Buchholz. Innovationskraft in der Corona-Krise: Das Abendblatt stellt mit „Unternehmergeist“-Preis geehrte Firmen vor. Heute: Keramikmalspaß
Als die Bundesregierung im November 2020 die Geschäfte schließen ließ, war ihres gerade einen Monat offen. Und so musste Alevita Pollmann vom „Keramikmalspaß“ in Buchholz gleich nach der ersten mutigen Entscheidung die zweite treffen. Die erste hatte sie im Sommer vergangenen Jahres gefällt.
Für ihre Geschäftsidee, Keramik-Rohlinge zu verkaufen und direkt im Laden bemalen zu lassen, hatte die Gründerin im Herbst 2019 zunächst eine kleine Fläche in Holm-Seppensen angemietet. Nach einem ersten erfolgreichen Winter ahnte sie schon zu Beginn der Pandemie, dass die ab Frühjahr 2020 geltenden Abstandsregeln für längere Zeit als bloß für einige Monate gelten würden.
Unternehmerin mietet für Abstandsregeln größeren Raum an
„Mir war schnell klar: Dort werde ich die Regeln nicht einhalten können“, erzählt die 37-Jährige. „Es war einfach zu wenig Platz.“ Also kündigte die Unternehmerin die Räumlichkeiten und wagte den Schritt zu einem größeren Geschäft: in der Passage neben dem Kino in Buchholz. Alevita Pollmann hat Betriebswirtschaftslehre in Hamburg studiert, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Hollenstedt. Die Tochter ist 13 Jahre alt, der Sohn drei.
„Im Sommer habe ich lange überlegt: Soll ich schließen und ganz aufhören mit meiner Geschäftsidee – oder soll ich mich für die Hoffnung entscheiden?“ Alevita Pollmann sitzt an einem für einen Kindergeburtstag geschmückten Tisch in ihrem „Keramikmalspaß“-Geschäft, aus ihrem Gesicht spricht eine Mischung aus Zuversicht und Anstrengung. Bekanntlich entschied sich die Geschäftsfrau für Letzteres und öffnete im Oktober vorigen Jahres zum ersten Mal ihre Türen zu ihrem weiträumigen Ladenlokal in der Passage. Doch einen Monat nach der Neueröffnung schon wieder schließen zu müssen, war „extrem schwierig“.
Nicht nur, weil die Corona-Hilfen auf Grundlage der Kosten im vorherigen Geschäft berechnet wurden – die natürlich wesentlich geringer waren. Sondern auch psychisch. „Jedes Mal, wenn ich wieder öffnen durfte, war es wie ein kompletter Neustart“, sagt Alevita Pollmann. „Ich fange jedes Mal von vorne an. Es ist, als hätte ich mittlerweile drei Neueröffnungen gehabt.“
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Doch aufzugeben kam ihr nicht in den Sinn – hatte sie in den ersten Monaten ihrer Selbstständigkeit doch gemerkt, wie hoch die Nachfrage nach ihrem Produkt ist: Bei „Keramikmalspaß“ kauft die Kundschaft nicht einfach nur ein Stück weiße Keramik. Im Preis inbegriffen ist auch das Bemalen direkt im Geschäft: die Farben, das Glasieren und Brennen – und die Tipps der Expertin. „Ich berate sehr gern und sehr viel“, erzählt Alevita Pollmann. Will eine Frau zum Beispiel eine Platte für Weihnachten ganz in Rot gestalten, rät die Fachfrau ihr zu einer Farbe mit Sprenkeln darin. „Denn reines Rot ist zickig.“ Soll heißen: Die Farbe kann später ungleichmäßig wirken, die Kundin von ihrem Werk enttäuscht sein.
Pollmann stellt nicht nur Farben zur Verfügung, sondern auch Pinsel und Schablonen, Stempel und Drehscheiben – und sie erklärt die verschiedenen Techniken, wie sich Keramik bemalen lässt. Generell, sagt sie, braucht es zum Ausprobieren keine besonderen Talente – außer Geduld. Je nach Größe des ausgewählten Stücks dauert das Bemalen zwei bis drei Stunden. „Es geht weniger um die Sache, also die Tasse oder den Teller“, sagt die Geschäftsinhaberin. „Es geht darum, achtsam zu sein. Wenn die Hände arbeiten, kann der Kopf abschalten.“ Und das geht fast genauso gut auch zu Hause.
