Landkreis Harburg. Acht Unternehmen aus dem Landkreis Harburg sind mit dem WLH-Unternehmergeist-Preis geehrt worden. Wir stellen sie vor.
Arnold Reymers nennt sich nicht nur selbst einen Exoten. Er ist mit Sicherheit tatsächlich einer. Der Seniorchef, in fünfter Generation Gemüsebauer, ist längst in Rente, eigentlich. Das jedenfalls behauptet ein Schild an der Tür zu seinem Büro in Reindorf. Doch statt den lieben langen Tag Golf zu spielen, denkt er sich Neues aus, um den Familienbetrieb auch für die übernächste Generation zu erhalten. Jüngste Erfindung des Seniors: ein Online-Shop für Gemüse.
Als die Hotels und Gaststätten voriges Jahr zum ersten Mal aufgrund der gesetzlichen Vorgaben schließen mussten, da stand Sohn Jan auf einmal so gut wie umsonst am Stand der Familie auf dem Hamburger Großmarkt. „Wenn in den Restaurants nichts auf den Teller kommt, kaufen sie auch nichts ein“, fasst Reymers die Lage kurz und knapp zusammen. Die Hälfte der Kunden auf dem Großmarkt: weg. „Das war ziemlich schlimm“, so der Senior. „Und dann hatte ich diese Idee.“
56 Cent für einen Eisbergsalat aus Spanien?
Der 67-Jährige hat zwar viel zu kritisieren, wenn er Preise im Supermarkt sieht wie 56 Cent für einen Eisbergsalat aus Spanien. „Da kostet der Transport schon 20 Cent. Was bekommt denn da der Bauer?“
Doch seine Kritik hält ihn nicht davon ab, mit eigener Kreativität und Ideen den Familienbetrieb am Laufen zu behalten – er hat schließlich das Glück, dass seine Kinder sowohl den landwirtschaftlichen Betrieb als auch die Handelsgesellschaft übernehmen, anders als bei den meisten seiner Kollegen.
Und wer Sohn Dierk Reymers fragt, warum er das tut, was so viele andere in seinem Alter nicht tun wollen, dann blickt der 43-Jährige beinahe ein wenig ungläubig, so etwas gefragt zu werden. „Weil ich mich hier ausleben kann“, sagt der Geschäftsführer des Gemüseanbaubetriebs. Auch er setzt eigene Ideen um, will im nächsten Jahr auf 2000 Quadratmetern so viele Kulturen zusammen in die Erde bringen wie noch nie und dabei so gut wie keine Maschinen nutzen.
Ursprünglich in Hamburg-Neuland angesiedelt, liegen dort heute nur noch die Gewächshäuser des Gemüsebaubetriebes. Die Freilandflächen finden sich in Reindorf bei Buchholz. „In Hamburg bekam ich nicht genug Flächen“, erklärt Arnold Reymers. Der Umzug in die Nordheide – auch das eine Entscheidung des Unternehmers, die zum Überleben des Betriebes beitrug.
Die neuste ist der Hofladen. Das Besondere daran: Es ist nicht so, dass es schon länger einen Hofladen in Reindorf gibt und die Familie ihn seit der Corona-Pandemie eben auch online anbietet. Dieser Hofladen existiert tatsächlich nur im Internet.
Demnächst soll auch ein Lieferservice dazukommen
„Ich dachte mir: Wenn die Leute alles bei Amazon bestellen, warum nicht auch Gemüse beim Bauern?“, sagt Arnold Reymers. Er stellte einen jungen Medienmanager ein, Sven Rathert, 33, aus Emmelndorf. Gemeinsam tüftelten die beiden an ihrem Plan: Gemüse ohne Zwischenhändler zu verkaufen, aber ohne eigenen Laden, ausschließlich über ihre Homepage. Drei Stufen umfasst die Strategie des Duos: Einen Teil der über im Online-Hofladen angebotenen Lebensmittel produziert der Betrieb selbst, einen weiteren Teil kauft die Familie bei Kollegen in der Region ein – man kennt sich schließlich, oft seit Generationen. „Wir wollen so regional wie möglich sein“, sagt Sven Rathert. Unter anderem Brokkoli, Chinakohl, Spitz-, Weiß- und Rotkohl, Eisbergsalat, Lollo Rosso, Lollo Bionda, Eichblatt und Grünkohl gibt es von den eigenen Feldern rund um Reindorf, der Porree kommt aus Bardowick bei Lüneburg, Eier aus Sprötze, Kartoffeln aus Handeloh, Gurken aus der Winsener Elbmarsch, Äpfel und Säfte aus dem Alten Land, Petersilie aus den Vier- und Marschlanden, Marmelade und Brotaufstriche aus Soltau.
Weil sie allerdings ohnehin regelmäßig auf dem Großmarkt sind sowie für ihren Großkunden Edeka unterwegs, entschlossen sich die Reymers, für eine möglichst breite Produktpalette auch Obst und Gemüse aus dem Ausland hinzuzukaufen. An insgesamt fünf Abholstationen konnten sich die Leute ihre Bestellungen bis vor kurzem abholen.
Selbst zum Großmarkt oder Großhandel zu fahren, kostet die Gastronomen doch viel zu viel Zeit“, sagt Sven Rathert. „Wenn wir ihnen unsere Waren bringen, bekommen sie Lebensmittel, wie sie frischer nicht sein können.“ Auch die Gastronomen können über den Onlineshop bestellen, Fahrer und gute Seele des Betriebes Klaus Oelert bringt die Bestellungen dann vorbei, wenn er ohnehin für den Betrieb unterwegs ist. Und mit den Preisen aus Spanien, sagt Rathert, könne man durchaus mithalten. „Importe müssen nicht günstiger sein als regionale Produkte.“
Gerechnet hat sich die Investition in den Onlineshop zwar noch nicht: Zurzeit werden durch die Einnahmen erst einmal die Kosten wieder zurückgespült. Insgesamt hofft Senior Arnold Reymers, mit den Neuerungen aber auf einem guten Weg für die Zukunft zu sein. Die Jury der Wirtschaftsförderung Landkreis Harburg jedenfalls haben die Ideen überzeugt: Der neue Hofladen der Reymers Gemüsehandel GmbH hat den dritten Preis beim Wettbewerb „Unternehmergeist“ gewonnen. Besonders gelobt hat die Jury, dass das Konzept des Zukaufens bei Kollegen eben auch andere Regionalversorger stärkt.
Zwar versteht der Senior nicht alle Angewohnheiten seiner Kundschaft: Die Leute lieben zum Beispiel den „Wochenkolli“, eine Kiste mit unbekanntem Inhalt aus Obst und Gemüse für 15,99 Euro. „Warum suchen die sich ihre Ware nicht lieber selbst aus?“, fragt sich der Unternehmer. „Weil sie sich gern überraschen lassen!“, antwortet ihm Sven Rathert dann und lacht. In Planung ist auch ein Überraschungsabo, ebenfalls mit Lieferung. Gut, dass hier zwei Generationen an einer Idee arbeiten.