Buchholz. Nach Probenpausen und Konzertausfällen: Warum diese Buchholzer Musiker gestärkt und zuversichtlich in die neue Saison blicken

Sie kommt auf Socken in die Halle, schnappt sich eine Matte und einen Stuhl, platziert diese in der Turnhalle und öffnet den Instrumentenkoffer. In gebührendem Abstand richtet sich ein Mitspieler seine kleine Insel zum Musizieren ein.

Im linken Flügel der großen Turnhalle sitzen die Klarinetten, dahinter glänzen die Trompeten. Auf der rechten Seite haben sich zwei Tuben Platz geschaffen, vorn sitzen die Querflöten und ganz hinten, auf einem Podest das Schlagzeug. Zwischen Weichböden und Basketballkörben hat sich das Buchholzer Stadtorchester in der Sporthalle der Waldorfschule Kakenstorf zur Probe eingerichtet. Tagsüber wird hier geturnt und getobt. Doch mit der Dämmerung zieht die Musik ein.

Besonders für Blasorchester waren die Einschränkungen enorm

Früher brauchten die Musiker ein Viertel des Platzes für die Probe eines ganzen Orchesters. Doch seit der Pandemie gelten andere Regeln. Vieles hat sich geändert, seit dem ersten Lockdown im März 2020. Besonders für Blasorchester waren die Einschränkungen enorm, Proben monatelang verboten. Viele Konzerte wurden abgesagt, Orchesterwochenenden fielen aus.

Von Oktober 2020 bis Mai 2021 stand die gemeinsame musikalische Arbeit komplett still. In Deutschland herrschte ein Probenverbot für alle Amateurchöre, -ensembles und -orchester. Während kontaktfreier Sport in vielen Bundesländern bereits wieder gestattet war, spielte die als „immaterielles Kulturerbe“ geschützte Amateurmusik im Plan für Öffnungen der Bund-Länder-Beschlüsse noch bis in den Frühsommer 2021 hinein keine Rolle.

Orchester geht gestärkt aus Corona-Krise hervor

Es waren schwierige Zeiten. Und dennoch geht das Orchester der Nordheidestadt aus dieser Krise gestärkt hervor. Die Zahl der Mitglieder ist gewachsen, der Zusammenhalt größer denn je. Die Coronapandemie hat die Musiker zusammengeschweißt. Sie hat neue Konzertformate hervorgebracht. Und sie ist Beispiel dafür, wie mit Kreativität und viel Improvisationstalent eine Krise gemeistert werden kann. Das bestätigt auch die Deutsche Orchestervereinigung. Den Berufsorchestern geht es besser als vermutet. Kein Klangkörper wurde abgewickelt, so die Bilanz. Und dass, obwohl viele Häuser monatelang geschlossen waren und noch immer nur zu Teilen besetzt werden dürfen.

Musizieren mit Abstand: In der Coronapandemie wurde die Turnhalle der Waldorfschule Kakenstorf zum Probenraum des Stadtorchesters Buchholz.
Musizieren mit Abstand: In der Coronapandemie wurde die Turnhalle der Waldorfschule Kakenstorf zum Probenraum des Stadtorchesters Buchholz. © HA | Hanna Kastendieck

Auch das Buchholzer Stadtorchester, deren 60 Mitglieder allesamt Laienmusiker sind, hat etliche Konzerte in den vergangenen zwei Jahren absagen müssen. Die großen Winterkonzerte in der Buchholzer Empore: ausgefallen. Die Auftritte beim Buchholzer Stadtfest: abgesagt. Der große Frühschoppen auf Hof Oelkers: verschoben. „Nicht nur dass die Motivation gelitten hat. Auch die finanziellen Ausfälle waren riesig“, sagt Sonja Hesse, Mitglied im Vorstand des Vereins Stadtorchester Buchholz. Etwa 12.000 Euro fehlen in der Vereinskasse. Ohne die finanzielle Unterstützung der Stadt Buchholz hätte das Orchester nicht überlebt.