Im Lockdown dreht Gründerin Videos und bietet Sets zum Keramikmalen an
Daher hat Alevita Pollmann während der gezwungenen Schließung ihres Ladenlokals begonnen, mit Mann und Tochter Videos zu drehen. „Wir zeigen und erklären darin ganz genau, wie die unterschiedlichen Techniken funktionieren und geben Tipps.“ Natürlich packt Pollmann auch entsprechende Sets zum Keramikmalen zu Hause. Darin findet sich stets nur die Menge an Farbe, die es wirklich braucht. „Niemand soll eine ganze Flasche kaufen, die dann herumsteht.“ Die Pinsel sind hochwertig und werden nur verliehen. Die Kunden schicken sie mit der bemalten Keramik zurück zum Geschäft. „Das ist mein Beitrag zur Nachhaltigkeit: keine billigen Wegwerf-Pinsel zu verkaufen. Hier geht alles im Kreis.“ Denn zurück nach Buchholz muss jede bemalte Keramik ohnehin: Dort glasiert und brennt Alevita Pollmann die selbst kreierten Unikate in ihren Brennöfen.
Genau diese Idee ist es auch, die Alevita Pollmann eine Nominierung für den Preis „Unternehmergeist 2021“ der Wirtschaftsförderung Landkreis Harburg eingebracht hat. Die WLH würdigt nach eigenen Worten damit „den Einsatz und die Kreativität, mit der viele Unternehmen der Region der pandemiebedingt wirtschaftlich schwierigen Zeit begegnet sind“.
Bei Alevita Pollmann ist die Kreativität sogar im doppelten Sinne erfüllt: Nicht nur sie selbst wurde kreativ beim Drehen der Videos und Einrichten des entsprechenden Online-Shops, sondern eben auch ihre Kundinnen und Kunden zu Hause.
Kunden bedanken sich mit Postkarten und Pralinen für ihre Ideen
Gerechnet habe sich der Aufwand zwar noch nicht, gibt Pollmann zu. Die Produktion der Videos ist sehr zeitintensiv, der Shop muss programmiert und bezahlt werden. Im kurzfristigen Sinne gelohnt hat sich ihre Idee also nicht. „Der Online-Shop hat mich nicht gerettet“, sagt Alevita Pollmann. „Aber er hat mir die Hoffnung gegeben durchzuhalten. Denn ich habe gemerkt: Der Shop hat Potenzial.“ Auch die Rückmeldungen der Kundschaft freuen sie: „Manche bedankten sich mit Postkarten und Pralinen für meine Ideen.“ Gern beobachtet sie auch, dass Keramikmalen kein typisches Hobby für Kinder ist. „Hier können alle Generationen etwas zusammen machen: Zu mir kommen Großeltern mit ihren Enkelkindern, und manchmal sind auch die Eltern dabei.“
Was ebenfalls überraschen mag, ist das Einzugsgebiet ihrer Kundschaft. „Viele kommen aus Hamburg her, vor allem aus dem Süden natürlich“, erzählt sie. „Sie sagen: Ich fahre lieber 20 Minuten nach Buchholz und finde sofort einen kostenlosen Parkplatz als mich nach Hamburg zu quälen und nicht parken zu können.“
Weihnachten herrschte natürlich Hochkonjunktur: Kaum war ein Brennvorgang beendet, begann der neue. „Viele Leute bemalen Weihnachtskugeln und verschenken sie im Advent“, erzählt sie. „Natürlich sind selbst bemalte Tassen und Schalen insgesamt sehr beliebte Weihnachtsgeschenke. Da war richtig viel los.“ Aufgrund der Abstandsregelungen ist das Bemalen im Laden zurzeit nur mit Terminabsprache möglich.
Wenn Alevita Pollmann auf die Monate des sogenannten Lockdowns zurückblickt und auch darauf, was sie wohl noch erwartet als Unternehmerin, dann ist sie einerseits sehr besorgt. „Ich hatte gerade eine Mitarbeiterin angelernt und musste ihr nun nach einem halben Jahr sagen, dass ich sie im Winter wieder nicht bezahlen können werde.“ Aber sie ist auch stolz auf sich. „Einerseits fühle ich mich in der Krise allein gelassen. Andererseits gibt mir diese Zeit unheimlich viel Selbstvertrauen: Wenn ich das schaffe, schaffe ich alles.“ Und neue Ideen für den zweiten Winter mit dem Virus hat sie bereits.