Getreidefeldern und staubigen braunen Äckern entsteht am Rande Lüneburgs ein landwirtschaftliches Experimentierfeld. Dieser Waldgarten ist ein mehrschichtig angelegtes System, das den Aufbau eines Waldes oder Waldrandes mit mehrjährigen, essbaren Pflanzen nachahmt. Hier werden Obst- und Nussbäume, Beerensträucher, Kräuter und Bodendecker miteinander auf einer Fläche wachsen.
Die meisten Menschen hätten beim Gedanken an Landwirtschaft sofort ein bestimmtes Bild vor Augen, sagt Dr. Agnes Friedel, Mitarbeiterin an der Fakultät Nachhaltigkeit der Leuphana Universität. „Wir haben uns daran gewöhnt, wie solche Flächen aussehen: eindimensional und langweilig. Dabei könnte es dort viel bunter sein.“ Um zu zeigen, wie eine nachhaltige Landwirtschaft funktionieren kann, hat die 51-Jährige das Projekt Waldgarten seit mehreren Jahren mit vorbereitet. Jetzt läuft sie über mit Holzschnitzeln ausgelegte Wege. Auf dem aufgelockerten Boden stehen zahlreiche, mit Pflanzen gefüllte grüne Kisten, an einem hohen Schnitzelhügel lehnen mehrere junge Obstbäume.
10.000 Pflanzen, darunter 120 Bäume, werden auf Projektgelände wachsen
10.000 Pflanzen, darunter etwa 120 Bäume, werden auf dem einen Hektar großen Projektgelände wachsen. Die ersten 6500 wurden am Freitag in den Boden gesetzt. Die Fläche wird auf drei Ebenen bepflanzt: Oben haben die Bäume Platz, in der Mitte wachsen die Sträucher und Stauden, unten breiten sich die Bodendecker und Kräuter aus. Dies soll die Artenvielfalt und ein gesundes Bodenleben fördern, zudem binden solche Systeme Kohlenstoff.
„Die Mischkultur bewirkt, dass sich die Pflanzen gegenseitig stärken“, erklärt Klaus Hoppe von der Campus Stiftung für nachhaltige und regionale Entwicklung, die den Acker gekauft hat. Bewirtschaftet wird er durch den nahe gelegenen Hof an den Teichen, ein Permakultur- und Arche-Betrieb, der ebenfalls zur Stiftung gehört. Die Erträge sollen im Hofladen verkauft werden.
Ziel: Nach fünf Jahren höheren Ertrag als mit Monokultur erreichen
Der Waldgarten ist auch der Versuch, nachhaltige Bodenbewirtschaftung so zu betreiben, dass es sich wirtschaftlich trägt. „Nach fünf Jahren erwarten wir auf allen Ebenen Erträge, und zwar mehr als mit einer Monokultur zu erreichen ist“, sagt Klaus Hoppe. Landwirte, die sich für diesen Weg entscheiden, sollen keinen Profit erwirtschaften, aber davon leben können. In diesem Punkt hebt sich das Lüneburger Projekt von anderen Waldgärten ab, die vor allem der Bildung oder Gemeinschaft dienen. Auch hier soll ein Bildungspfad entstehen und Besucher können beim Pflanzen oder Ernten helfen. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, in dieser Hinsicht soll in Lüneburg ein Vorbildprojekt entstehen.
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„Wir haben hier die Nachhaltigkeitswissenschaften in allen Dimensionen abgedeckt“, sagt Agnes Friedel und betont, das Projekt sei praxisorientiert und interdisziplinär aufgestellt. In mehreren Seminaren haben Studierende und Universitätsmitarbeiter verschiedener Fachrichtungen das Konzept Waldgarten weiterentwickelt und die Umsetzung am Stadtrand geplant.
„Von wissenschaftlicher Seite befassen wir uns seit vier Jahren damit“, sagt Dr. Stefanie Albrecht, die an der Leuphana Universität zum Thema Waldgarten promoviert hat. Das mehrschichtige und langfristig angelegte System bringe viele Vorteile mit sich, sagt die 36-Jährige. „Es dient nicht nur dem Bodenleben, sondern erhöht auch die Möglichkeit der Wasserspeicherung und verringert Erosion durch Wind.“ Zudem werde für den gezielt aufgebauten Boden kein synthetischer Dünger gebraucht und die zahlreichen Nischen in der Bepflanzung sorgten für eine Vielfalt von Lebewesen.
Startkapital stammt aus einer Crowdfunding-Kampagne und Spenden
Das Startkapital für die Pflanzen stammt aus einer Crowdfundingkampagne und weiteren Spenden, so kamen 23.000 Euro zusammen. Beim Einkauf stieß das Team jedoch auf unerwartete Hindernisse. „Die Baumschulen sind wie leer gefegt. Während der Corona-Pandemie haben viele Leute Bäume für ihre Gärten gekauft“, sagt Agnes Friedel. Erst nach mehreren Anläufen gelang es, die erforderlichen Pflanzen zusammen zu bekommen. Die weiteren Kosten für die Bewirtschaftung der Ackerfläche, zum Beispiel für Bewässerung und zwei halbe Arbeitsstellen, trägt zunächst die Stiftung. „Wir planen einen Testlauf über fünf Jahre“, sagt Klaus Hoppe. „Wenn er sich dann selbst trägt, soll der Waldgarten in den Hofbetrieb übergehen.“
Das Projektteam ist überzeugt, dass neue Wege in der Landwirtschaft dringend notwendig sind. „Wir brauchen das ganz dringend“, sagt Agnes Friedel und deutet auf den noch fast leeren Acker. Sie kann sich schon sehr gut vorstellen, wie bunt es hier in Zukunft aussehen wird – wenn die Blüten an den Bäumen blühen, die einmal Äpfel, Birnen, Kirschen, Mirabellen, Aprikosen, Pfirsiche oder Esskastanien tragen werden.
Über den Hof an den Teichen:
- Der Permakulturbetrieb Hof an den Teichen liegt auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei. Verschiedene alte Nutztierrassen leben dort, wie Weiße hornlose Moorschnucken, Bunte Bentheimer Schweine, Thüringer-Wald-Ziegen und Vorwerkhühner.
- Der Hof, Heiligenthaler Straße 1, ist täglich von 12 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet. Im Waldgarten werden von Ende Mai an Führungen angeboten. Weitere Infos auf www.hofandenteichen.de.