Doch aufgeben, das kommt für die Bläser und ihre professionelle Orchesterleiterin nicht in Frage. Statt zu resignieren, haben sie alternative Proben- und Konzertformen entwickelt. Als im März 2020 klar ist, dass die Orchesterarbeit auf Eis gelegt werden muss, versorgen sie ihr treues Publikum über das Internet, posten täglich ein Musikstück aus ihrem Repertoire. Kaum dass im Juni 2020 Orchester zumindest wieder unter freiem Himmel proben dürfen, treffen sich die Bläser zum Üben auf einem Bauernhof. Als der Buchholzer Kinobetreiber Carsten Reck im Sommer 2020 das erste Autokino in Buchholz organisiert, tritt das Orchester mit Stücken von Ennio Morricone und Hans Zimmer auf. Und als klar wird, dass auch in 2021 kein normaler Kulturbetrieb möglich sein wird, bitten sie die Stadt Buchholz um die Genehmigung für ein Klappstuhl-Konzert in der Buchholzer Innenstadt.

Konzert im April auf Hof Oelkers

„Es war etwas ganz besonderes, endlich wieder mal vor Publikum spielen zu können“, sagt Sonja Hesse. Doch die Freude währt nur kurz. Auch das Januar-Konzert in der Empore wird abgesagt, für das bereits 200 Karten verkauft waren. Orchesterleiterin Inka Kruse hofft, dass diese Absage die letzte gewesen ist. Und das nächste Konzert im April auf Hof Oelkers stattfinden kann. „Ihrem unermüdlichen Engagement ist es zu verdanken, dass wir alle bei der Stange geblieben sind“, sagt Sonja Hesse.

So veranstaltete die Dirigentin während des Lockdowns Videokonferenzen, organisierte die Arbeit in Kleingruppen, verteilte neues Notenmaterial zum Üben daheim und hält auch jetzt die Probenarbeit unter 2G+ am Laufen. „Wir haben dadurch ein gutes Miteinander und niemanden in der Coronazeit als Musiker verloren“, sagt Inka Kruse, die dankbar dafür ist, dass das Orchester sie auch während des Lockdowns weiter bezahlt hat. „Als Soloselbstständige hat man in der Regel Honorarverträge, die kurzfristig gekündigt werden können“, sagt sie. Da hängt es sehr vom Vertragspartner ab, ob er sich solidarisch verhält oder nicht. Das Stadtorchester war sehr solidarisch.“

Vergangenen zwei Jahre eine schwierige Zeit

Und dennoch waren die vergangenen zwei Jahre insbesondere für Inka Kruse, die außerdem in der Musikschule für die Stadt Buchholz unterrichtet, eine schwierige Zeit. „Ich hatte große Einnahmeverluste, weil Präsenzunterricht nicht möglich war und Onlineunterricht nicht sehr beliebt“, sagt sie. Um sich finanziell über Wasser zu halten, suchte sie sich einen Job im Impfzentrum, den sie immer dann wieder aufgreift, wenn es in der Musik schwierig wird.

Sorge bereitet der Dirigentin vor allem der Blick in die Zukunft. „Viele Schüler von Bläserklassen, Schulorchestern etc. haben in der Coronazeit ihr Instrument an den Nagel gehängt, weil es keine Proben und Konzerte mehr gab und Onlineunterricht mit einem Orchester unmöglich ist“, sagt sie. „Dadurch werden alle Orchester in den kommenden Jahren spürbar weniger Nachwuchs haben.“ Es werde höchste Zeit wieder aufzutreten, wieder gemeinsam vor Publikum zu musizieren. Einen Konzerttermin gibt es bereits. Am 24. April wird das Buchholzer Stadtorchester auf Hof Oelkers in Wenzendorf zum musikalischen Frühshoppen aufspielen. Der Kartenverkauf hat jetzt begonnen.