Stade. Im Forschungsprojekt bei Stade wollen Wissenschaftler herausfinden, wie die Anlagen effizienter, kostengünstiger und leiser werden.

Zwei Prozent der Landesfläche in Deutschland sollen künftig nach Willen der neuen Bundesregierung für Windkraftanlagen zur Verfügung stehen. Ein ähnliches Klimaschutz-Ziel strebt auch das Land Niedersachsen an, um mehr erneuerbaren Strom erzeugen zu können.

Doch allein ein Blick auf den Landkreis Harburg zeigt, wie anspruchsvoll solche Pläne sind: Gerade einmal 0,45 Prozent der Kreisfläche sind derzeit Windvorranggebiete. Und dennoch gibt es schon jetzt vielfach Proteste gegen neue Windräder. Gefahr für Vögel oder auch Lärm-Emissionen sind dann meist das Thema.

Wege, Kabeltrassen und Leerrohre sind bereits verlegt

Wie man aber die Akzeptanz von Windkraft erhöhen, sie leiser macht und gleichzeitig ihre Effizienz weiter steigern könnte, ist jetzt Ziel eines bisher in seiner Art einzigartigen Forschungsprojekts im nördlichen Landkreis Stade. Dort baut derzeit das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unweit der Elbe für mehr als 20 Millionen Euro den „Forschungswindpark Krummendeich“ auf. Um die nationalen Klimaziele zu erreichen, sei eine deutliche Leistungssteigerung und lokale Akzeptanz der Windkrafterzeugung erforderlich, heißt es dort zur Begründung des Projekts, das von Land und Bund gefördert wird.

Wege, Kabeltrassen und Leerrohre sind bereits verlegt, kürzlich wurde die Aufstellfläche für die Kräne betoniert. Im Laufe der nächsten Monate werden dort nun drei Windräder und fünf meteorologische Mess-Masten aufgestellt sowie eine Leitwarte gebaut. Mitte des Jahres soll dann der Betriebsstart erfolgen, sagt DLR-Sprecher Andreas Schütz. Zunächst werde es bei der Forschung um Steuerung und Optimierung sowie den Lärmschutz gehen, aber auch der Vogelschutz könnte bei dem Projekt einmal eine Rolle spielen. „Wir machen jetzt erst einmal den ersten Schritt“, sagt der DLR-Sprecher.

Partner des DLR bei diesem Forschungsprojekt ist das Unternehmen Enercon aus Aurich, das als größter deutscher Hersteller von Windenergieanlagen gilt. Mehr als 2000 Sensoren und Messgeräte werden Enercon und DLR in die Anlagen installieren. Das Besondere dabei: Die Sensoren können nicht auf den Rotorblättern montiert werden, weil das zu Verwirbelungen führen würde. Sie werden daher bei ihrem Hersteller in Portugal in die Flügel eingebaut.

Geforscht wird in Krummendeich ab Mitte des Jahres mit zwei Original-Windkraftanlagen von Enercon mit einer Blattspitzenhöhe von 150 Metern und einer Leistung von jeweils 4,2 Megawatt. Im Gegensatz zu kommerziellen Windparks werden sie aber in Hauptwindrichtung hintereinander angeordnet. Das würde normalerweise zu ungewünschten Verwirbelungen und Abschwächungen der Windstärke führen. Hier könnten die Forscher aber untersuchen, wie sich die Strömung der einen Windenergieanlage auf die Effizienz, Schall-Emission und mechanische Belastung der anderen auswirkt und verändern lasse, heißt es beim DLR. Zudem werden die meteorologischen Mess-Masten mit Hilfe von Laser-Technologie die Windsituation mit einem bisher „einzigartigen Detailgrad“ erfassen können.

Wechselwirkungen zwischen „Treibstoff“ Wind und Anlagen

So soll der Forschungswindpark dem DLR zufolge helfen, die Wechselwirkungen zwischen dem „Treibstoff“ Wind und den Anlagen besser zu verstehen. Etwa, um eine bessere Anordnung von Rotoren in Windparks zu finden. Ein weiteres Forschungsfeld befasst sich mit automatischen Messmethoden, um Kosten zu sparen. Bisher müssen Techniker umständlich in den Windenergieanlagen hochklettern, um sie auf sichtbare Schäden zu überprüfen. Teilweise müssen sie zu den Anlagen sogar abgeseilt werden, was die Inspektion sehr aufwendig macht. In Krummendeich soll indes an einer automatisierten und onlinefähigen Fernüberwachung geforscht werden, um teure Wartungsdienste zu reduzieren.

Zusätzlich zu den beiden großen Anlagen wird in Krummendeich auch eine dritte, kleinere Windenergieanlage installiert. Hier lassen sich einzelne Komponenten wie Rotorblätter austauschen, umbauen oder optimieren – je nach wissenschaftlicher Fragestellung. „Mit dieser einmaligen Infrastruktur forschen wir im Originalmaßstab in der realen Umgebung anstatt im Labor“, sagt dazu Professor Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen. Gemeinsam mit der Wirtschaft könne die Windenergie so noch effizienter und günstiger gemacht werden. Ähnlich äußert sich Enercon-Manager Jörg Scholle: „Akzeptanzstiftende“ und gleichzeitig kostensenkende Innovationen seien ein zentraler Schlüssel für die Fortsetzung des erfolgreichen Land-Ausbaus in Deutschland und der Welt. „Dabei werden die mit diesem Forschungswindpark erzielbaren Grundlagenerkenntnisse helfen“, sagt Scholle.

Tatsächlich hat Forschung die Windkraft in den letzten Jahrzehnten bereits weit vorangebracht. Übliche Anlagen gelten heute als 20-mal leistungsfähiger als noch 1990.